Olympia:Goldenes Karriereende im Maracanã

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Durchaus freudig: Silvia Neid mit ihren Spielerinnen. (Foto: AFP)

Die deutschen Fußball-Frauen bescheren ihrer Trainerin Silvia Neid einen wunderbaren Schlusspunkt. Sie besiegen Schweden und holen erstmals den Olympia-Sieg.

Von Jürgen Schmieder

Jetzt mal ehrlich: Welche Fußballerin, die Herrin über zumindest den Großteil ihrer Sinne ist, würde auf die Frage nach dem Karriereende und der letzten Partie antworten: Rio. Estádio do Maracanã. Mit einer Medaille um den Hals. Von solch einem Moment darf höchstens ein junges Mädchen träumen, die an der Wand im Kinderzimmer Poster von Alexandra Popp, Sara Däbritz oder Melanie Behringer befestigt hat - aber doch keine vernünftige erwachsene Frau! Silvia Neid jedoch, die hatte vor dem olympischen Turnier erklärt: Rio. Estádio do Maracanã. Mit einer Medaille um den Hals.

Am Freitagabend, nach ihrer letzten Partie als Trainerin der deutschen Frauen-Nationalelf, stand Neid im Estádio do Maracanã von Rio, sie hatte die Goldmedaille um den Hals. Sie war an allen Titelgewinnen in der Geschichte der deutschen Elf beteiligt, als Spielerin (EM 1989, 91, 95), als Assistentin (WM 2003; EM 1997, 2001, 2005) und als Cheftrainerin (WM 2007, EM 2009, 2013). Bei Olympia hatte die deutschen Frauen bislang drei Mal die Bronzemedaille (2000, 2004, 2008) erreicht. Nun, in Rio, da wurde die deutsche Elf Olympiasieger mit einem 2:1 (0:0) gegen Schweden.

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"Das war jetzt das I-Tüpfelchen", sagte Neid im ZDF, "ich bin einfach total happy, dass wir dieses Spiel auch noch gewonnen haben, es war nicht einfach. Ich bin echt total stolz auf meine Mannschaft." Und die Torschützing zum 1:0, Dzsenifer Marozsan, bekannte: "Ich genieße es jetzt einfach. Ich kann es nicht in Worte fassen."

Der Sieger eines Turniers, das sei hier noch einmal erwähnt, wird entgegen anders lautender Indizien und Expertenanalysen nicht nach Gruppenspielen oder vor dem Halbfinale bestimmt. Der deutschen Elf waren vor etwa einer Woche nach einem mühevollen Unentschieden gegen Australien und einer verdienten Niederlage gegen Kanada die Fähigkeiten für eine Medaille abgesprochen worden. Die Schwedinnen hatten sich durch die Gruppe mit Brasilien (1:5) und China (0:0), waren nach dem Viertelfinale von der amerikanischen Torfrau Hope Solo als "Feiglinge, die es nicht weit bringen werden" geschimpft worden und hatten vor dem Halbfinale gegen Gastgeber Brasilien eine Siegchance von knapp über null Prozent zugesprochen bekommen.

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Die Partien wurden trotz teils verheerender Voraussagen für Schweden und Deutschland dann doch ausgetragen - und im Reglement des internationalen Fußballs ist keineswegs ein Verbot der Leistungssteigerung während eines Wettbewerbs vermerkt. Es gehört freilich zu den schlimmsten Irrtümern im Fußball, dass diese Fähigkeit zur Verbesserung einzig in der DNA des deutschen Fußballs existiert. Auch andere Nationen spielen sich in der Gruppenphase ein, sie nutzen bedeutungslose oder bereits entschiedene Partien für Experimente und gönnen prägenden Spielerinnen dringend nötige Pausen. Das tat Schweden, und Trainerin Pia Sundhage reagierte auf die Feigling-Vorwürfe und Motzereien über die defensive Taktik recht trocken: "Das ist mir scheißegal. Die fahren heim, ich fahre nach Rio."

Das Finale bei diesem Olympischen Wettbewerb deshalb: Deutschland gegen Schweden - zwei Mannschaften, die dieses Turnier holprig begannen, sich stetig steigerten und nun in einer hochklassigen und spannenden Partie den Gewinner der Goldmedaille ausspielten.

Die Schwedinnen vertrauten dabei der schon gegen die USA und Brasilien erfolgreichen Taktik, erst einmal elf Spielerinnen in der eigenen Spielhälfte zu positionieren, den Ball nach der Eroberung erst einmal quer zu spielen - und die gelangweilten Gegnerinnen dann mit einem 50-Meter-Steilpass zu verblüffen. Sie kamen so zu brauchbaren Gelegenheiten durch Olivia Schough (9.), Lotta Schelin (28.), Lisa Dahlquist (30.) und Linda Sembrant (37.). Die deutsche Elf spielte ebenfalls schnell und unkompliziert nach vorne, zunächst köpfte Melanie Leupolz knapp über das Tor (21.), dann vergab Anja Mittag nach einem schlimmen Schnitzer der schwedischen Torfrau aus sieben Metern (24.), schließlich probierte es Sara Däbritz mit einem schönen Schlenzer (42.).

Geöffnet wurde diese Partie durch den prächtigen Schlenzer von Dzsenifer Marozsan nach der Pause. Die überaus wuselige Melanie Leupolz überspielte zwei Gegnerinnen und legte den Ball dann flach in die Mitte. Marozsan stoppte, guckte, schlenzte: 1:0 für Deutschland. Schweden öffnete die Defensive, was Sara Däbritz für ein Dribbling nutzte und dabei gefoult wurde. Marozsan guckte, schlenzte den Ball an den Pfosten, von dort sprang er der Schwedin Sembrant an den Fuß und über die Torlinie: 2:0 für Deutschland.

Schweden kommt noch mal heran

Nun spielte Schweden noch offensiver und schaffte durch die eingewechselte Stina Blackstenius nach einem sehenswerten Angriff den Anschlusstreffer (67.). Es entwickelte sich ein Duell mit offenem Visier, ohne taktische Vorgaben und mit einer einzigen Frage: Würde es noch ein Tor geben in diesem Finale? Die Schwedinnen hatten dazu gleich mehrere Gelegenheiten, ein Treffer jedoch wollte ihnen nicht mehr gelingen.

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Silvia Neid war bereits ein paar Sekunden vor dem Schlusspfiff zu sehen, wie sie die Hand vor den Mund hielt, auf die Anzeigetafel blickte und ungläubig den Kopf schüttelte. So also würde sie ihre Karriere als Bundestrainerin beenden: In Rio. Im Estádio do Maracanã. Mit einer Goldmedaille um den Hals.

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