Süddeutsche Zeitung

Olympia: Doping:Ein alter Hut

Ein neues Nachweisverfahren kann erstmals Doping mit Wachstumshormonen aufdecken. Doch der Hochleistungssport hat längst ein neues Betrugsmittel parat.

Thomas Kistner

Die sportpolitischen Jubelbotschaften dieser Tage reißen nicht mehr ab. Gerade erst feierten hohe IOC-Funktionäre den Umstand, dass Vancouver noch keinen Dopingfall zu beklagen habe, als massiven Fortschritt der Betrugsbekämpfung. Das ist Unfug, wie jede Szenekenntnis, die Realität der Spitzensportindustrie und die dank staatlicher Ermittlungen vorliegenden Fakten belegen. Null positiv? Dass da bisher nichts vorgefallen ist, besagt ja nur, dass es keine Dopingfunde, jedoch nicht, dass es keine Dopingfälle gibt. Die Diskrepanz zwischen Funden und Fällen ist der entscheidende Unterschied - zugleich aber die perfekte Abspielfläche für den Hochleistungssport, der sein Systemproblem mit dem Pharmabetrug gern mit populistischem Kalkül runterrechnet.

Wie gut die Beschwichtigungspolitik der Funktionäre mit ihrem fulminanten Anti-Doping-Kampf funktioniert, ist an der jüngsten Jubelmeldung zu besichtigen: Die Welt-Anti-Doping-Agentur Wada hat den ersten Sünder mit Wachstumshormonen (HGH) erwischt. Das ist bemerkenswert, richtig: weil es sich bei diesem Sünder, einem britischen Rugbyprofi, um einen besonders tölpelhaften Doper handeln muss. Er hat es geschafft, sich innerhalb des nur gut 24-stündigen Zeitfensters schnappen zu lassen, in dem HGH nachweisbar ist - und ein paar andere offenbar auch. Jeder halbwegs informierte Doper schüttelt da den Kopf: So deppert muss man erst mal sein.

Aber schon setzen die üblichen Reflexe ein, die Teil des Systemproblems sind: Funktionäre brechen in demonstrative Euphorie aus und drohen mit Nachtests über die letzten acht Jahre. Gut gebrüllt - das mag verfangen beim Publikum. Aber die Szene beunruhigt es nicht. Auch die Nachtests wirken ja nur innerhalb des winzigen Zeitfensters. Ruhig weiterschlafen darf also, wer nicht zu den Leichtfüßen gehört, die erst die Nadel aus der Bauchdecke gezogen haben, als der Kontrolleur klopfte.

Viel wichtiger aber: Der Test (und mögliche Entdeckungsängste) betrifft nur HGH-Nutzer. Die tummeln sich hauptsächlich in der Bodybuilderszene. Spezialisierte Betrüger im Spitzensport, insbesondere im olympischen, haben sich schon seit etwa einem Jahrzehnt davon verabschiedet; längst vorbei, dass Zahnspangenträger Carl Lewis und seine Zahnspangen tragenden Laufkumpels aus Santa Monica die Sportwelt aufmischten. Nein, Sportdoper sind längst auf IGF-1 (insulinähnlicher Wachstumsfaktor) umgestiegen: das Schlüsselhormon, das dem HGH vorgeschaltet und ihm überlegen ist, weil es fundamental auf die Bildung neuer Muskelzellen wirkt. Auch der spanische Blutdoping-Guru Fuentes hat seinen hunderten Klienten IGF-1 verordnet. Da sind Wachstumshormone schon ein alter Hut, den kaum einer mehr trägt.

Zu der Zeit aber, als HGH voll in Mode war, stießen die Forscher zu ihrem großen Unmut auf verriegelte Türen im Sport. Sie hatten ja bereits 1999 ihr Nachweisverfahren publiziert; der Sport brauchte ein Jahrzehnt, um es zu adaptieren. Dass er das jetzt als Durchbruch feiert, sagt mehr als jede Dopingstatistik.

Vor allem aber: Der Test (und mögliche Entdeckungsängste) betrifft nur HGH-Nutzer. Die gibt es vor allem in der Bodybuilderszene. Die spezialisierten Betrüger im Spitzensport, insbesondere im olympischen, haben sich schon seit etwa einem Jahrzehnt davon verabschiedet; längst vorbei, dass Zahnspangenträger Carl Lewis und seine Zahnspangen tragenden Laufkumpels aus Santa Monica die Sportwelt aufmischten.

Nein, Sportdoper sind längst auf IGF-1 (insulinähnlicher Wachstumsfaktor) umgestiegen: das Schlüsselhormon, das dem HGH vorgeschaltet und ihm überlegen ist, weil es fundamental auf die Bildung neuer Muskelzellen wirkt. Auch der spanische Blutdoping-Guru Fuentes hat seinen hunderten Klienten IGF-1 verordnet. Wachstumshormone? Ein alter Hut, den kaum einer mehr trägt.

Zu der Zeit aber, als HGH in Mode war, stießen die Forscher zu ihrem großen Unmut auf verriegelte Türen im Sport. Sie hatten ja bereits 1999 ihr Nachweisverfahren publiziert; der Sport brauchte ein Jahrzehnt, um es zu adaptieren. Dass er das jetzt als Durchbruch feiert, sagt mehr als jede Dopingstatistik.

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Quelle:
SZ vom 24.02.2010
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