Olympia:Immer Drei zusammen - Phelps teilt sich Silber

Swimming - Men's 100m Butterfly Victory Ceremony

Ein Mann ganz oben, drei Männer auf Rang zwei: Joseph Schooling (rechts) gewinnt vor den zeitgleichen Michael Phelps, Chad Le Clos und Laszlo Cseh (von links).

(Foto: Athit Perawongmetha/Reuters)

Das hat selbst der beste Schwimmer dieser Zeit noch nie erlebt: Im Schmetterlingsrennen über 100 Meter landen drei Athleten auf Platz zwei - trotzdem ist es eine hollywoodreife Nacht für die USA.

Von René Hofmann, Rio de Janeiro

Es war eine Samba-Gruppe aufgezogen. Das war nett, aber ein wenig deplatziert. Die Nacht zum Samstag - sie stand unter einem anderen Motto im Olympic Aquatics Stadion von Rio. Es war die amerikanische Nacht.

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Maya Dirado gewann über 200 Meter Rücken, Anthony Ervin war im Sprint über 50 Meter Freistil nicht zu schlagen, Katie Ledecky erkraulte sich über 400 Meter Freistil ihre fünfte Rio-Medaille, die vierte goldene - und das auch noch in Weltrekordzeit (8:04,79 Minuten). Und dann war da natürlich noch Michael Phelps. Der erfolgreichste Olympiateilnehmer fügte seiner beeindruckenden Medaillen-Sammlung eine weitere Plakette hinzu, wobei der 31-Jährige etwas erlebte, was selbst er so noch nie erlebt hatte: Zwei andere Schwimmer standen bei der Siegerehrung mit ihm auf der gleichen Stufe.

51,14 Sekunden - die Ziffernfolge hatte über 100 Meter Schmetterling nicht nur Phelps ins Wasser gemalt. Laszlo Cseh und Chad le Clos glückte das identische Kunstwerk. Nur der 21 Jahre alte Joseph Schooling, der in Singapur geboren wurde, aber in den USA in den Schwimmsport hineinwuchs und aktuell an der University of Texas in Austin studiert, war schneller: 50,79 Sekunden.

Bei der Siegerehrung wurde zum ersten Mal in einem olympischen Stadion ganz oben die Flagge Singapurs aufgezogen. Daneben, auf dem Silberrang, prangten gleich drei Fahnen untereinander: die amerikanische, die südafrikanische und die ungarische. Phelps, le Clos und Cseh hielten sich an den Händen, bevor sie auf das Podium kletterten. Sie sahen aus wie gut gelaunte Schüler auf Wandertag, denen der Lehrer gesagt hat: Immer Drei zusammen!

Phelps, der nach einigen Schlangenlinien im Leben ja noch einmal zurück zum Wettkampfschwimmen gekehrt ist, hatte in Rio zuvor schon vier Goldmedaillen errungen. Natürlich richteten sich auch an diesem Abend die meisten Augen auf ihn. Er war die Attraktion der amerikanischen Nacht. Wegen ihm waren besonders viele da. Die 100 Meter Schmetterling waren das erste Finale in Rio, an dem Phelps teilnahm, das er nicht gewann. Wirklich enttäuscht aber wirkte er darüber nicht. "Es ist, wie es ist", gab Phelps sich fatalistisch, "ich akzeptiere das Rennen. Um zu gewinnen, hätte ich schneller schwimmen müssen."

22 Mal Gold, drei Mal Silber und zwei Mal Bronze: So viel olympisches Metall hat Phelps nun zusammengetragen. In der Nacht zum Sonntag bietet sich ihm noch eine Gelegenheit, die Sammlung zu erweitern, mit der 4x100-Meter-Lagen-Staffel. Das Rennen ist das Highlight zum Abschluss der Schwimm-Wettbewerbe, für Phelps soll es das finale Hurra werden.

Danach ist Schluss, das stellte er in der Nacht zum Samstag noch einmal klar. "In Tokio werdet ihr mich garantiert nicht mehr sehen", erklärte Phelps im Plauderton, er freue sich schon jetzt darauf, den Sport nur noch als Zuschauer zu erleben. Und vor allem auf das US-Team freue er sich. Ihm prophezeit er weiter eine goldene Zukunft: "Ich habe noch nie so viele gute junge Schwimmer in diesem Team erlebt, die alle alle Aufgaben selbstbewusst angehen", so Phelps.

Hinten tropfen Haare, vorne Tränen

Eine der selbstbewusstesten ist Katie Ledecky. Die 19-Jährige wiederholte über 800 Meter, was sie zuvor schon über die Hälfte der Distanz getan hatte und über ein Viertel der Distanz auch: Sie schwamm einfach voraus, scheinbar mühelos, nicht im Kampf mit irgendwelchen Gegnerinnen, sondern nur im Clinch mit der Stoppuhr. Es endete mit ihrem dreizehnten Weltrekord. Ledecky war der Zweiten, Jazz Carlin, um mehr als elf Sekunden voraus. Ungefähr genauso lange dauerte es, bis nach der Britin die Letzte angeschlagen hatte: die Frankfurterin Sarah Köhler (8:27,75 Minuten).

Ledecky war von der eigenen Leistung so überwältigt, dass ihr die Augen überflossen. "Ich hatte in dieser Woche so viel Spaß", sagte sie, "ich habe hier all meine Ziele genau auf den Kopf getroffen." Hinten tropfte die Haare, vorne tropften die Tränen. Es war wirklich eine triumphale US-Nacht, die Emotionen flossen über. Hollywood hätte es aber auch besser kaum inszenieren können.

Zur Ouvertüre hatte Maya Dirado der ungarische Seriensiegerin Katinka Hosszu über 200 Meter Rücken im Schlussspurt nach drei Gold-Auftritten in Rio die erste Niederlage zugefügt. Die 27 Jahre alte Dirado rang Hosszu um sechs Hundertstelsekunden nieder. Dann kamen Phelps und Ledecky. Und dann, als das Publikum dachte, alles schon gesehen zu haben, wurden noch die 50 Meter Freistil gestartet, der ultimative Sprint-Vergleich.

Acht Männer, die durchs Wasser pflügen wie eine Gruppe spielfreudiger Delfine. Es spritzte, es brodelte, es platschte. Und nach 21,40 Sekunden stand der Sieger fest. Gold ging, mit einer Hundertstelsekunde Vorsprung, an Anthony Ervin. Der US-Schwimmer hatte schon einmal Olympia-Gold über die Strecke gewonnen, vor 16 Jahren bei den Spielen in Sydney. Danach war er abgestürzt, bis hin zum Selbstmordversuch. Nun ist er, mit 35, der bisher älteste Schwimmer, der je Olympia-Gold einsackte - und er feierte es wie ein American Gladiator im Sitzen auf der Trennleine der Schwimmbahnen.

Ein Happy End? Ja. Und nein. Ganz zum Ende der amerikanischen Nacht, als das frühe Licht der Morgendämmerung schon nicht mehr weit war, verriet Anthony Ervin noch, wem der Gruß gegolten hatte, den er bei der Siegerehrung in die Welt geschickt hatte: seiner Tochter, die während der US-Trials Ende Juni/Anfang Juli geboren worden war. Weil sich seitdem ein Trainingscamp nahtlos ans nächste reihte, hat Anthony Ervin sie noch nicht einmal gesehen.

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