Süddeutsche Zeitung

Deutsche Olympia-Bewerbungen:Und der Gewinner ist ... niemand

Der deutsche Sport kann es nicht lassen: Er bewirbt sich mal wieder für Olympia. Zwar ändert er den Ablauf für die Suche des konkreten Kandidaten - aber das ändert nichts an den Chancen.

Kommentar von Johannes Aumüller

Ein sehr schönes Kapitel aus der nun auch schon sieben Teile umfassenden Saga "Deutschland und seine gescheiterten Olympia-Bewerbungen" bilden die Versuche, in denen einer Kandidatur auf internationaler Bühne ein nationaler Wettbewerb vorgeschaltet war. Herausragend war da zweifellos der Anlauf für die Sommerspiele 2012. Gleich fünf Städte stiegen in den Ring, Leipzig gewann das nationale Verfahren - und scheiterte beim Internationalen Olympischen Komitee (IOC) schon in der Vorauswahl an den technischen Kriterien.

Die Konstellation ein paar Jahre später war auch nicht schlecht. Da entschied sich der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) für Hamburg und gegen Berlin als Kandidaten für die Sommerspiele 2024. Unter anderem spielte das Argument hinein, dass in Hamburg die Zustimmung der Bevölkerung eher gegeben sei. Ein paar Monate später stoppte die Bevölkerung in einem Referendum dieses Projekt.

In der neuen Olympiabewerbungswelt sieht nun alles anders aus. So wie beim IOC - wo nicht mehr die Mitglieder zwischen mehreren Kandidaten auswählen, sondern in einem intransparenten Verfahren ein kleiner Kreis um die IOC-Spitze alles mit interessierten Städten aushandelt -, sind auch in Deutschland offene Wettstreite perdu. Stattdessen, so die neue Idee des DOSB, soll im Laufe des nächsten Jahres im Dialog mit Politik und Zivilgesellschaft ein Konzept entstehen, ob und falls ja, wann und mit wem man sich am besten bewirbt. Die klare Tendenz: eine Kandidatur mit mehreren Städten für Sommerspiele.

Gegen Deutschland als Gastgeber von Sommerspielen 2036 gibt es international zuhauf Argumente

Nun mag es angemessen sein, sich nicht in einem offenen Kleinkrieg verschiedener Städte zu verzetteln. Aber selbstverständlich birgt auch dieser Ablauf Raum für kräftige Konfrontationen. Es ist bei solchen Ansätzen ja immer die Frage, wie ergebnisoffen sie wirklich geführt werden - und ob nicht schon jemand einen finalen Plan in der Hinterhand hat. Zudem ringen nun interessierte Städte und Lobbyisten darum, Teil des dezentralen Konzeptes zu werden.

Vergangene Woche preschte Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter vor und zeigte sich offen. Nun zog sein Hamburger Pendant Peter Tschentscher nach. Dem Rhein-Ruhr-Gebiet darf man grundsätzlich Interesse unterstellen, und Berlin ist halt Berlin. Klar ist zugleich: Nicht jede Stadt, deren Oberhaupt gerade mit den Fingern schnipst, kann auch zum Zuge kommen. So dürfte nun insbesondere hinter den Kulissen das Gefeilsche einsetzen, wer in welcher Form dabei ist.

Wäre 2036 nicht mal wieder Asien dran? Oder sogar erstmals Afrika?

Schon in einem Jahr soll das Bewerbungskonzept stehen, aber dann warten erst die zwei großen Hürden. Erstens muss die Bevölkerung zustimmen, und die lehnte eine Olympiabewerbung in den vergangenen Jahren schon zweimal ab, als die wirtschaftliche Lage des Landes noch eine bessere war. Noch gewichtiger sind, zweitens, die internationalen sportpolitischen Realitäten. Für 2036 und 2040 gibt es schon zahlreiche Interessenten, betonte das IOC jüngst noch einmal. Und gerade gegen Deutschland als Gastgeber von Sommerspielen 2036 gibt es international zuhauf Argumente. Nur zwei davon: Wie sähe das aus, 100 Jahre nach den Nazi-Spielen von Berlin? Und wäre nach Paris (2024), Los Angeles (2028) und Brisbane (2032) nicht mal wieder Asien dran, oder sogar erstmals Afrika oder Arabien? Nicht nur Katar läuft sich gerade mächtig warm.

Vielleicht sollten sich die Verantwortlichen beim DOSB überlegen, ob sie nicht doch ein paar Städte in einem nationalen Casting offen gegeneinander antreten lassen. Dann gibt's wenigstens ein bisschen olympischen Wettkampf in Deutschland. Wenn es so schnell schon keine Olympischen Spiele gibt.

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