Olympia:"Ich kann das nicht fassen, ey!"

Im Tollhaus an der Copacabana gewinnen Laura Ludwig und Kira Walkenhorst Gold im Beachvolleyball. Die Gegnerinnen aus Brasilien haben nicht den Hauch einer Chance.

Von Frieder Pfeiffer

Der Moment, der den größten Erfolg in der Karriere der Beachvolleyballerinnen Laura Ludwig und Kira Walkenhorst, früh ankündigte, war ein stiller. Ihre Gegnerinnen, Agatha und Barbara, saßen auf ihrer Bank und diskutierten. Die Hände der Brasilianerinnen flogen wie am Netz, Agatha beugte sich rüber zu ihrer Teamkollegin und redete auf sie ein.

Hinter ihnen lärmten im Stadion an der Copacabana die eigenen Fans. Und wenige Meter entfernt saßen die deutschen Kontrahentinnen - und schauten völlig ruhig vor sich hin.

25 Minuten waren im Finale des olympischen Beachvolleyball-Finales gespielt, es stand 5:1 im zweiten Satz für die Deutschen, den ersten Satz hatten sie bereits gewonnen. Ludwig und Walkenhorst hatten sich nichts zu sagen. Was denn auch. Es lief ja schon grandios.

Um 0:41 Uhr Ortszeit, eine Viertelstunde später, war genug geschwiegen. Ludwig und Walkenhorst schauten sich kurz an, dann schrien sie all das heraus, was sie vier Jahre beschäftigt hatte. Lange standen sie da, umarmten sich und bewegten sich nicht. Auf der anderen Seite standen die Brasilianerinnen in selber Pose - sie weinten. Ludwig und Walkenhorst lachten - und schrien. 21:18, 21:14 - nie hatte ein europäisches Frauen-Team zuvor eine olympische Medaille gewonnen. Ludwig/Walkenhorst stürmten gleich bis ganz nach oben.

Das Wichtigste zu Olympia 2016 in Rio

Sieben Spiele - sieben Siege

"Es ist einfach unwirklich, ich kann das noch gar nicht fassen, ey!", schrie Ludwig in die ZDF-Kamera in die brasilianische Nacht. Und Walkenhorst ergänzte: "Kann's gar nicht glauben, ey, Olympiasieger!" Sieben Partien hatte das Duo in Rio zu spielen, es begann mit einem wackligen Sieg und endete mit einem Halbfinale und einem Finale gegen zwei starke brasilianische Teams, die zusammen gerade einmal 80 Minuten dauerten. Es war eine Demonstration. Sieben Siege in Rio, insgesamt 13 in Folge, historische Zahlen.

Ob Sie Zweifel am Sieg gehabt hätte, wurde Walkenhorst noch gefragt. "Nein, heute nicht." Zu eindeutig entwickelte sich diese Partie, in der die Deutschen sich anfangs nur auf den "krassen Wind" (Ludwig) einstellen mussten. In der entscheidenden Phase im ersten Durchgang machten Ludwig/Walkenhorst ebenso die wichtigen Punkte wie gleich am Anfang des zweiten, als sie den Brasilianerinnen endgültig das Spiel und die Hoffnungen auf Gold im eigenen Land entrissen.

Mit Minirock aufs Podium

In einer beeindruckenden Mischung aus Konsequenz und Disziplin, fußend in der Fähigkeit, sich im Tollhaus Beachvolleyball-Stadion in den Tunnel verabschieden zu können, machten beide ihren Sieg zur vermeintlichen Selbstverständlichkeit.

Jürgen Wagner hatte das Duo Ludwig/Walkenhorst in diesen Tagen "ein brutales Team" genannt. Er muss es wissen - er ist ihr Trainer. Und Wagner fügte an: "Das habe ich so noch nicht erlebt." Das sind dann sogar noch etwas beeindruckendere Worte. Denn Wagner hat schon einiges erlebt. 2012 führte er Julius Brink und Jonas Reckermann in London zur Goldmedaille.

Kurz nach dem großen Triumph saßen Ludwig und Walkenhorst bei ihm in Moers im Wohnzimmer. Ludwig hatte schon zwei Olympia-Teilnahmen mit Sara Goller hinter sich, nun sollte es an der Seite des 21-jährigen Talents Walkenhorst endlich mit der Medaille klappen. Trainer Wagner machte den beiden Beachvolleyballerinnen unmissverständlich klar, dass er für das Ziel Rio 2016 viel von ihnen erwarten würde, ja, dass er sogar bei null anfangen würde.

Anfang im Moerser Wohnzimmer

"Ihr habt es ja nicht so mit der Ballkontrolle", soll er den durchaus talentierten Athletinnen später sogar an den Kopf geschmissen haben, wie Ludwig im SZ-Interview erzählte. Doch nach drei Stunden saßen Ludwig und Walkenhorst im Auto und waren begeistert. So sehr, dass "wir uns angeschaut haben und spontan meinten: 'Das machen wir!'"

Es war der Beginn eines langen Weges. 2014 gewann das Team ihren ersten Grand Slam, bevor es Probleme gab, die sogar das Projekt Rio gefährdeten. Walkenhorst erkrankte am Pfeifferschen Drüsenfieber, verletzte sich beim Comeback auch noch am Knie. Fast ein Jahr spielte sie international kein Turnier. Stillstand, es war eine harte Prüfung für Walkenhorst - und Ludwig. "Wir haben uns noch mehr vertraut. Und wir mussten immer wieder beweisen, dass wir es durchziehen können", sagt Ludwig, 30, heute.

Als Weltranlisten-Erste reisten sie nach Rio. Im Gepäck einen Minirock, den sie, so die Ansage, nur anziehen dürften, wenn es auf das Podium geht. Es hieß also: Medaille und Minirock - oder gar nichts. Es war tiefe Nacht, als zwei Miniröcke auf das Podium stiegen.

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