Olympia und Klimaschutz:Freiheit für die Pistenraupe

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Piste in schneeloser Landschaft: Das Skigebiet bei den Olympischen Spielen. (Foto: Jeff Pachoud/AFP)

Die neueste Volte von IOC-Chef Thomas Bach zum Wintersport in China zeigt: Das Thema Welthandel ist komplizierter als das Thema Menschenrechte. Dem Westen geht hier ein Teil seiner Argumente aus.

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Nun hat sie also begonnen, die "neue Ära des Wintersports". 300 Millionen Chinesen, rechnet der deutsche IOC-Präsident Thomas Bach der Welt begeistert vor, seien durch die Vorbereitungen für die Peking-Spiele an das Ski- und Eisvergnügen "herangeführt" worden. Wobei, wie so häufig beim Internationalen Olympischen Komitee, ein wichtiges Detail offen bleibt: was das eigentlich heißt, herangeführt. Haben sich 300 Millionen Chinesen Skier oder Schlittschuhe an die Füße geschnallt? Haben 300 Millionen Chinesen im Fernsehen andere Chinesen mit Skiern oder Schlittschuhen an den Füßen gesehen? Egal. Hauptsache, China ist jetzt "eine Wintersportnation".

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Es sei den Chinesen gegönnt. Es ist ja wirklich manchmal die pure Freude: an einem klaren Tag die erste Gondel zu nehmen, auf dem Gipfel die Sonne zu begrüßen - und dann die erste Spur auf die frisch planierte Piste zu legen. Wobei: Darum geht es Bach, dem alten Hallensportler, natürlich nicht. "Der Boom in China wird die globale Wintersport-Industrie verändern", hat er am Tag vor der Eröffnung seinen ergriffenen Mit-Olympiern zugerufen. Und für wen werde das am Ende ein Segen sein? Für die Hersteller von Skiliften, Pistenraupen und Schneekanonen: "All die Unternehmen, die hauptsächlich in den Alpen und in Nordamerika ansässig sind, werden stark von der Entwicklung des Wintersports in China profitieren."

Müssten Naturschutzgebiete nicht geschützt werden anstatt handstreichartig verlegt, wie jetzt in Peking?

Da setzt der Fechter Bach eine raffinierte Riposte. Die Leute in München oder St. Moritz wollen die Spiele nicht mehr beherbergen? Gut, das müssen sie selber wissen - derweil kümmert sich das IOC darum, dass die Alpenmenschen weiter ihr Hightech-Equipment verkaufen, gerne auch nach China, während sie sich nach Feierabend ihrer moralischen Überlegenheit hingeben. Sich über das Erschaffen neuer Skiberge zu echauffieren, geht ja umso einfacher, wenn man die Schneisen in Kitzbühel, Veysonnaz und La Plagne schon vor Generationen in die Hänge geschlagen hat.

Schon richtig, das Erschließen neuer Märkte ist nicht per se ein Frevel. Nur: Müssten dafür im 21. Jahrhundert, während der Globus mit seinen Klimazielen ringt, nicht auch beim IOC ein paar ernstgemeinte Kriterien gelten? Müssten Naturschutzgebiete nicht geschützt werden anstatt handstreichartig verlegt, wie jetzt in Peking? Und wie kann man Olympia-Pisten und -Loipen ernsthaft in staubtrockene, fast immer schneelose Berge fräsen, auf die man das Wasser für die österreichische Schneekanone fast hundert Kilometer weit heraufpumpen muss?

Letztlich ist der Schutz der Berge dem IOC so egal wie der Schutz der Menschenrechte. Aber sobald der Welthandel ins Spiel kommt, geht dem menschenrechtsbewegten Westen ein Teil seiner Argumente aus. Weil sich in München oder St. Moritz halt ein guter Teil des Wohlstands darauf gründet, dass China wie China organisiert ist.

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