Brasilien gewinnt Fußball-Gold:Sie setzen ein Zeichen

Soccer Football - Men - Gold medal match - Brazil v Spain

Unaufhaltsam auf dem Weg zum Tor: Brasiliens Malcom erzielt gegen Spanien den entscheidenden Treffer in der Verlängerung.

(Foto: Amr Abdallah Dalsh/Reuters)

Im Finale der Männer erleben die Brasilianer beim 2:1-Sieg große Momente - und Spaniens Pedri stellt in Sachen Pflichtspiele pro Saison einen Weltrekord auf.

Von Holger Gertz, Yokohama

Thema olympische Heilkräfte, und gleich mal eine Erinnerung an einen verregneten Abend im Maracanã vor fünf Jahren. Brasilien gegen Horst Hrubeschs deutsche Mentalitätsmannschaft, das Spiel um Gold. Es war, neben Beachvolleyball, das einzige Ereignis bei den Spielen 2016, das das brasilianische Publikum angemessen elektrisierte. Ging ja schließlich darum, dem 1:7 bei der Weltmeisterschaft 2014 etwas entgegenzuhalten, den bösen Zauber des Mineiraço ein wenig zu verscheuchen. Nichts anderes war der Auftrag, die Zeitungen waren voll davon.

Und dann war es Neymar, ausgerechnet Neymar, der eigentlich schon bei der WM zum Erlöser hätte werden sollen und die Heldenwerdung dann bei Olympia nachholte, auf recht prosaische Art und Weise. Im Elfmeterschießen vergab für Deutschland Nils Petersen, und Neymar traf. Danach lag er auf dem Boden, überwältigt. Es dauerte Minuten, bis er stand. Auch schon wieder sehr lange her.

Die Mission der Brasilianer war diesmal weniger aufgeladen, und den Deutschen, die längst keine Mentalitätsmannschaft mehr sind, begegneten sie diesmal schon zu Turnierbeginn. Sie sahen, dass die Deutschen als Gegner auf Augenhöhe nicht mehr taugen und machten es kurz und schmerzhaft beim 4:2. Danach gab es im Turnier mehr Effektivität als Glanz, im Halbfinale überwältigten sie die Mexikaner im Elfmeterschießen, während die ebenso effektiven Spanier den japanischen Abwehrriegel einmal, ein einziges Mal knackten, in der Verlängerung.

Spaniens Oyarzabal nimmt sein Traumtor regungslos zur Kenntnis

So entwickelte sich das Finale zu einem klassischen Endspiel des modernen Fußballs. Kein Spektakel, stattdessen: zwei Ansammlungen von Hochbegabten belauern sich. Die Brasilianer mit Vorteilen. Richarlison, geadelt mit der Nummer zehn, versuchte einen Elfmeter ähnlich lakonisch zu verwandeln wie seinerzeit der große Socrates. Er scheiterte. Aber kurz vor der Pause schnitten sie die spanische Abwehr dann einfach auseinander: Weiter Ball von Claudinho, im Strafraum ein großer Moment von Kapitän Dani Alves, 38 Jahre alt aber immer noch oder gerade jetzt imstande, den Ball volley in die Luft zu dreschen, und zwar so, dass er löffelfertig zu Boden fällt für den Endabnehmer Matheus Cunha, (noch) Hertha BSC. Ein wunderschönes 1:0.

Und ein wunderschönes 1:1 dann nach der Pause. Die Spanier hinter allen Ketten, Carlos Soler flankt von rechts, Mikel Oyarzabal vollstreckt volley. Ein Traumtor, vom Schützen regungslos zur Kenntnis genommen, eine neue Jubelgeste des Gegenwartsfußballs: Je grandioser die Tat, desto reduzierter die Feier der Tat. Sie freuen sich nicht einfach, sie setzen ein Zeichen. Die Spanier nun mit mehr Akzenten, im Spiel, vorm Tor, die Brasilianer im Glück, erst recht bei einem Lattenschuss von Bryan Gil. Dann Overtime.

2002 wurde Brasilien in Yokohama Weltmeister gegen Deutschland

Die Brasilianer präsenter. Torwart Unai Simon behielt die Dinge noch im Griff als einer von sechs Spielern der Spanier, die schon bei der Europameisterschaft dabei waren. Pedri stellte in diesem Finale einen Weltrekord auf, 73 Partien in neun verschiedenen Wettbewerben hat er bewältigt in dieser Saison: Das Thema "Überlastung" wird zwar besprochen im Sport, nur oft ohne Konsequenzen. Aber schließlich kam einer der Brasilianer durch, das dritte schöne Tor in diesem Finale, ein Pass aus der Mitte von Antony, und Malcom auf dem Weg zum Ziel, schüttelt Jesus Vallejo ab, auf dem Weg zum 2:1, unaufhaltsam. Vallejo ließ sich kurz darauf auch von Paulinho überlaufen, er hatte seine Seite gar nicht mehr im Griff.

Gold also für Brasilien, und auch wenn es nicht so historisch bedeutend war wie 2016: Unbedeutend ist Gold bei Olympia nie, erst recht nicht in diesem Stadion. 2002 wurde Brasilien in Yokohama Weltmeister. Gegen Deutschland. Am Ende saß Oliver Kahn geschlagen am Pfosten. Auch schon wieder sehr sehr lange her.

Zur SZ-Startseite
Tokio 2020 - Mountainbike

SZ PlusOlympische Spiele
:Draußen vor der Tür

Die Menschen in Tokio waren zwar Gastgeber, mussten aber bei ihren eigenen Spielen Zaungäste bleiben. Über ein großes Fest, das ohne Publikum durchgepeitscht wurde - und über den Altruismus der Japaner.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: