Olympia:Der verflixte Salchow

Lesezeit: 3 min

Aljona Savchenko und Bruno Massot aus Deutschland nach dem Kurzprogramm. (Foto: dpa)
  • Im Kurzprogramm der Paarläufer unterläuft Bruno Massot ein unerklärlicher Fehler.
  • Statt eines dreifachen Salchows springt er nur einen zweifachen - er und Partnerin Aljona Savchenko liegen nun vor der Kür in der Nacht zum Donnerstag auf Platz vier.

Von Barbara Klimke, Pyeongchang

Todesspirale, Quad, Wurf-Axel, die Risikonummern im Paarlauf führen schaurige Namen, aber der gute alte Salchow hat nie dazugehört. Uraufgeführt wurde er schon 1909 von dem Schweden Ulrich Salchow, dem ersten Eiskunstlauf-Olympiasieger, und er wirkt wesentlich eleganter als etwa der etwas zackiger wirkende Lutz, den bezeichnenderweise ein früherer Eishockeyspieler erfand. Beim Salchow hebt der Läufer mit Schwung von der Kante ab, im Gegensatz zu jenen Sprüngen, bei denen er sich durch ein Eintippen der Kufenspitze in die Höhe katapultiert. 1955 wurde der erste Salchow mit drei Umdrehungen überm Eis gesprungen. Heutzutage haben die schnellkräftigsten Solisten die Luftnummer gar vierfach im Programm.

Auch die Elite der Paarläufer führt den Dreifach-Salchow in Serienreife vor; Aljona Savchenko, 34, die fünfmalige Weltmeisterin und Erfahrenste von allen, ohnehin. Und über die Trefferquote von Bruno Massot, 29, ihrem Partner, hat Trainer Alexander König nach der Kurzkür am Mittwoch gesagt: "Wenn ich mir die letzten Sprünge angucke, steht es, glaube ich, 50:1 für den gelungenen Salchow." Erst jetzt weiß man: dieser verflixte Salchow wurde nicht zum Schicksalssprung des Duos Aljona Savchenko / Bruno Massot. In der Nacht zum Donnerstag gewannen sie sensationell noch Gold - und Massot bricht noch auf dem Eis in Tränen aus. Er war es, dem im Kurzprogramm ein unerklärlicher Fehler unterlief: Da vollführte Bruno Massot, als er in der Luft um die eigene Achse spindelte, 360 Grad zu wenig bei seinem Dreifach-Salchow - der folglich nur ein zweifacher war. Nach dem ersten Teilwettbewerb lagen die Deutschen nur auf Platz vier.

Eiskunstlauf bei Olympia
:"Ich habe vier Jahre trainiert und mache so eine Dummheit"

Aljona Savchenko fehlt noch Olympiagold im Eiskunstlauf. Doch ihrem Partner Bruno Massot unterläuft im Kurzprogramm ein kapitaler Fehler.

Von Barbara Klimke

Mehr als vier Punkte der Juroren zusätzlich hätte der perfekte Sprung in der Gesamtwertung eingebracht, rechnete König vor: "Den Dreifachen zum Zweifachen zu machen, ist die Höchststrafe." Es klang nicht anklagend, König ist selbst Paarläufer gewesen. Sondern nach Mitleid mit dem unglücklichen Massot, der nach einer ansonsten brillanten Vorführung des Lindy Hops, einer witzigen Zwanzigerjahre-Nummer, in der Mixed Zone um Fassung und um Erklärung des Unerklärlichen rang. "Ich weiß nicht, was passiert ist. Das Training war gut, der Rücken war gut. Es ist lächerlich: Ich habe vier Jahre trainiert und mache so eine Dummheit."

Für den Traum von Olympia an der Seite Savchenkos hat der in Frankreich geborene Eisartist vieles aufgegeben: seine Freunde, seine Familie, seinen Lebensmittelpunkt. Zunächst zog er 2014 von Caen nach Chemnitz, wo Savchenko mit Trainer Ingo Steuer anfangs weiterarbeitete, nachdem Robin Szolkowy, ihr langjähriger Eispartner, die Kooperation nach Olympia-Bronze in Sotschi und dem folgenden fünften WM-Titel beendet hatte. Dann folgte die Übersiedlung des neuformierten Duos nach Oberstdorf, wo Alexander König seine "Kinder", wie er sie zu nennen pflegt, unter die Fittiche nahm. Im Herbst hat Massot nun auch die für den Olympiastart erforderliche deutsche Staatsbürgerschaft angenommen. "Wir sind hier für Gold. Für nichts anderes", hat er in Pyeongchang nach dem Salchow fast verzweifelt gesagt - und, ohne Savchenko anzublicken, hinzugefügt: "Ich will nicht, dass sie mit Bronze nach Hause kommt."

"Die Elemente sind alle so schwierig, dass überall ein Fehler passieren kann."

Denn die beiden gehörten spätestens seit Dezember zu den Favoriten: Beim Grand-Prix-Finale in Nagoya überflügelten sie mit Punkteweltrekord alle Konkurrenten und präsentierten eine artistische Kür, in der sie die Musik zu dem Naturfilm "La terre vue du ciel" ("Die Erde von oben") mit kompliziertesten Hebungen interpretierten. Gemeinsam mit dem rivalisierenden chinesischen Weltmeisterpaar Sui Wenjing und Han Cong haben sie ihre Disziplin auf ein Niveau gehoben, in dem die Kategorien zwischen Eistanz und Paarlauf verschwimmen.

Dennoch war schon vor der Abreise nach Südkorea klar, dass angesichts der hochklassigen Konkurrenz, der Chinesen, der Russen Jewgenjia Tarassowa / Wladimir Morozow und des kanadischen Duos Meagan Duhamel / Eric Radford, ein winziges Missgeschick den Ausschlag geben kann: ein verunglückter Wurf, eine wackelige Hebung, eine nicht synchrone Pirouette, ein Sprung. "Die Elemente sind alle so schwierig, dass überall ein Fehler passieren kann", sagt König. Auch beim Salchow.

Olympia
:Eric Frenzel löst alle Blockaden

Plötzlich hopst er der Konkurrenz davon: Kombinierer Frenzel findet rechtzeitig zu alter Form zurück und wiederholt seinen Olympiasieg - sein Erfolg hat erstaunliche Hintergründe.

Von Volker Kreisl, Pyeongchang

Getüftelt hatten sie zuletzt an ganz anderen Kapriolen: am dreifachen Wurfaxel, dem schwersten aller Paarlauf-Würfe, bei dem Savchenko fünf Meter weit über das spiegelblanke Eis fliegt, um dann auf einer Kufe zu landen; am Alternativ-Wurf, dem dreifachen Flip, der im Olympia-Kurzprogramm tadellos gelang; am Twist, bei dem die Schwierigkeit für Bruno Massot darin besteht, eine hoch in der Luft um sich selbst wirbelnde Aljona Savchenko wieder sicher aufzufangen. Stattdessen der verflixte Salchow - und die Kür als tränenreiche Versöhnung mit diesem Wettkampf.

© SZ vom 15.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: