Olympia: Eishockey:Die große Show

Für die Kanadier ist das Eishockey-Turnier das wichtigste Event dieser Spiele. Der deutschen Mannschaft dagegen scheinen achtbare Ergebnisse zu genügen.

Michael Neudecker, Vancouver

Es begann in Saskatoon, kurz vor Silvester 2009. Der kanadische Eishockey-Verband Hockey Canada gab dort, im kanadischen Bundesstaat Saskatchewan, die Namen der 23 Männer bekannt, die das Land im wichtigsten sportlichen Ereignis vertreten sollten, das es hier je gegeben hat.

Olympia: Eishockey
(Foto: Foto: AFP)

Dass dem tatsächlich so ist, kann man schon an der Dimension sehen, die dieses plumpe Namenvorlesen erreichte: 13 Sender übertrugen live. Aber diese 23 Männer haben ja auch einen Auftrag der ganzen Nation, eine Mission: Sie sollen Olympiagold im Eishockey gewinnen, der mit Abstand populärsten Sportart Kanadas. Eishockey ist "our game", unser Spiel, so sehen sie das hier.

Die Mission hat inzwischen begonnen, mit einem beeindruckenden 8:0 gegen Norwegen, das war am Dienstag. An diesem Dienstag hat nicht nur das olympische Eishockeyturnier begonnen, für die meisten Kanadier war die Einlaufshow vor dem Spiel gegen Norwegen an diesem Dienstag so etwas wie die echte Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele 2010. Zu sagen, die Kanadier wären eishockeyverrückt, wäre in etwa so, als würde man sagen, dass es in Kanada ein paar Bäume gibt.

Und dass Kanada der Gold-Favorit ist, das lässt sich auch mit Zahlen belegen: Die 23 Spieler haben zusammen 53 Goldmedaillen geholt, 702 Länderspiele bestritten, 13.136 NHL-Saisonspiele und 1219 NHL-Playoff-Spiele. Allein von den Akteuren, die Hockey Canada nicht nominierte, ließe sich ein Medaillenkandidat zusammenstellen. Sie haben viele Stars, der Größte von ihnen aber ist zugleich einer der Jüngsten. Sidney Crosby ist 22 Jahre alt, aber er wird in Kanada schon jetzt verehrt, als habe er zehn grandiose Karrierejahre hinter sich, mindestens.

Sidney Crosby ist über die Maßen talentiert, ein sympathischer Charakter zudem und damit der optimale Werbeträger. Und er ist zugleich sinnbildlich für dieses ganze Eishockeyturnier, das als das bestbesetzte gilt, das je ausgetragen wurde. Die Besten sind die Jungen, und das ist interessant in einem Sport, in dem vor allem die Nationalmannschaften in den vergangenen Jahren gerne auf erfahrene Haudegen setzten.

Der Russe Alexander Owetschkin, dessen Duell mit Crosby seit vergangenem Jahr ein Dauerthema in Kanada ist, weil es auch so schön ins Klischee passt: Ost gegen West, extrovertiert gegen introvertiert - Owetschkin also ist 24; Jewgeni Malkin, noch so ein Hochbegabter, ist 23. Bei den USA stechen Patrick Kane und Zach Parise hervor, 21 und 25, und bei den Schweden laufen zwar einige ältere Spieler auf, zu den Leistungsträgern aber zählt auch Nicklas Bäckström, 22.

Und die Deutschen? Bundestrainer Uwe Krupp genießt den Luxus, so viele NHL-Spieler wie noch nie im Kader zu haben. Beim ersten Auftritt gegen Schweden am Mittwochabend bestand die Startformation aus sechs Akteuren der besten Eishockeyliga der Welt, das gab es noch nie. Als Aussage über den Zustand des deutschen Eishockeys wollte Krupp das nicht gelten lassen, wohl aber als Aussage darüber, dass Deutschland zumindest ein paar sehr gute Einzelspieler hat. Der jüngste von ihnen war am Mittwoch zugleich der Beste: Torwart Thomas Greiss, 24. "Wir haben großartig gespielt", befand Greiss nach dem 0:2 gegen die Schweden, und das traf ganz besonders auf ihn zu.

Aber Thomas Greiss ist in San Jose nur die Nummer zwei hinter dem Russen Nabokow, und deshalb ist Deutschland in der Wahrnehmung der Kanadier immer noch Deutschland. Die Fachzeitschrift Hockey News hat in ihrer Olympiaprognose Deutschland auf Rang neun gesetzt; wohl eine ziemlich realistische Vorhersage. Denn Deutschland ist auch in Wirklichkeit immer noch Deutschland.

"Wir würden gerne alle Spiele gewinnen", hatte Uwe Krupp vor Turnierbeginn gesagt, "aber die Realität ist, dass das nicht passieren wird." Am Freitag ist Finnland der nächste Gegner, das mit einer Ausnahme nur Spieler aus der NHL nominiert hat, am Samstag folgt abschließend Weißrussland.

Showdown am Sonntag

Wie auch immer die Spiele enden werden: Die Deutschen, von denen die meisten noch nie in Kanada gespielt haben, werden sich daran noch lange erinnern. Die Kanadier besuchen alle Eishockeyspiele bei diesem Turnier, Deutschland gegen Schweden im 19.000 Zuschauer fassenden Canada Hockey Place war ausverkauft, und sie sorgen für eine gute Stimmung, stets im Kanada-Trikot gekleidet. Sie jubeln mit, einfach so, weil es Eishockey ist.

Aber Deutschland gegen Schweden oder Lettland gegen Slowakei oder Russland gegen Tschechien, das ist alles nur Vorspiel, für diese Partie am Sonntag, für den Showdown, bevor es in die Medaillenrunde geht: für Kanada gegen die USA.

Nach dem 8:0 im Auftaktmatch haben die Menschen auf den Straßen getanzt und gefeiert, in Whistler hüpften Tausende in Trikots und Fahnen gehüllt durch die Nacht. Wegen eines Siegs gegen Norwegen, nur Norwegen. Man möchte sich gar nicht vorstellen, was passiert, wenn Kanada gegen die USA gewinnt, aber man wird kaum daran vorbeikommen: Genau das erwartet ja ganz Kanada.

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