Süddeutsche Zeitung

Fußball bei Olympia:Ein Amateur namens Hoeneß

  • Die beiden Ex-Nationalspieler Thomas Müller und Mats Hummels könnten bei Olympia ins DFB-Team zurückkehren.
  • In deutschen Olympiakadern der Vergangenheit finden sich einige prominente Namen.

Von Jakob Schätzle

Ob die beiden damit gerechnet haben? Thomas Müller und Mats Hummels könnten bei den Olympischen Sommerspielen in Tokio (24. Juli bis 9. August) ihr Comeback in der deutschen Nationalmannschaft feiern. U21-Trainer Stefan Kuntz, der bei Olympia der Verantwortliche an der Seitenlinie ist, darf in seinen Kader Spieler aufnehmen, die 1997 oder danach geboren sind. Zusätzlich hat er die Option, sein Team mit bis zu drei älteren Akteuren zu ergänzen.

Für diese drei Plätze kommen auch der 31-jährige Hummels und der 30-jährige Müller infrage, Kuntz setzte die beiden von Bundestrainer Jogi Löw im vergangenen Jahr aussortierten Weltmeister von 2014 auf seine erweiterte Kaderliste, die er am Mittwoch an die Nationale Anti-Doping Agentur Nada gab. Auch andere Ex-Nationalmannschaftskicker wie Max Kruse oder Sandro Wagner stehen auf der noch recht langen Liste.

Das Verfahren, nach dem der Olympia-Kader des DFB zusammengestellt wird, veränderte sich mit der Zeit immer wieder. Eine Rückschau auf die neun Olympiateilnahmen seit 1912, mit dem Amateur Uli Hoeneß und der möglichen Wiederkehr der Weltmeister Hummels und Müller.

Über Hoeneß und Klinsmann zum U23-Kader mit Garnitur

Mit Blick auf die erste Olympia-Teilnahme des DFB im Jahr 1912 reicht es eigentlich, einen Spieler besonders hervorzuheben: Gottfried Fuchs. Dem Stürmer sollte, als der DFB noch ein junger Verband war, gleich Historisches gelingen. Nachdem das deutsche Team das erste Spiel gegen Österreich mit 1:5 verlor, ging es in der anschließenden Trostrunde gegen Russland. 16:0 für Deutschland hieß es am Ende - der bis heute höchste Länderspielsieg des DFB. Allein zehn Tore schoss dabei Gottfried Fuchs. Das konnte ihm seither kein anderer deutscher Spieler nachmachen.

Bei den folgenden zwei Teilnahmen 1928 und 1936 war jeweils im Viertelfinale Schluss. Doch bei den Propaganda-Spielen der Nationalsozialisten 1936 in Berlin war der Kader gespickt mit Akteuren, die zwei Jahre zuvor den dritten Platz bei der Weltmeisterschaft erreicht hatten. Das Team, das Trainer Otto Nerz zusammenstellte, schied dann gegen Norwegen aus.

1952 fand Olympia in Helsinki statt. Deutsche Athleten waren, anders als 1948, wieder eingeladen. Bei den Fußballern erlebte die deutsche Nationalmannschaft der Amateure ihren ersten Olympia-Auftritt. Erst im Mai desselben Jahres hatte sie ihr erstes Spiel absolviert. Sie vertrat den DFB auch bei den Spielen 1956 und 1972. In dieser Zeit waren bei Olympischen Spielen nur Amateurspieler berechtigt.

Auf Topspieler wie das Bayern-Talent Uli Hoeneß oder Bernd Nickel von Eintracht Frankfurt wollte man 1972 bei Olympia im eigenen Land nicht verzichten. Spieler wie diese konnten allerdings nur unter der Bedingung im Team von Trainer Jupp Derwall auflaufen, dass sie als Amateure geführt wurden. Beim FC Bayern wurde Hoeneß deswegen zunächst noch als normaler Angestellter beschäftigt, bekam ein Gehalt und Handgeld. So kam es zu Hoeneß, dem Amateur. Erst nach den Olympischen Spielen unterschrieb er dann einen Profivertrag. Eine Medaille konnten die DFB-Kicker trotz der Prominenz im Team nicht gewinnen, in der Zwischenrunde scheiterte man unter anderem am DDR-Team.

Die Zeiten, in denen Deutschland mit Amateur-Fußballern bei Olympischen Spielen antrat, waren 1984 zu Ende (bei den Spielen 1976 und 1980 trat keine deutsche Männer-Fußballmannschaft an). Bei den Spielen in Los Angeles durften auch Profifußballer mitwirken, sofern sie zuvor noch nie an einer Weltmeisterschaft teilgenommen hatten. Unter diese Regel fiel auch die Olympiamannschaft von 1988. Unter anderem mit Jürgen Klinsmann und einigen anderen späteren Weltmeistern von 1990 schaffte es die Mannschaft unter Trainer Hannes Löhr zu Bronze.

In der Folge waren Deutschlands Männer-Fußballer 28 Jahre lang bei Olympischen Spielen abwesend. 2016 meldete sich eine junge Truppe mit Trainer Horst Hrubesch jedoch zurück und gewann Silber. Dieser Kader, mit den beiden Torschützenkönigen des Turniers Serge Gnabry und Nils Petersen (jeweils sechs Treffer), setzte sich auf gleiche Weise zusammen wie auch der diesjährige: Ein U23-Team muss es sein, garniert mit maximal drei älteren Spielern.

2016 waren es Lars und Sven Bender sowie Petersen (damals alle 27). Alle drei unter 30, alle drei keine altgedienten Nationalspieler unter Löw. Stefan Kuntz würde also, sollte er sich im Juni tatsächlich etwa für Hummels oder Müller entscheiden, andere Prioritäten bei der Auswahl setzen als Hrubesch.

"Eine coole Spinnerei"

Nationalmannschaftsmanager Oliver Bierhoff zeigte Verständnis für Kuntz: "Natürlich ist es interessant, ältere Spieler mitzunehmen unter verschiedenen Aspekten, natürlich der sportlichen Qualität, aber auch der Erfahrung und Persönlichkeit." Thomas Müller nannte seine mögliche Kadernominierung und die mögliche gleichzeitige Olympiateilnahme seiner Frau, der Dressurreiterin Lisa Müller, bei Sport1 eine "coole Spinnerei".

Kuntz will sich mit der endgültigen Festlegung noch Zeit lassen. Der Fokus liege ohnehin zunächst auf den U23-Spielern, sagte er in einem Interview auf der DFB-Homepage. Die drei älteren Akteure seien dann das "letzte Puzzleteil", das sich der 57-Jährige vornehmen werde.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4758945
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ.de/chge/tbr
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.