Olympia:Gute Russen, böse Russen

Olympia: Ebenfalls nicht bei Olympia 2016 am Start: Schwimm-Weltmeisterin Julia Jefimowa wurde schon zum zweiten Mal positiv getestet.

Ebenfalls nicht bei Olympia 2016 am Start: Schwimm-Weltmeisterin Julia Jefimowa wurde schon zum zweiten Mal positiv getestet.

(Foto: Alexander Nemenov/AFP)

Die Verbände sperren einzelne russische Athleten für die Olympischen Spiele in Rio, aber die Kriterien dafür bleiben unklar. Eine Schwimmerin will nun vor dem Internationalen Sportgericht klagen.

Von Claudio Catuogno

Der Schwimm-Weltverband Fina war offenbar vorbereitet auf die Herausforderung, jetzt zwischen guten und bösen Russen zu unterscheiden. Das will was heißen. Wenn es um die Doping-Bekämpfung geht, ist die Fina ansonsten nämlich nicht von der fixen Sorte. Ihr Präsident Julio Maglione ist 80 Jahre alt und nickt in Meetings nach dem Verlesen des Grußworts gerne mal ein. Ihr Generalsekretär Cornel Marculescu prahlt schon mal, dass man bei einer WM 3000 Dopingtests vornehme, und muss diese Zahl dann auf ein paar Hundert korrigieren. So sehr interessiert ihn das Thema im Detail. Und wenn die Fina tatsächlich mal einen Doper erwischt, erfolgt die Bestrafung nicht immer nach transparenten Kriterien.

So gab es etwa keinen nachvollziehbaren Grund, die 2013 ausgesprochene Sperre gegen die Weltmeisterin Julia Jefimowa von 24 auf 16 Monate zu reduzieren - außer, dass Jefimowa es dadurch noch zur Heim-WM 2015 in Kasan schaffte. Solche Gefälligkeiten ziehen sich seit langem durch die Anti-Doping-Politik der Fina.

250 bis 300 russische Sportler dürften durchgewinkt werden

Aber als es nun darum ging, die Vorgabe des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) umzusetzen und "nachweislich sauberen" russischen Athleten die Freigabe für die Spiele in Rio zu erteilen, ging es schnell. 24 Stunden nach dem Beschluss des IOC war die Sache geregelt. Was ein weiteres Indiz dafür ist, dass die Entscheidung von Thomas Bachs Olympia-Konzern, russische Athleten trotz der Enthüllungen zu einem staatlich organisierten Dopingsystem nicht komplett zu verbannen, sondern den Fachverbänden die Einzelfallprüfung zu übertragen, mit den Verbänden ausführlich vorempfunden gewesen sein dürfte.

Im Fall der russischen Becken-, Freiwasser- und Synchron-Schwimmer sowie Wasserballer und Kunst- und Turmspringer lautet das Ergebnis des Checks: 66 dürfen nach Rio, sieben müssen zu Hause bleiben. Sieben aus 73, damit liegt die Fina im Trend. Auch andere Verbände sperren jetzt einzelne Athleten - 250 bis 300 russische Sportler dürften allerdings durchgewinkt werden.

Wobei die Fina sogar nur gegen drei der sieben Aussortierten selbst einen Bann aussprechen musste: gegen Nikita Lobinzew, Wladimir Morozow sowie die Junioren-Weltrekordlerin Darja Ustinowa. Sie werden laut einer Meldung des Weltverbands im McLaren-Report "erwähnt". Der kanadische Ermittler Richard McLaren hatte im Auftrag der Welt-Anti-Doping-Agentur Wada das umfassende Staatsdoping in Russland dokumentiert.

Mutko kämpft um jeden Starter

Wie genau Lobinzew, Morozow und Ustinowa mit diesem System in Verbindung stehen? Ob sie zu den offiziell 643, nach neueren Erkenntnissen eher tausend Athleten gehören, von denen positive Tests in negative verwandelt wurden? Das bleibt unklar. Eine entsprechende SZ-Anfrage beantwortete die Fina am Dienstag nicht. Ebenso wenig wie die Frage, ob den dreien nach Rio weitere Verfahren drohen. Und nach welchen Kriterien die 66 anderen Wassersportler als sauber eingestuft wurden, auch dazu gibt es keinen Kommentar.

Vier Schwimmer wiederum haben die Russen selbst zurückgezogen - als Reaktion auf die Vorgabe des IOC, dass kein russischer Sportler, der jemals positiv getestet wurde, in Rio starten darf. Neben Jefimowa betrifft das Michail Dowgaljuk, Natalia Lowzsowa und Anastasia Krapiwina. Nationaltrainer Sergej Kolmogorow sagte der Nachrichtenagentur Tass, Jefimowa wolle dagegen vor dem Internationalen Sportgerichtshof Cas klagen. Man darf gespannt sein, ob sie das tatsächlich tut.

Ex-Doper aus anderen Ländern sind in Rio zuhauf am Start

Denn einerseits kämpft der (im McLaren-Report selbst belastete) Sportminister Witali Mutko weiter um jeden Starter: Dem Präsidenten des Leichtathletik-Weltverbands IAAF, Sebastian Coe, schrieb Mutko gerade einen Brief mit der Bitte, "die sauberen russischen Leichtathleten zu schützen". Die IAAF hat bis auf eine Ausnahme alle Russen gesperrt, der Cas hat diesen Komplett-Bann gebilligt. Mutko hingegen trommelt etwa für einen Start der Stabhochsprung-Weltrekordlerin Jelena Issinbajewa, die ihren Ausschluss nun sogar vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte bringen will.

Andererseits spricht viel dafür, dass der Verzicht auf Einsprüche beim Cas Teil einer Abmachung zwischen IOC und Russland sein könnte. Das berichtet die Zeitung The Times. Demnach habe Russland eingewilligt, ehemalige Doper zu opfern, damit das IOC den Anschein von Härte wahren kann - und das, obwohl genau diese Vorgabe vor dem Cas kaum Bestand haben dürfte. 2011 hatte das Sportgericht ja verfügt, dass es nach Ablauf einer Doping-Sperre keine weitere Verbannung von Olympia geben dürfe.

Und Ex-Doper aus anderen Ländern sind in Rio zuhauf wieder am Start, allen voran der US-Sprinter Justin Gatlin, der schon zweimal gesperrt war. Es wird also spannend zu sehen, ob sich die Russen tatsächlich auflehnen werden gegen Thomas Bachs IOC, das Gatlin in Rio ein Recht einräumt, welches es Jefimowa verwehrt.

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