Olympia 2016:Fallschirmjäger Obama

Per Blitzvisite will der US-Präsident Chicagos Chancen auf die Olympia-Ausrichtung verbessern. Für ein Scheitern der Bewerbung will er nicht die Verantwortung tragen.

Thomas Kistner

Wäre Fallschirmspringen olympisch, hätte Chicago jetzt eine Medaille sicher. So spektakulär wie die amerikanischen Bewerber um die Sommerspiele 2016 hat noch kein Kandidat die Reißleine gezogen: Barack Obama muss jetzt doch nächsten Freitag zur Städtekür nach Kopenhagen jetten. Hätte er gekniffen, der US-Präsident, wären die Chancen seiner Heimatstadt ins Bodenlose abgestürzt.

Richtig gut sind sie aber trotz Obamas avisiertem Showauftritt nicht. Der dürfte zwar genügen, um die drohende klare Niederlage des amerikanischen Kandidaten zu verhindern - ob Obamas sportives "Yes we can!" aber gleich zum Sieg reichen wird, ist zu bezweifeln. Tief wurzeln die Ressentiments, die in dem von Stimmpotential aus der Dritten Welt beherrschten Internationalen Olympischen Komitee (IOC) gegen die Weltmacht gehegt werden. Und auch Chicagos Bewerber-Crew hat es nie vermocht, hier einen Stimmungsumschwung einzuleiten.

Im Gegenteil. Monate lang rang das amerikanische nationale Olympiakomitee USOC mit dem Rest der Welt, mit Fachverbänden und dem IOC, ums Wesentliche: Um die Verteilung der Fernseh- und Marketingeinnahmen bei den Spielen. Weil der globale Geldsegen ganz überwiegend aus den Sponsorbudgets amerikanischer Großkonzerne und TV-Stationen finanziert wird, wurde über die Jahrzehnte hinter den Kulissen ein Deal gepflegt: Das USOC durfte 12,75 Prozent der Milliardenzuflüsse aus den amerikanischen TV-Rechten kassieren, plus 20 Prozent aus den Sponsorverträgen.

Das macht im vierjährigen Olympiazyklus rund 450 Millionen Dollar und ist so viel, wie alle übrigen Verbände und die anderen 204 NOK zusammen kriegen - weshalb die Olympischen Sommersportverbände gar mit Klage drohten.

Die mühevoll inszenierte Waffenruhe unterlief das USOC im Juli selbst, indem es über ein eigenes Olympiafernsehens nachdachte. Auf massives Anraten des IOC ließen die Amerikaner dieses unsensible Planspiel in der Schublade verschwinden. Doch das Geläuf war vermint. Was auch Obamas Beratern nicht verborgen blieb, der ja nicht als Verlierer aus Kopenhagen heimkehren will. Diese Überlegung dürfte den Ausschlag für Obamas Absage vor Wochen gegeben haben. Persönlich teilte der US- dem IOC-Präsident Rogge mit, der Entschluss sei "definitiv".

Aber was heißt schon definitiv im autonomen Weltsport? Hier muss sogar ein US-Präsident aufpassen, dass er nicht auf der populistischen Schiene überrollt wird. Obama verhindert mit seiner Blitzvisite, dass ihm ein mögliches Scheitern Chicagos nicht zugerechnet werden kann. Als Verlierer kehrt er womöglich trotzdem heim.

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