Deutsche Handballer bei Olympia:17 Paraden

Deutsche Handballer bei Olympia: Zum Verzweifeln: An Johannes Bitter (Foto) und Andreas Wolff war gegen Norwegen kaum ein Vorbeikommen.

Zum Verzweifeln: An Johannes Bitter (Foto) und Andreas Wolff war gegen Norwegen kaum ein Vorbeikommen.

(Foto: Daniel Leal-Olivas/AFP)

Im entscheidenden Moment sind die Torhüter zur Stelle: Nach dem Sieg gegen Norwegen haben die deutschen Handballer den Einzug ins Viertelfinale in eigener Hand.

Von Saskia Aleythe, Tokio

Im Yoyogi Nationalstadion kann man den Blick schweifen lassen. Das Dach legt sich auf die Halle in Tokio wie ein Bettlaken, das jemand mit zwei Fingern an den Seiten nach oben gezogen hat: ein Hängedach, getragen durch Stahlseile. Betonträger im Inneren sind somit überflüssig, so bleibt mehr Platz zum Gucken. Und mehr Platz für die Leere.

Leben haben die deutschen Handballer trotzdem in diese Halle gebracht, mit all seinen Dramen. Zwei knappe Niederlagen gegen Rekordweltmeister Frankreich und Europameister Spanien, einen Sieg gegen Argentinien. Viel Hadern war dabei, und weil man nicht 9000 Kilometer nach Japan geflogen ist, um überwiegend zu leiden, musste sich am Freitag etwas ändern. Also gewann das Team 28:23 (14:11) gegen Norwegen, dank seiner Torhüter: Diese parierten 17 Mal, 43 Prozent der Würfe. "Wir hatten zwei überragende Typen im roten Pulli hinten drinstehen, die der Mannschaft viel Sicherheit gegeben haben", sagte Kapitän Uwe Gensheimer.

Torhüter Andreas Wolff hat seinen eigenen Stammestanz, wie bei einem Haka dröhnte sein dumpfes Gebrüll durch die Halle, wenn er einen Ball zu fassen bekam. Da ist es grundsätzlich egal, ob er gerade erst das 1:2 verhindert hat oder den Siegtreffer, in ihm bebt es die ganze Zeit. Als Norwegen nach 17 Minuten die erste Auszeit nahm, sprang die gesamte deutsche Bank jubelnd auf: 8:3, das war das, was Bundestrainer Alfred Gislason meinte, als er sich einen guten Start in die Partie gewünscht hatte - gegen Frankreich war ein solcher missglückt.

"Als Gemeinschaft sind wir heute gewachsen", sagt Johannes Bitter

Auch gegen Norwegen stockten die Angriffe zunächst- aber wer einen Brüller wie Andreas Wolff im Tor hat, lebt selber auch auf. Der Innenblock stand, und Wolff hielt die Bälle vom Tor fern - bis zur Halbzeit acht Paraden, 42 Prozent abgewehrte Würfe; und vorne trug sich fast die gesamte Mannschaft in die Torschützenliste ein. "Julius Kühn und Kai Häfner kamen sehr gut von der Bank. Da sind wir jetzt gut aufgestellt", so Gislason. Teamwork wie im Lexikon war in Tokio zu sehen, und als die Sirene zur Halbzeit erklang, tanzten und schrien die Kollegen Wolffs Haka mit. "Wir wurden ständig verwarnt, dass wir ruhiger sein sollten. Das war schon sehr stark von uns. Diese Stimmung und wie wir als Einheit da waren", fand Gislason.

Deutschland spielte aufwendig: Hendrik Pekeler und Johannes Golla ackerten am Kreis, im Angriff und in der Abwehr, die Rückraumspieler Steffen Weinhold und Paul Drux wühlten sich durch die Lücken. Hinten war viel Beweglichkeit gefragt, Norwegens Sander Sagosen ist einer, dem man besser nicht zu viel Freiraum gewährt. Auszubremsen war er für die Deutschen in der ersten Halbzeit ganz gut, dann nur noch leidlich, der Mann vom THW Kiel brachte sein Team wieder auf ein 22:21 (48.) heran. Ein heikler Moment, doch diesmal hielten die Nerven der Deutschen. "Das sagt viel über die Mannschaft. Dass sie da nicht gekippt sind", meinte Gislason, der sich fürs Meckern selber eine gelbe Karte abgeholt hatte.

In der Schlussphase war es dann Johannes Bitter, der die Norweger nervte, er hatte Wolff im Tor abgelöst. Nur zwei von neun Bällen ließ er ins Netz hinter sich sausen. "Wenn du so einen Innenblock hast, dann wird es für uns einfacher", sagte er, "das war eine tolle Leistung der Abwehr heute mit uns zusammen." Vor allem hatte der 38-Jährige aufgefangen, was seine Kollegen vorne an technischen Fehlern fabrizierten. Am Ende war Gensheimer der erfolgreichste deutsche Torschütze mit sechs verwandelten Siebenmetern. Bei den Norwegern trumpfte Sagosen mit sieben Toren auf.

Für das Viertelfinale ist nun die Partie am Sonntag gegen Brasilien entscheidend. "Wenn wir Gruppendritter werden wollen, müssen wir Brasilien schlagen. Das ist unser Ziel", sagte Gislason, man möchte den starken Dänen in der nächsten Runde eben gerne aus dem Weg gehen. "Wir dürfen noch träumen, es ist nichts verloren", das hätten sie sich vor der Partie gegen Norwegen gesagt, verriet Bitter.

Arm in Arm hüpften sie schließlich übers Spielfeld. "Als Gemeinschaft sind wir heute gewachsen", sagte Bitter - solch ein Gefühl kann ein Team lange tragen. Und vielleicht ergibt sich noch die Gelegenheit, um den Blick durch die schöne Halle auch mal schweifen zu lassen.

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