Olympia: Gefahren und Risiken:Entgleisung im Eis

Abseits von strahlenden Siegen und Spitzenleistungen zeigt sich in Vancouver ein Trend zu unnötig in Kauf genommener Gefahr. Der Wintersport sollte das anerkennen.

Thomas Hahn

Es ist einfach, bei diesen Spielen zu übersehen, was man nicht sehen will. Jeden Tag spuckt der olympische Betrieb Geschichten von erfüllten Träumen aus, bringt strahlende Sieger hervor und große Leistungen. Und abends geht's zur Medals Plaza, wo das Glückslächeln der Gewinner noch heller wirkt und wo die zweite Wirklichkeit des Wintersports endgültig hinter Buntlicht und lauter Musik verschwindet.

Olympia: Gefahren und Risiken: Stürzen, schlingern, stolpern: Olympia wird für die Wintersportler zunehmend zum Risiko.

Stürzen, schlingern, stolpern: Olympia wird für die Wintersportler zunehmend zum Risiko.

(Foto: Foto: dpa)

Das ist das Wesen eines Festes: dass man sich ablenken lässt vom Ernst des Alltags. Das ist auch die Qualität eines Festes. Aber deswegen gibt es den Alltag natürlich trotzdem noch, und nach einer Woche in Vancouver muss man sagen: Es bleiben hier nicht nur bunte Augenblicke in Erinnerung, sondern auch nachtschwarze.

Denn diese Spiele erzählen viel von den Tücken des Wintersports. Pisten und Halfpipe von Cypress Mountain haben zuletzt viel Lob bekommen von Snowboardern und Ski-Freestylern, und das haben sich die vielen Helfer in ihrem täglichen 24-Stunden-Kampf um das wertvolle Weiß im ausgefallenen Vancouver-Winter auch verdient. Aber nach etlichen Schneetransporten und Notfallaktionen steht das Schneefeld auch als Mahnung im grünen Zypressenwald: Wenn das Wetter nicht stimmt, erfordert der Wintersport einen Aufwand, der Zweifel an der Verhältnismäßigkeit aufkommen lässt.

Vor allem fällt aber auf: Die Sturzbilanz ist schlecht. Sie zeugt von einem entgleisten Gewerbe, in dem sich der freie Wettbewerb ums Tempo auf ungesunde Weise hochgeschaukelt hat. Das Vergnügen, die Frauen-Abfahrt anzuschauen, ist stark eingeschränkt gewesen durch die Tatsache, dass regelmäßig Sportlerinnen böse auf die Piste prallten - wie in einem Actionfilm, mit dem Unterschied, dass die Action echt war. Und im Whistler Sliding Centre gab es zahlreiche Bobunfälle - auf der gleichen Bahn, auf der die Probleme der Rodler in einer Katastrophe mündeten: im tödlichen Unfall des Georgiers Nodar Kumaritaschwili.

Nicht immer ist jemand schuld

Die Ursachen der Sturz-Festivals sind unterschiedlich, nicht immer ist dabei jemandem etwas anzukreiden, und einen Wintersport ganz ohne Risiko gibt es ohnehin nur für Träumer. Schnee und Eis sind nun mal Elemente, auf denen der Mensch Geschwindigkeiten erreicht, auf die er sonst nur mit Motoren kommt.

Aber zumindest Whistlers Rodelbahn geht als Fanal falsch justierten Ehrgeizes in die Geschichte ein. Sie sollte die Bühne eines Spektakels sein und hat Real-Horror geboten. So bunt werden diese Spiele nicht mehr, als dass diese Erkenntnis aus einer Woche olympischen Wintersports in Vergessenheit geraten könnte.

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