Es gibt über den Fußballer, Menschen, Trainer Horst Hrubesch eine Biografie von Andreas Schier, die schon wegen ihres Rechercheaufwands bemerkenswert ist, weil der Autor mit zweihundert Freunden, Spielern, Spielerinnen geredet hat. Fast alle, die mit ihm zu tun hatten, erinnern sich mit Wärme, das ist selten im Sportbetrieb, der die handelnden Personen oft zum Negativen verändert. Horst Hrubesch dagegen? Manuel Neuer, der ihn als Jugendspieler erlebt hat, sagt: „Horst Hrubesch war wie ein Freund. Er hat uns angeschnauzt und sofort wieder aus dem Dreck gezogen. So habe ich das noch nie erlebt.“
An diesem Freitag wird Hrubesch, 73, geboren in Hamm, als Trainer des Frauennationalteams sein letztes großes Spiel erleben, es geht um Bronze gegen die Weltmeisterinnen aus Spanien. Er selbst war als Mittelstürmer Europameister, Europapokalsieger mit dem HSV, sein Spitzname „Kopfballungeheuer“ ist Bestandteil deutscher Fußballhistorie, wie Lichtgestalt und Tante Käthe. Bei der Nacht von Sevilla, dem WM-Halbfinale 1982, hat er den entscheidenden Strafstoß verwandelt, und wer das Spiel damals gesehen hat, wird sich an ein Detail immer erinnern. Der Schiedsrichter legte den Ball auf den Punkt, und Hrubesch nahm ihn vor dem Schuss nicht noch mal in die Hand, um ihn sich, mit großer Geste, passend zurechtzulegen. Er lief einfach an und haute ihn rein. Nur nicht verrückt machen lassen, von gar nichts.
Wer viel Erfolg hat, kann abheben. Oder er bleibt erst recht am Boden, der Erfolg ist wie eine Wegzehrung. Zu wissen, wie man gewinnt, hilft einem über trübere Zeiten hinweg. Man kennt schließlich den Weg zum Glück, und man wird ihn schon wiederfinden.
Die Anfänge des Trainers Hrubesch waren kompliziert. Rostock, Dresden, Wien. 2000 war er Nationalmannschaftsassistent, die Hochphase des Rumpelfußballs. Und Hrubesch, kein großer Rhetoriker, wurde verspottet, wie alle verspottet wurden, die damals mit dem DFB zu tun hatten, und sei es nur, weil sie die falschen Klamotten trugen. Die Trainerkarriere schien vorbei zu sein, aber Hrubesch brachte seine Erfahrung und seine Integrität in den DFB-Jugendmannschaften ein, wurde U19-Europameister 2008 und U21-Europameister 2009, sechs Spieler dieses Teams wurden fünf Jahre danach Weltmeister. Hrubesch hatte Anteil am Aufschwung des deutschen Fußballs, aber er haute nicht aufs Blech, er sagte anderen nicht öffentlich, wie man es richtig macht. Er blieb an der Basis, und er blieb der, der er war. Michael Oenning, Trainerkollege, in der Biografie: „Horst charakterisieren? Er ist ein sehr zufriedener, ausgeglichener Mensch.“
„Der Trainer ist ein geiler Mensch“, sagte 2016 Julian Brandt
So ist es gekommen, dass der Trainer Hrubesch zu einer eigenen Marke wurde, eine warme Seele in eher grobem Körper; Lehrer und Vaterfigur. Einer, der optisch in die immer ausgefeiltere Sport- und Modewelt nicht passt. Bei der Olympiaeinkleidung saß sogar der schicke Fischerhut der deutschen Delegation irgendwie schief auf seinem Kopf. Obwohl er doch Angler ist und ein Standardwerk geschrieben hat: „Dorschangeln vom Boot und an den Küsten“.
Aber auf die Verpackung kommt es nicht an. 2016 schaffte er mit der deutschen Männermannschaft die Qualifikation für Olympia in Rio, sie kamen bis ins Finale, und Hrubesch lief durchs Maracanã, als wäre das ein Bolzplatz in Hamm. Nur nicht verrückt machen lassen, von gar nichts. Nachdem sie im Elfmeterschießen gegen Brasilien verloren hatten, sagte Nils Petersen: „Wir hätten es gern für ihn gewonnen.“ Und Julian Brandt: „Der Trainer ist ein geiler Mensch. Er hat Qualitäten, die man nicht oft findet, das muss man einfach sagen.“
Vor Paris hat Hrubesch das verunsicherte Frauenteam übernommen, hat es stabilisiert und fast ins Finale geführt. Jetzt geht es immerhin um Bronze, aber gegen Spanien wird es schwer. „Das Spiel widmen wir ihm. Wir wollen unbedingt eine Medaille“, sagt Stürmerin Klara Bühl. Schon selten, dass Fußballer und Fußballerinnen für ihren Trainer spielen, aber so oft, wie das in Hrubeschs Karriere passiert ist, ist ein Muster zu erkennen: Es wird an ihm liegen. Der natürlich auch gewachsen ist, sogar als Rhetoriker. Über seine Zeit mit dem Frauenteam sagt Horst Hrubesch: „Ich muss einfach mal Danke sagen, wie sie mich mitgenommen haben, wie sie mich aufgenommen haben und wie sie mit mir umgegangen sind.“
Ein angemesseneres Schlusswort kann man sich gar nicht denken.