Coronavirus und Olympia:Die olympische Welt gerät völlig aus den Fugen

Coronavirus -Olympia

Es deutet alles darauf hin, dass die Olympischen Spiele verschoben werden.

(Foto: dpa)
  • Die Sommerspiele 2020 sind nicht mehr zu halten: Kanada, Australien und Norwegen wollen keine Athleten nach Tokio entsenden.
  • Auch der DOSB plädiert für eine Verlegung - und sogar Japans Organisatoren haben Zweifel.

Von Johannes Aumüller

Vier Wochen. Das war die Zeitspanne, die sich das Internationale Olympische Komitee (IOC) am Sonntagabend allen Ernstes setzte. Vier Wochen lang wolle es die Situation rund um die Corona-Pandemie noch beobachten und in dieser Zeit auch mögliche Alternativszenarien für die Austragung der Sommerspiele in Tokio prüfen, hieß es in einer Mitteilung. Was nicht darin stand: dass es in jedem Fall zu einer Verschiebung kommen würde.

Eine Frist von vier Wochen? Es dauerte nicht lange, da brach dieses ohnehin seltsam anmutende Zeitspiel zusammen. Stattdessen wurde das IOC links und rechts überholt. Selbst die Organisatoren der Spiele in Tokio äußerten sich inzwischen ziemlich drastisch. "Wir sind nicht so blöd, die Olympischen Spiele wie geplant auszutragen", sagte Yoshiro Mori, der Präsident des Organisationskomitees von Tokio 2020, am Montag auf einer Pressekonferenz.

Zu einem anderen Schluss kann er auch kaum noch kommen, weil eine konkrete Absage nach der anderen herein flattert. Kurz nach der IOC-Erklärung teilte zunächst Kanadas Olympia-Komitee mit, dass es keine Athleten zu den Spielen entsenden werde, falls diese wie geplant im Sommer stattfinden. Ein wenig später schlossen sich auch Australien und Norwegen dieser Haltung an. Der Schweizer Sportdachverband erklärte, dass die Spiele nicht stattfinden sollten, solange die Welt die Pandemie nicht im Griff habe. Der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) wiederum teilte am Dienstagmittag in Person seines Präsidenten Alfons Hörmann mit, dass er "eine Verlegung mindestens ins nächste Jahr" präferiere. Eigentlich hatte der DOSB noch eine Athleten-Umfrage sowie Gespräche mit Spitzenverbänden und der Bundesregierung geplant, ehe er sich positionieren wollte.

In welche Richtung dieses Stimmungsbild gehen kann, zeigte schon eine separate Umfrage unter den deutschen Schwimmern, die sich zu 80 Prozent für eine Verlegung aussprachen. Nun kam die DOSB-Positionierung doch zügiger - und zugleich kritisierte Hörmann, dass das IOC die Sportwelt vier Wochen lang schmoren lassen möchte. "Die Prüfung der Verlegung ist ein richtiger und in Anbetracht der aktuellen gesundheitlichen Weltlage längst fälliger Schritt", sagte er: "Allerdings hätten wir uns bereits jetzt eine klare Aussage dahingehend gewünscht, dass die Spiele definitiv nicht zum geplanten Termin stattfinden können und nun über denkbare Alternativen beraten wird."

Kanada, Australien, Deutschland: Das sind drei der Länder, die bei Olympischen Spielen mit die meisten Teilnehmer entsenden. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis andere nachziehen. Zudem kommt nicht nur aus einzelnen Ländern, sondern auch aus einigen Fachverbänden Druck - nicht zuletzt aus dem wichtigsten: aus der Leichtathletik, der Kernsportart schlechthin.

In einer Umfrage der Athletengewerkschaft "The Athletics Association", die unter anderem Dreisprung-Olympiasieger Christian Taylor gründete, sprachen sich knapp 80 Prozent für eine Verlegung aus. Sebastian Coe, der Präsident des Weltverbandes, plädierte in einem Brief für die Absage. Die Durchführung sei "weder machbar noch wünschenswert", lautete die Kernbotschaft des Mannes, dessen einst inniges Verhältnis zu IOC-Chef Thomas Bach mittlerweile merklich abgekühlt ist.

Eine Verschiebung hat erhebliche Konsequenzen

Es geht also nicht mehr um die Frage, ob die Spiele wirklich im Sommer 2020 stattfinden können - sondern nur noch darum, wann eine Verschiebung verkündet wird und was der beste Ersatztermin ist. Richard Pound, langjähriges IOC-Mitglied aus Kanada, sagte der Zeitung USA Today am Montag: "Auf Grundlage der Informationen, die dem IOC vorliegen, ist die Verschiebung beschlossen." Die Parameter für das weitere Vorgehen seien noch nicht festgelegt, "aber die Spiele werden nicht am 24. Juli beginnen, so viel weiß ich", ergänzte Pound. Die Debatte um die Alternativszenarien zieht sich nun insbesondere deswegen, weil es natürlich um viel Geld geht. Um sehr viel Geld. Eine Verschiebung hat sowohl für die Veranstalter in Tokio wie auch für das IOC erhebliche Konsequenzen. Deswegen wird genau darauf geachtet, wer was sagt oder wer was nicht sagt und wer am Ende die Verantwortung für die Verlegung übernimmt - auch wenn in der olympischen Welt das IOC immer die letzte Instanz ist.

Eines der nun kursierenden Szenarien sieht vor, die Spiele bloß um ein paar Monate bis in den Herbst zu verschieben. An diesem zeigt sich exemplarisch, wie wirtschaftliche Erwägungen in die Sache hineinspielen. Die aktuelle Olympiade - also nicht die Spiele als solche, sondern die vierjährige Epoche, innerhalb derer einmal Winter- und einmal Sommerspiele stattfinden sollen - endet im Dezember 2020. Die Sponsorenverträge sind üblicherweise für solche Olympiaden verabschiedet. Andererseits: Der wichtigste TV-Rechte-Partner des IOC ist der US-Fernsehsender NBC, der für die Übertragung der Spiele bis ins Jahr 2032 die Summe von fast sechs Milliarden Euro zugesagt hat. NBC dürfte es kaum gefallen, die Spiele im Herbst zu senden, wenn auch die großen amerikanischen Profiligen wieder ihren Betrieb aufnehmen sollen.

Eine Verlegung in den nächsten Sommer ist schwierig

Aber unabhängig von solchen Überlegungen ist der Herbst 2020 aus anderen Gründen ein unrealistisches Szenario. Das Coronavirus wird aus Sicht vieler Virologen dann global wohl noch wüten. An den anderen aktuell monierten Rahmenbedingungen - der ungleichen Trainingssituation von Athleten oder dem brachliegenden Dopingkontrollsystem - wird sich bis dahin auch kaum etwas ändern.

Eine bisweilen debattierte Verlegung in den Sommer 2022 ist schwierig, weil das Jahr ohnehin schon vollgepackt ist mit den Winterspielen in Peking - also just im Corona-Ursprungsland China - sowie der Fußball-WM in Katar. Für den Sommer 2021 wiederum waren bisher eigentlich die Welttitelkämpfe der Kernsportarten Schwimmen und Leichtathletik vorgesehen. Aber nicht nur Coe gab schon zu verstehen, dass dies nicht der Hinderungsgrund sein könne. Es sieht also so aus, dass nach der Fußball-EM auch die Olympischen Spiele in den kommenden Sommer verlegt werden.

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