Olympia:Dahlmeier lässt die "Ice Woman" raus

Pyeongchang 2018 - Biathlon

War nach dem Rennen laut DSV-Sprecher Stefan Schwarzbach "komplett hinüber" - aber bei der Siegerehrung dann doch sehr glücklich.

(Foto: dpa)
  • Nach ihrem Olympiasieg im Sprint gewinnt Laura Dahlmeier auch das Verfolgungsrennen in Pyeongchang.
  • Nach dem Rennen ist sie "komplett hinüber", doch es stehen in Pyeongchang noch vier weitere Rennen an.
  • Schon am Mittwoch geht es mit dem Massenstart weiter.
  • Alle Ergebnisse und den Medaillenspiegel finden Sie hier.

Von Saskia Aleythe, Pyeongchang

Es war keine ausufernde Geste, die Laura Dahlmeier in den Himmel von Pyeongchang schickte, doch Bedeutung hatte sie schon. Sie ließ ihr Rennen mit der Deutschlandfahne in der Hand austrudeln, ihr Vorsprung war groß, dann klopfte sie sich mit der Faust aufs Herz, nahm die Stöcke über dem Kopf zusammen und blickte nach oben. "Es sind so viele Menschen, die einem die Daumen drücken, überall auf der Welt, dahoam", erklärte Dahlmeier, "ganz allein hätte ich es sicherlich nicht geschafft." Als sie ihren zweiten Olympiasieg errungen hatte im zweiten Rennen, dankte sie anderen.

Als "Ice Woman from Germany" bezeichnete sie der Stadionsprecher, als Dahlmeier über die Ziellinie glitt, und das passte in mehrerlei Hinsicht ganz gut. Minus zehn Grad waren es wieder im Biathlonstadion, "vielleicht habe ich mich heute den Außentemperaturen angepasst", scherzte die 24-Jährige; nach dem Rennen mussten erstmal ihre Finger auftauen, was "abartig" weh getan habe. "Das war mindestens so anstrengend wie so ein Fight auf der Strecke", sagte Dahlmeier.

Den Fight auf der Strecke hatte sie für sich entschieden, weil sie so cool blieb, wie es wohl nur eine Ice Woman sein kann. "Sie beherrscht unseren Sport", sagte die Französin Anais Bescond, die Dritte geworden war hinter der Slowakin Anastasiya Kuzmina. Dieses Verfolgungsrennen war eines, in dem Dahlmeiers Stärken so sichtbar wurden, dass Bundestrainer Gerald Hönig ergriffen mitteilte: "Was Laura hier an Biathlon in Perfektion zeigt, habe ich in der Art und Weise noch nicht gesehen."

Man konnte das an mehreren Stellen beobachten, 24,4 Sekunden Vorsprung hatte sie sich im Sprint erarbeitet, was für die Konkurrenz bedeutete, dass das Verfolgen recht schnell zum Hinterherlaufen mutierte. Dahlmeier ging also auf den Kurs in Südkorea, kam zum Schießstand, kreiste vorher mehrmals mit dem Abzugsarm, um ihn fürs Schießen wieder aufzutauen. Dann legte sie sich auf die Matte. Ohne Eile. Böen waren schon im Sprint immer wieder in den Schießstand gezogen, sie sind am schwierigsten zu beherrschen, und schon bevor sie zum ersten Mal den Abzug auslöste, drehte Dahlmeier am Diopter. Treffer. Noch einer. Dann wieder anderer Wind, sie reagierte erneut und ging ohne Fehler vom Schießstand weg. "Ich habe den Vorsprung gehabt, dass ich mir die Zeit nehmen konnte", sagte Dahlmeier, "und ich bin dafür belohnt worden."

Anastasiya Kuzmina, die im Sprint noch mit drei Fehlern 13. geworden war, aber die beste Laufleistung von allen gezeigt hatte, pirschte sich da schon heran. Beim zweiten Schießen unterlief beiden Athletinnen ein Fehler, und der Abstand von Dahlmeier auf der Strecke schmolz. "Wenn ihr in meine Beine reinschauen könntet, wärt ihr erstaunt, wie das möglich ist, dass man so gewinnt", sagte sie später, sie hatte sich nicht mehr so fit gefühlt wie noch im Sprint. Weil sie wusste, dass sie nur in der Loipe verlieren würde, setzte sie alles aufs Schießen: "Ich habe heute wirklich sehr konzentriert bleiben können, vom ersten bis zum letzten Schuss."

"Ich komme aus Garmisch-Partenkirchen, da haben wir nie Wind"

Dahlmeier machte sich also wieder auf den Weg, nach der Hälfte des Rennens, und war dann schon eingeholt von Kuzmina; beinahe sah es so aus, als wollte Dahlmeier ihr den Vortritt lassen. Diese Situation prägte das Rennen aber nicht, beide kamen gleichzeitig zum dritten Schießen. "Im Stehen wird das Rennen heute entschieden", hatte Trainer Hönig kurz zuvor noch angekündigt; es ist aufrecht ja viel schwieriger, die Waffe im Wind zu beherrschen. Da standen sie nun: Kuzmina rechts, Dahlmeier links. Kuzmina schoss schnell, Kuzmina schoss: zwei Fehler. Dahlmeier ließ wieder die Ice Woman raus, nahm sich Zeit und traf sicher: "Es waren schwierige Bedingungen, da habe ich mir lieber mal die eine oder andere Sekunde mehr Zeit gelassen." Während ihre Konkurrentin auf die Strafrunde abbog, flog Dahlmeier schon ihrem zweiten Olympiasieg entgegen, auch das vierte und letzte Schießen absolvierte sie fehlerfrei.

Ob sie das Schießen unter starken Windbedingungen besonders übe, wurde sie danach dann gefragt. "Ich komme aus Garmisch-Partenkirchen", antwortete Dahlmeier, "da haben wir nie Wind." Und überhaupt: "Das ist Biathlon, das trainiert man jeden Tag. Bei sich selber zu bleiben und auf die eigenen Scheiben zu schauen." Wenn das nur immer so einfach wäre.

"Ich bin ein zähes Luder", sagt Dahlmeier

Zumal sie ja aufregende Tage erlebt hatte, natürlich war ihr erster Olympiasieg am Samstag ein prägendes Erlebnis gewesen, das Einschlafen war ihr schwer gefallen, nachdem sie nachts noch mit dem Skispringer Andreas Wellinger im deutschen Haus Sektduschen veranstaltet hatte. Doch am nächsten Tag saß sie schon wieder auf dem Ergometer und bereitete ihr Verfolgungsrennen vor. "Ich versuche, mich nicht rausbringen zu lassen. Erfahrungsgemäß gelingt mir das im Verfolger sehr gut", hatte Dahlmeier gesagt. Was im Übrigen auch die Statistik belegt: Ihre zwei Saisonsiege vor den Spielen hat sie in der Verfolgung geholt, und im aktuellen Weltcup war sie in den direkt auf den Sprint folgenden Rennen nie schlechter als im Sprint.

Dass sich auch Denise Herrmann (Rang sechs/zwei Fehler), Franziska Hildebrand (Zwölfte/drei) und Vanessa Hinz (13./vier) gut präsentiert hatten, löste bei Hönig erst Understatement aus, dann Rührung. "Ich glaube, wir haben uns ganz gut verkauft", sagte er und packte die Sachen zusammen, dann kamen die Tränen. Vor vier Jahren in Sotschi waren die Frauen ohne Medaille geblieben - und jetzt ist Dahlmeier quasi der Ole Einar Björndalen bei den Frauen: Einen Sprint und eine Verfolgung bei den selben Spielen zu gewinnen, war bisher nur dem Norweger gelungen. Dahlmeier fand es "cool, cool, unglaublich".

Sie zuzelte dann erstmal zwei Tuben mit Sportlernahrung aus, als sie da saß bei der Pressekonferenz von Pyeongchang, natürlich fordert so ein Rennen. Einen geplanten Fernseh-Auftritt sagte sie ab. "Sie ist einfach komplett hinüber", sagte Stefan Schwarzbach, der Sprecher des Deutschen Skiverbandes (DSV). Am Mittwoch geht es mit dem Massenstart weiter, es folgen noch Einzel, Mixed-Staffel und Staffel. "Ich bin ein zähes Luder. Irgendwie werde ich es schon wieder schaffen zu regenerieren", sagte Dahlmeier noch, "so ist es mir letztes Jahr in Hochfilzen auch gegangen, dass ich mir das gar nicht habe vorstellen können, wie ich am nächsten Tag aus dem Bett rauskomme." Es gelang ihr dann tatsächlich ganz gut: Damals wurden es ja fünf Gold- und eine Silbermedaille.

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