Olympia:Deutsche Alpine nur im Vorfeld eine Attraktion

Pyeongchang 2018 Winter Olympics

Abgang ohne Medaillen: Die deutschen Alpin-Skifahrer verlassen nach ihrem letzten Rennen beim Team-Wettbewerb enttäuscht die Olympia-Bühne.

(Foto: Leonhard Föger/Reuters)
  • Bei den Winterspielen bleibt die Alpin-Sparte des Deutschen Ski-Verbands erstmals seit 2006 ohne Medaille.
  • Die Verantwortlichen warten sehnsüchtig auf die Rückkehr von Felix Neureuther und Stefan Luitz. Doch im Nachwuchs gibt es große Lücken.
  • Hier geht es zum Medaillenspiegel der Winterspiele.

Von Johannes Knuth, Pyeongchang

Am Ende gelang dem alpinen Skirennfahrer Linus Straßer noch mal ein Sieg, der im Grunde keiner war. Straßer hatte sich im letzten Viertelfinallauf des Teamevents gegen den Schweizer Daniel Yule behauptet. Sowohl die Schweizer als auch die Deutschen hatten nun zwei Duelle gewonnen. Aber in der Addition der Laufzeiten waren die Schweizer besser, und so endete auch der letzte Auftritt der deutschen Alpinen am Samstag mit einer Niederlage. Bei aller Freude über dieses erfrischende Wettkampfformat, das erstmals olympisch war - den Ausgang aus deutscher Sicht klassifizierte Wolfgang Maier als "nicht lustig". Der Alpindirektor des Deutschen Skiverbandes (DSV) hatte dieses Urteil in den vergangenen Tagen sehr oft gefällt, zumindest wenn in Pyeongchang gerade ein Skirennen stattgefunden hatte.

Man sei keine Null-Medaillen-Sparte, rechnete Maier zum Abschluss vor. Das weckte beim Blick aufs Tableau freilich den Verdacht der Bilanzfälschung; seine Alpinen hatten ja keine Olympia-Medaillen beschafft, zum ersten Mal seit 2006. Aber Maier konnte mildernde Umstände geltend machen. "Wir haben im Vorfeld sicher für die meisten Attraktionen gesorgt", sagte er und meinte etwa Thomas Dreßens Sieg auf der Streif in Kitzbühel. Die Kreuzbandrisse von Felix Neureuther und Stefan Luitz hatten große Hoffnungsträger geraubt, und so lag die größte Last am Ende bei Viktoria Rebensburg, die Bronze im Riesenslalom um 12 Hundertstelsekunden verfehlte. "Deswegen muss man nicht die alpine Fraktion zerlegen", befand Maier; damit traf er auch ganz gut den Geist dieser südkoreanischen Friedensspiele (aber das ist eine andere Geschichte).

Allzu pazifistisch waren sie im DSV freilich nicht gestimmt. Man müsse sich an der eigenen Leistung messen, sagte Straßer stellvertretend für die Techniksparte der Männer. Und die Leistung, fand er, "war speziell bei mir einfach nicht gut"; mit Platz 22 im Riesenslalom und einem Sturz im Slalom. Die Erträge im Slalom der Frauen ließen sie im DSV noch ernüchterter zurück, Lena Dürr und Christina Geiger schafften es nicht ins Ziel, was Cheftrainer Jürgen Graller zu dem wenig schmeichelhaften Verdikt verleitete: "Wir müssen den Fokus auf den Nachwuchskader setzen" (wobei Geiger mit einer Syndesmoseverletzung gestartet war). Und Maier? Jeder Athlet müsse auch "Verantwortung übernehmen, wie er da runterfährt oder sich im Zielbereich präsentiert", sagte er. Den Trainern bescheinigte er jedenfalls, "extrem gut gearbeitet" zu haben.

"Ich kann mir keinen Vorwurf machen", sagt Viktoria Rebensburg

Auch die Schnellfahrer hatten überzeugt, mit Dreßens fünftem Rang in der Abfahrt sowie Rang elf der erst 22 Jahre alten Kira Weidle. Und Rebensburg fiel just bei Olympia aus den Top Drei, in die sie im Weltcup stets Einlass gefunden hatte, wenn sie im Besitz ihrer Kräfte war. "Ich kann mir keinen Vorwurf machen", sagte sie, so ein Flüchtigkeitsfehler, als sie eine Welle übersehen hatte, passiere nun mal. Maier sah das erst etwas anders, später attestierte er ihr eine "gute Leistung".

Im Weltcup trumpfen die Deutschen auf

Am Ende spiegelte sich in den Auftritten der Alpinen ein bisschen von beidem: die gewissenhafte Arbeit, die in vielen deutschen Wintersport-Ressorts geleistet wird, und die Probleme, vor allem für die Zukunft. Dass die deutschen Abfahrer überhaupt dazu befähigt waren, in Südkorea eine Bewerbung für die Spitzenplätze einzureichen, hatten sie vor vier Jahren selbst nicht geglaubt. Und Rebensburg hatte bis zu den Spielen so viel richtig gemacht, dass sie im März mal wieder die Gesamtwertung im Riesenslalom-Weltcup gewinnen kann.

Drei verschiedene Weltcup-Sieger bei den Männern (Neureuther, Dreßen, Ferstl) habe es in der Historie des DSV auch noch nie gegeben in einer Saison, rechnete Maier vor. In Neureuther und Luitz kommen zudem die Besten wieder zurück, in deren Erfolgssog viele Fahrer in der Vergangenheit mitgeschwommen waren - auch Fritz Dopfer, der diesen Winter noch immer unter dem Eindruck seines Schienbeinbruchs bestreitet.

Langfristig sei das eine große Herausforderung, sagt Maier, die zweite Garnitur bis zu den Spielen 2022 in die Spitze zu heben. Hinter Rebensburg klafft im Riesenslalom und im Speed weiter ein großes Loch bei den Frauen, Maiers Vorfahrerin muss bis auf Weiteres "immer im Wind stehen, ganz alleine". Auch die dritte und vierte Garnitur bereitet Sorgen. Sie beobachten im DSV seit Längerem, dass immer weniger Talente sich den Weg in den Schnee leisten können oder wollen, der Klimawandel tut sein Übriges. Es ist ein internationales Problem, aber eines, das die Skinationen noch eher auffangen als die Deutschen.

Ein Cheftechniker soll das Team verstärken

Als Anfang Februar die Junioren-WM in Davos stattfand, fielen vier der besten Starter aus, drei mit Kreuzbandrissen. "Man kann sich auch verändern, ohne Köpfe rollen zu lassen", sagte Maier in Pyeongchang, und nach allem, was bekannt ist, wird es nach diesem Beschluss kaum zu Montagsdemonstrationen kommen. Er versprach "mehr Prävention" für die wenigen Talente; ab April wird er zudem einen Cheftechniker einstellen, der die Entwicklung von Ski, Wachs und deren Abstimmung in Berchtesgaden koordinieren soll, vom Nachwuchs bis in die Spitze. "Da sind wir nicht in der Spitze", sagte Maier. Er klang nicht allzu belustigt dabei.

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