Hockey:Ein Dank an den Angstgegner

Germany v Netherlands - Hockey - Olympics: Day 8

Pauline Heinz (li.) und Kapitänin Nike Lorenz (re.) versuchen, die Niederländerin Eva de Goede vom Ball zu trennen.

(Foto: Steph Chambers/Getty)

Die deutschen Hockeyfrauen verlieren gegen die Niederlande 1:3 - doch das kommt ihnen vor dem Viertelfinale sogar entgegen.

Von Volker Kreisl, Tokio

Trainer sind oft auch rhetorisch begabt, sie müssen ihre Spieler oder Spielerinnen überzeugen, und manchmal sind sie so gut in ihrem Fach, dass auch externe Beobachter ihre Sichtweise übernehmen. Jedenfalls, am Ende des finalen Olympia-Vorrundenspiels im Frauenhockey glaubte man als Reporter, das soeben abgepfiffene Spiel habe mit einem Sieg für die Deutschen geendet. Dabei hieß das Resultat 3:1 (2:1) für die Niederlande.

Doch die beiden Zahlen mit dem Doppelpunkt dazwischen stellten in diesem Fall nur die halbe Wahrheit dar. Tatsächlich, so drückte es Xavier Reckinger, der Coach der deutschen Frauen, aus, ging es in diesem Spiel auch noch um anderes. Vorab, es stand nichts Weltbewegendes mehr auf dem Spiel, sein Team hatte alle vier Partien zuvor gewonnen und war längst fürs Viertelfinale qualifiziert. Was man gegen die Niederlande bezweckt hatte, war zwar schon auch ein Sieg, in erster Linie aber wollte man lernen, und zwar nachhaltig. Dieser Effekt wurde erreicht, mit der üblichen Formel: Rückschlag, Erkennen, Gegenhalten, Zurückschlagen - zumindest ein bisschen. Die Niederlage, sagte Reckinger, "war heute kein Rückschritt, sondern wir müssen Holland danken".

Als Zweiter der Abschlusstabelle geht es am Montag gegen Argentinien. Und dann habe die gesamte Mannschaft von Beginn an wach zu sein, forderte Stürmerin Lisa Altenburg. Sie ging mit dem Team und damit auch mit sich selbst hart ins Gericht: "Wir haben im ersten Viertel viel zu viel Respekt gezeigt, wir waren fast schon ängstlich, die haben uns ja fast überrollt." Klar, die Niederlande sind eine Art Angstgegner, was bedeutet, diese mussten sich gar nicht sonderlich anstrengen, denn die deutschen Spielerinnen verloren ganz von selbst den Faden. Sie standen zu oft nicht auf ihren Positionen, rückten nicht nach, kombinierten nicht, verloren den Ball wegen technischer Fehler.

Die Folge: Das 1:0 durch eine sauber verwandelte, gar nicht mal raffinierte Strafecke. Die ist an sich schon ein Indiz für zu viel Respekt, weil sie oft von einem Schuss ans Bein ausgelöst wird, und dies passiert, weil man den Gegner nicht konsequent vom Kreis ferngehalten hat. Der zweite Treffer war noch schmerzhafter, da durfte Oranje über rechts ungestört bis an die Grundlinie und dann weiter Richtung deutsches Tor dribbeln, querpassen und verwandeln. Nochmal Altenburg: "So kann man kein Spiel gegen einen solchen Gegner angehen."

Der Angstgegner hat zwischenzeitlich selbst Probleme

Derart endete es zuletzt oft gegen die Niederlande, weshalb dieses Spiel auch eine besondere Bedeutung hatte. Die Frage war, ob die Mannschaft einen Rückstand gegen den Nachbarn mal drehen könnte, ob sie das Gefühl des Versagens in Selbstbewusstsein umwandeln könnte. Der Druck an diesem Samstag blieb weiterhin hoch, doch dann gelang ein erster Durchbruch. Strafecken waren in der jüngeren Vergangenheit nicht die Stärke der Deutschen, das schnelle Passen, Auflegen und Schießen scheiterte zu oft. Nun saß gleich die erste - "das können wir als Positives mitnehmen", sagte Altenburg.

Der nächste Schritt, nämlich das 2:2, gelang zwar nicht, aber es wurde ja von Trainer und Spielerinnen auch als Lehrstück verstanden, weshalb sie versuchten, nach der Halbzeit auf Ball, Raum und das Geschehen zuzugreifen. Und das gelang recht gut. Über 20, fast 25 Minuten hatte der Angstgegner selber Probleme, kam kaum noch aus der eigenen Hälfte heraus, denn die Deutschen steckten sich nun gegenseitig mit gelungenen Szenen und präziserem Passspiel an. Am Ende erarbeiteten sie sich die Gelegenheit zum Ausgleich, abermals per Strafecke. Der Schuss blieb dann zwar hängen, aber auch die Chance an sich war schon - weil gegen die Niederlande - ein Erfolg.

Dankbar waren Reckinger und sein Team deshalb, weil der Sorgengegner ihnen einen Gefallen getan hatte. Die ganze Vorrunde über hat das Team um Kapitänin Nike Lorenz gewonnen, war dabei in der Tabelle, nicht aber in der eigenen Spielweise weitergekommen. "Jetzt wurden uns unsere Baustellen aufgezeigt", erklärte Altenburg. Das dritte Tor, das nach einem Konter fiel, hatte dies noch unterstrichen. Wie es aussieht, muss Reckingers Ensemble diesen Lernprozess fortführen, zunächst am Montag, gegen den Weltranglistenersten Argentinien.

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