Olympia 2008:Die Uhr tickt

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Trotz goldener Dienstage: Es geht abwärts mit dem nationalen Sport. Und herausragende Individualisten taugen da nicht zur Bilanzkosmetik.

Thomas Kistner

26, 27, 28...na bitte, es läppert sich. Wer's mag, darf heute nach einer leicht besorgniserregenden Durststrecke aus deutscher Sicht den zweiten Erfolgs-Dienstag dieser Spiele bejubeln: Die Reiter sind eine Bank, und dass Turnheld Fabian Hambüchen nicht das eingeplante Happy-End setzen konnte unter seine Märchenkarriere, wird sich mit Gold bei Triathlon und Gewichtheben verschmerzen lassen.

Die aktuelle Medaillenausbeute der Deutschen ist bislang eher mager. Es bleibt spannend: Wird die Athen-Marke überwunden? (Foto: Foto: dpa)

Lenkt man den Blick vom tollen Tagesresultat auf die Gesamtbilanz, gilt indes weiter: Die Uhr tickt runter in Peking, wo der nationale Sport trotz goldener Dienstage seiner Gesamtvorgabe hinterherhechelt. Hier soll der bis Athen 2004 anhaltende Abwärtstrend gestoppt werden. In Athen hatte das Riesenaufgebot mit der breiten öffentlichen Förderung 49 Medaillen eingesackt, die aktuelle Ausbeute liegt noch deutlich drunter, 28. Es braucht noch einige Dienstage, um das Allzeit-Tief in Peking nicht zu unterbieten.

Perfekte Organisation

Am Dachverband DOSB liegt das nicht, der hier seine olympische Feuertaufe feiert. Er hat alles perfekt organisiert, seine Athleten sogar fürsorglich mit Listen ausstaffiert, die exakt vorgeben, welche Sponsorkleidung zu welchem Anlass zu tragen ist. Das zeugt von Professionalität, gleich 18 Anlässe sind aufgeführt, und zwecks Nachhaltigkeit werden Verstöße gegen die Werberichtlinien mit Vermögensentzug von bis zu 250.000 Euro geahndet.

Die Sponsoren sind gut abgesichert. Weil auch Funktionäre gern den Dresscode einhalten, kreuzte DOSB-Chef Thomas Bach zum Athleten-Abend im Deutschen Haus im Trainingsanzug statt im Zwirn auf: einer von uns. Das sollten die Athleten im Gedächtnis behalten, wenn bei der Endabrechnung weitere Einbrüche in den publikumsattraktiven Sportarten beklagt werden: Sind denn die auf der Chefetage besser aufgestellt als wir? Ein auf den IOC-Thron strebender Wirtschaftsanwalt, Bach, ein politischer Quereinsteiger, Michael Vesper, dazu ein partyfester Ex-Turner, der auch in Peking zumeist über sein Faible redet, Fallschirmspringen. Zu Eberhard Giengers Leidwesen ist es nicht olympisch.

Es könnte ja Trainingskonzepte geben!

Drei neue Spitzenkräfte haben übernommen, neuer Schwung blieb aus. Abseits von Medaillengaranten wie Reitern oder Fechtern regiert in Peking das alte System samt vertrautem Wasserkopf: Funktionärs-Haudegen im Schießen, Rudern oder in Scharpings konfusem Radlager, die ihre schwindende Akzeptanz bei den Athleten mit steilen Abwärtstrends in den Leistungsbilanzen verbinden. Schwimmer und Leichtathleten, die in diesen Kernsportarten traditionell Staffage sind. Dass hier eine Einschränkung gilt - Achtung, harte Dopingsparten! - erklärt nicht, warum die Schwimmer in einem Becken, das Rekorde ermöglicht, hinter den eigenen Bestleistungen herkraulen.

Olympia ist nur alle vier Jahre, da könnte es ja Trainingskonzepte geben, die diesem Termin angepasst werden. An der Verbandsspitze aber sind auch die Schwimmer sehr stark aufgestellt. Christa Thiel ist Sprecherin der Fachverbände und gut eingebunden ins Führungssystem, das für Machtumverteilungen gesorgt hat und für das sportliche Weiter-So.

Klar, Britta Steffen, Timo Boll - herausragende Individualisten dürfte es immer geben. Sie taugen nur nicht zur Bilanzkosmetik für ein Land mit breitem Förderprinzip, unter aufwändiger Beteiligung von Bundeswehr, Zoll, Polizei und Sportschulen. Insofern bleibt es spannend: Wird die Athen-Marke überwunden? Demnächst mehr von hier, wo die Uhr tickt: 29, 30, 31...

© SZ vom 20.08.2008/sma - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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