Eisschnelllauf bei Olympia:Auf Kufen durch zwei Zeitzonen

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"Die Power war einfach noch nicht da": Der deutsche Eisschnellläufer Joel Dufter kommt bei seinem ersten Olympia-Rennen in Peking als 26. ins Ziel. (Foto: Phil Noble/Reuters)

Joel Dufter hat es nach einer Corona-Infektion gerade noch nach Peking geschafft - keine 48 Stunden vor seinem ersten Wettkampf. In Peking behält er den deutschen Tagesrhythmus vorerst bei.

Von Barbara Klimke, Peking

Die neue Eisschnelllaufhalle von Peking, "Ice Ribbon" genannt, hat in den vergangenen sieben Tagen bereits eine Reihe von Wettbewerben gesehen, darunter nun am Samstag auch ein spannendes physikalisches Experiment zu Zeit und Raum. Die Versuchsanordnung sah so aus: 30 Sprinter traten an. Für 29 Athleten begann der Wettkampf um 16 Uhr; für einen Athleten um 9 Uhr. Die zu untersuchende Frage lautete: Kann derjenige, der mit sieben Stunden Verzug startet, schneller als ein Großteil der anderen sein?

Das Resultat aus Sicht von Joel Dufter, der sich als Testperson zur Verfügung stellte: Es klappte mäßig, aber nicht anders als erwartet. Vier Läufer hat er überholt, 25 lagen vor ihm, allen voran der neue Olympiasieger Gao Tingyu aus China. Im Sprint über 500 Meter hat Dufter abschließend Rang 26 belegt. "Die Power war einfach noch nicht da", sagte er, wofür jeder in der Halle Verständnis aufbrachte: Denn seine innere Uhr tickte noch nach oberbayerischer, genauer gesagt mitteleuropäischer Zeit (MEZ), während für den Rest des Feldes die China Standard Time (CST) galt.

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Der 26-Jährige war kaum 48 Stunden vor seinem ersten Wettkampf mit dem Flugzeug in Peking eingetroffen, als Nachzügler der Delegation seines Verbands, der Deutschen Eisschnelllauf- und Shorttrack-Gemeinschaft, weil er eine Corona-Infektion in Inzell auskurieren musste.

Nur ein Tag zur Probe blieb ihm in der elegant geschwungenen Halle mit den umlaufenden, zu illuminierenden Bändern, die dem Neubau "Ice Ribbon" den Namen gaben. Das Rennen in 35,37 Sekunden sei "technisch solide" gewesen, sagte er, aber im Anschluss an die lange Reise fehlten ihm Frische und Spritzigkeit. Der Chinese Gao Tingyu, Olympiadritter schon 2018, der in 34,32 Sekunden vor dem Koreaner Cha Min Kyu und dem Japaner Wataru Morishige siegte, war ohnehin einen Schritt flotter unterwegs als der Rest des Feldes. Das war Dufter schon klar, als er dessen Antritt auf den ersten 100 Metern sah.

Er selbst hatte unmittelbar nach der Infektion gemerkt, dass ihm vorübergehend die Leichtigkeit der Bewegungsabläufe abhandengekommen war: "Die Statik auf dem Eis geht doch schnell ein bisschen flöten."

Dufters wichtigster Wettkampf, die 1000 Meter, steht noch aus

Dass er überhaupt noch die Kurve kratzte, gewissermaßen kurz vor Ultimo in Peking landete, war deshalb ein Gewinn für sich. Dufter hatte sich im Januar infiziert, und er spürte Symptome: Erkältungsanzeichen, Hals- und Kopfschmerzen. Nach sieben Tagen konnte er die Quarantäne verlassen. Der CT-Wert seines PCR-Tests lag zwar bei der für Deutschland kritischen Schwelle von 30, entsprach aber zunächst noch nicht den strengen Regularien der Chinesen, die das Limit bei 35 ansetzen.

"Wir haben also einen Zeitpuffer eingerechnet", berichtete Dufter: "Nicht dass ich in Peking ankomme und gleich wieder in die Quarantäne einfahre." Ein Schicksal wie das der Nordischen Kombinierer Eric Frenzel und Terence Weber oder des Eiskunstläufers Nolan Seegert, die tagelang im Stubenarrest ausharrten, sollte bei Chinas Corona-Spielen umgangen werden. Nachdem das kleine DESG-Team am 29. Januar ohne den einzigen Sprinter an Bord abgehoben hatte, drehte Dufter deshalb vorerst in Inzell weiter seine Runden, immer begleitet von der Frage: Wird das noch was? Oder war's für die Katz?

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In China angekommen, beschloss er in Abstimmung mit dem norwegischen Privatteam, dem er sich im vergangenen Jahr angeschlossen hat, wegen der wenigen Stunden, die bis zum ersten Wettkampf blieben, den deutschen Tagesrhythmus vorerst beizubehalten. Die sieben Stunden Zeitunterschied wurden vorerst ignoriert.

Dem Jetlag steuert er mit später Nachtruhe entgegen, dafür schläft er morgens länger. "Den Tag nach hinten schieben", nennt er das, und so will er es möglichst auch in den kommenden Tagen halten, denn sein wichtigster Wettkampf, die 1000 Meter, steht erst am 18. Februar im Programm. Über diese Distanz ist Dufter vor einem Jahr EM-Dritter geworden, und da rechnet er sich bessere Chancen aus. Es wird Teil zwei des Experiments des Mannes, der auf Kufen durch zwei Zeitzonen gleitet.

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