Der oberste deutsche Sportboss besitzt durchaus die Gabe, knackig formulieren zu können. Kurz vor den Winterspielen war das mal wieder der Fall. Da erklärte Alfons Hörmann, Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB), im Kontext der andauernden Dopingdebatte: "Ich nehme lieber die Fair-Play-Medaille mit nach Hause als Platz eins im Medaillenspiegel."
Wie bedauerlich für ihn, dass die Tendenz gerade eine ganz andere ist. Die deutsche Mannschaft ist sehr erfolgreich in die Spiele gestartet, viermal Gold gab es an den Auftakttagen. Und es steigert die Emotionen, dass hinter den Siegen unterschiedliche Geschichten stecken. Skispringer Andreas Wellinger und Biathlet Arnd Peiffer überraschten; Biathletin Laura Dahlmeier beeindruckte, wie sie als Favoritin mit den großen Erwartungen zurechtkam. Im deutschen Team hoffen sie, dass dies ein Signal ist für die kommenden Tage.
Es befremdet, mit welch unterschiedlichen Standards Hörmann Athleten beurteilt
Was auch immer auf den guten Start folgt, ist das eine. Das andere ist, dass Hörmann in der Fair-Play-Wertung sicher nicht vorne liegt. Wenn es in diesen Tagen ums Doping-Thema geht, macht er abseits seines schönen Satzes keine gute Figur. Als kurz vor den Spielen Medien über auffällige Blutwerte von - unter anderem - deutschen Langläufern in den Nullerjahren berichteten, leistete er sich einen seltsamen Fernseh-Auftritt und beharrte darauf, die Rechercheure sollten "Ross und Reiter" nennen. Dabei wäre es angemessen, die Publikation als Anlass für einen kritischen Blick auf die damalige Zeit zu nehmen und selbst Untersuchungen anzustrengen. Zumal der Vorgang Hörmann mehrfach betrifft: als heutigen DOSB- und damaligen deutschen Ski-Präsidenten, zudem als aktuelles Council-Mitglied des Ski-Weltverbands.
Es befremdet auch, mit welch unterschiedlichen Standards Hörmann Athleten beurteilt. Wenn es um die nicht nach Pyeongchang eingeladenen Sportler aus Russland geht, ist er schnell mit dem Begriff "Betrüger" zur Stelle, auch wenn die gerade vom Sportgerichtshof von einer Sperre befreit worden sind oder nie Teil eines Dopingverfahrens waren. Beim deutschen Team hingegen habe er "nicht den leisesten Zweifel". Das ist angesichts der Erfahrungen ein gewagter Satz. Die Epoche, in der Deutschland die saubere Insel inmitten des bösen Sportmeeres war, muss erst noch gefunden werden.
Die DOSB-Spitze betont gerade häufig, nicht zu medaillenfixiert zu sein. Das ist gut. Aber es passt nicht recht dazu, dass sie in den vergangenen beiden Jahren eine Reform des Leistungssports vorangetrieben hat, deren klares Ziel ist: mehr Medaillen. Dieser Ansatz fördert Platz eins in der Fair-Play-Tabelle weniger als Platz eins im Medaillenspiegel.