Hockey:"Bei uns war das ein einziges Gestolper mit dem Ball"

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In der Defensive oft hinten dran: Hier Niklas Wellen (li.) gegen den Südafrikaner Nduduza Peabo Lembethe. (Foto: Buda Mendes/Getty)

Die deutschen Hockeymänner verlieren eine verrückte Partie gegen den Außenseiter Südafrika mit 3:4. Nun müssen sie um den Einzug in die K.-o.-Runde bangen - Grund zur Panik gibt es dennoch nicht.

Von Jürgen Schmieder

Es hatte zuletzt ja ein bisschen Aufregung um die Trainer bei den Olympischen Spielen in Tokio gegeben; um Dean Boxall zum Beispiel, der den Erfolg seiner Schwimmerin Ariarne Titmus (Australien) mit einer Hommage an den unvergessenen Wrestling-Helden Ultimate Warrior feierte. Oder um Claudiu Pusa, der die deutsche Judoka Martyna Trajdos vor deren Kampf schüttelte und ohrfeigte. Und um Patrick Moster, der Radfahrer Nikias Arndt mit einer rassistischen Bezeichnung für die Leute vor ihm (aus Algerien und Eritrea) anzufeuern versuchte. Es gibt dann aber auch Leute wie Kais al Saadi.

Der ist Trainer der deutschen Hockeymänner, und er sah bei der Partie gegen Außenseiter Südafrika, wie sehr sich seine Schützlinge mühten. Wie überlegen sie waren. Wie sie aber auch verzweifelten, weil der Ball einfach nicht oft genug über die gegnerische Torlinie hüpfen wollte - und gleichzeitig beim Gegner immer dann alles lief, wenn es eben laufen musste. Es war eine verrückte Partie, es stand, aus deutscher Sicht: 1:0, 1:1, 1:2, 2:2, 3:2, 3:3, 3:4. Das war das Endergebnis, theoretisch müssen die Deutschen nun sogar um die Teilnahme am Viertelfinale bangen, und das wären gewöhnlich genug Gründe für einen Coach, einen Ultimate-Warrior-Auftritt hinzulegen oder wenigstens zu schütteln - Ohrfeigen und fragwürdige Ausdrücke müssen wirklich nicht sein.

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Al Saadi jedoch blieb ruhig, während und auch nach dieser Partie. "Man muss großen Respekt haben vor der Leistung Südafrikas", sagte er: "Wenn man nun sagt: Gegen die darf man nicht verlieren, wird es deren Leistung nicht gerecht. Das war eine Top-Performance und Visitenkarte dieses Teams, das vom eigenen Olympischen Komitee ja schon ein paar Mal zu Hause gelassen wurde wegen mangelnder Erfolgschancen. Was mich am meisten ärgert, ist, dass wir um deren Stärken wussten, die Partie aber niemals unter Kontrolle gebracht haben. Bei uns war das ein einziges Gestolper mit dem Ball und dadurch zu wenig Klarheit in den Aktionen."

Deutsches Hockey-Team in der Defensive bisweilen unentschlossen

Stimmt ja: Das deutsche Team hatte 60 Prozent Ballbesitz und war in den beiden beim Hockey prägenden Statistiken Schüsse (24:7) und Strafkreis-Attacken (31:11) klar überlegen. Es erzielte drei schöne Treffer, einen nach einer kreativen Strafecken-Variante (Martin Häner spielte zurück auf den ausführenden Niklas Wellen, der legte auf Torschütze Timm Herzbruch ab), einen über einen präzisen Strafecken-Schuss von Lukas Windfeder und einen nach einer schönen Kombination über Herzbruch und Johannes Große, die Constantin Staib vollendete.

Die deutschen Hockeyspieler waren aber in der Defensive bisweilen unentschlossen und unachtsam, und die Südafrikaner nutzten das in der ersten Spielhälfte - vielleicht sogar zur eigenen Verblüffung - konsequent aus. "Wir haben einfach viel zu viele dumme Fehler gemacht. Das war technisch ein sehr unsauberes Spiel von uns", sagte Große danach, und er erklärte auch, wie es im zweiten Durchgang zu diesen beiden Treffern für Südafrika kommen konnte, obwohl Deutschland zu diesem Zeitpunkt führte und die Entscheidung wollte: "Wir wussten um die Konterstärke. Die sind vorn enorm effizient. Bei denen fällt die Murmel rein und bei uns nicht. Das ist bitter!" Beim 3:3-Ausgleich ließen sich die Deutschen mit ein paar Pässen auskontern, und das 3:4 war eine abgefälschte Hereingabe, die ins Tor plumpste.

Wie soll man nun die Leistungen der Hockeyherren bei Olympia bislang beurteilen? Dem 7:1 gegen Kanada folgte das 1:3 gegen Favorit Belgien, über das al Saadi wegen des verschlafenen Starts gesagt hatte: "Was mich am meisten ärgert: Wir haben es nicht geschafft, denen so aufs Brot zu schmieren, dass sie so ein Spiel auch verlieren." Danach kam dieses grandiose 5:1 gegen Großbritannien und damit der Glaube, eine Medaille gewinnen zu können - und nun dieses 3:4 gegen Südafrika, dessen Verlauf symbolisch steht für das Turnier bislang. Das deutsche Hockey-Team kann theoretisch sogar scheitern, bei einer sehr hohen Niederlage im letzten Gruppenspiel gegen die Niederlande und einem sehr hohen Sieg von Südafrika gegen Kanada (Torverhältnis nach vier Partien: 5:23) - allerdings liegt Deutschland (+7) bei der Torbilanz um 15 Treffer besser als Südafrika (-8).

Mit einem Sieg (und zeitgleich mindestens Unentschieden von Favorit Belgien gegen Großbritannien) würden die Deutschen die Gruppenphase als Zweiter abschließen und damit im Viertelfinale Australien und Indien aus dem Weg gehen. Locker bleiben also, und das verkörperte al Saadi auch nach dieser Niederlage: "Ich nehme die Aufgabe jetzt sehr gern an, die Mannschaft wieder aufzubauen, weil ich um die mannschaftliche Geschlossenheit weiß. Das Team wird zusammenstehen und füreinander durchs Feuer gehen."

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