Hockey bei Olympia:Der Kapitän brüllt: "Aufwachen!"

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Es war ein harter Kampf zwischen Mats Jurgen Grambusch (links) und dem Belgier Antoine Kina. (Foto: Dirk Waem/dpa)

Die deutschen Hockey-Männer verlieren ihr zweites Spiel gegen Belgien mit 1:3, weil sie den Beginn der Partie verpennen - und schon wartet der nächste schwere Gegner.

Von Jürgen Schmieder

Das Hundsgemeine an so einer leeren Arena ist ja, dass die Zuschauer vor den TV-Geräten jedes einzelne Wort hören, das auf dem Spielfeld gebrüllt wird - wobei: Dieser Ruf von Tobias Hauke wäre auch in einem vollen Stadion und ohne Mikrophone vernehmbar gewesen. "Aufwachen", rief der Kapitän der deutschen Hockey-Männer den Kollegen zu, als gerade mal fünf Minuten gespielt waren bei dieser Partie gegen die favorisierten Belgier. Die hatten das Spiel dominiert; aber eben auch deshalb, weil die Deutschen im Tiefschlaf zu sein schienen, und nun lagen sie nach einer abgefälschten Hereingabe von Cedric Charlier 0:1 zurück.

Nur zwei Minuten später musste Hauke erneut brüllen, diesmal hatte Charlier eine Strafecke unter die Querlatte gezimmert, diesmal er fügte ein paar Vokale und Dezibel dazu: "Auuuuuufwaaaaaaacheeeeeeeeeeen!"

Sie wachten tatsächlich auf, die deutschen Männer, in der zweiten Halbzeit erspielten sie sich zahlreichen Chancen; am Ende verloren sie eine bisweilen giftig geführte Partie mit 1:3.

Die Belgier sind eine eingespielte und ausgebuffte Truppe - und ein Favorit auf den Titel

"Silber fehlt mir noch, aber wenn ich das als Ziel ausgebe, nehme ich ja eine Endspiel-Niederlage von vornherein in Kauf", hatte Hauke vor Beginn des Turniers gesagt, das so schwer einzuschätzen ist wie der Wetterbericht von Tokio. Die Belgier, Weltmeister 2018, gelten als Favorit, allerdings verloren sie im Juni im EM-Halbfinale im Penaltyschießen gegen die Niederlande - die gewannen das Endspiel gegen Deutschland, ebenfalls im Penaltyschieden. Australien, in der Weltrangliste auf Platz eins geführt, hat aufgrund der Pandemie seit März 2020 keine interkontinentalen Spiele mehr bestritten; eine Einschätzung der aktuellen Form vor dem Turnier war unmöglich. Hauke sagte: "Bei der Leistungsdichte im internationalen Hockey gibt es keine Gewissheiten. Man kann sich nur in die Verfassung bringen, mit der man jeden Gegner schlagen kann."

Ihre erste Partie hatten die Deutschen locker mit 7:1 gegen Kanada gewonnen, der Turniermodus hat für jedes Team fünf Gruppenspiele vorgesehen, die jeweils besten vier der zwei Sechser-Pools qualifizieren sich fürs Viertelfinale. Die deutschen Männer, da sind sich Experten einig, haben die wohl kniffligste Gruppe erwischt, es warten nun, in dieser Reihenfolge: Großbritannien, Südafrika, Niederlande. Es geht ums Weiterkommen, um die Setzliste für die K.o.-Runde, aber eben auch darum zu erkennen: Wo steht man selbst, und wo stehen die anderen?

Die Belgier sind eine eingespielte und ausgebuffte Truppe, die das deutsche Team in gallige Zweikämpfe verwickelte und von den Schiedsrichtern häufiger Fouls zugesprochen bekamen, als es die Deutschen wahrhaben wollten. Nach der 2:0-Führung verwalteten sie das Spiel zunächst ruhig, erhöhten nach einer (unberechtigten) Strafecke kurz nach der Halbzeit auf 3:0 (diesmal traf Alexander Hendrickx unter die Latte) und zogen sich dann zurück. Diese Räume nutzten die Deutschen, inzwischen hellwach, sie erspielten sich viele Chancen und hätten (zum Beispiel nach einem kreativen Strafeckentrick) eher verkürzen können als zehn Minuten vor dem Ende durch Martin Haner. Es wäre interessant gewesen zu sehen, wie beide Team bei einem 2:3 gespielt hätten.

So sah das auch Trainer Kais al Saadi danach: "Was mich am meisten ärgert: Belgien hat ja kaum noch etwas für das Spiel getan, nur noch verwaltet. Wir haben es aber nicht geschafft haben, denen es mal so aufs Brot zu schmieren, dass sie so ein Spiel dann auch verlieren." Stimmt schon: Die wachen Deutschen dominierten die Partie, was aber fehlte: Präzision beim Pass am Kreis, Konzentration beim Abschluss, und auch ein bisschen Glück. "Die Statistik von 24:10 Kreisszenen spricht für uns, aber wir haben letztlich zu wenig daraus gemacht", sagte Offensivspieler Timm Herzbruch: "Uns hat klar die letzte Konsequenz im Kreis gefehlt und wir haben dort auch zu viele Bälle vertändelt."

Sie wollen sich jedoch nicht zu lange grämen über diese Niederlage. "Wir werden uns jetzt nur zwei Stunden lang ärgern, dann geht die Konzentration auf Großbritannien, die das fitteste Team des Turniers sind", sagte al Saadi: "Wir müssen einfach akzeptieren, dass solche Vorrunden nie reibungslos verlaufen." Vielleicht sollte er vor dieser Partie am Dienstag seinem Kapitän Tobias Hauke sagen, dass er bitteschön bereits vor Spielbeginn alle Vokale und Dezibel zücken möge, der er zur Verfügung hat, und dass er brüllt: "Auuuuuufwaaaaaaacheeeeeeeeeeen!"

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