Debatte im olympischen Boxsport:„Diese Kontroversen haben mich traurig gemacht“

Lesezeit: 2 Min.

Traurig, aber angeblich nicht wegen der Gegnerin: Angela Carini nach dem Aus gegen Imane Khelif aus Algerien. (Foto: Mohd Rasfan/AFP)

Das Achtelfinal-Aus der italienischen Boxerin Angela Carini gegen Imane Khelif nach 46 Sekunden wühlt Italien auf und heizt die Debatte um Gender und Geschlecht an. Die Unterlegene nimmt die Konkurrentin in Schutz.

Von Marc Beise, Rom

Bei Olympia interessieren nur die Sieger? Stimmt sowieso nicht, schon gar nicht, wenn jemand so verliert wie Angela Carini. Die italienische Boxerin war in Paris in den Ring gestiegen, „um alles zu geben“, wie die 25-Jährige später sagte. Aber schon der erste Treffer, den sie von ihrer algerischen Konkurrentin Imane Khelif, ebenfalls 25, kassierte, setzte ihr zu. Sie suchte Rat bei ihrem Trainer, der schickte sie wieder zurück in den Kampf: Nur jetzt die erste Runde überstehen! Dann der zweite Treffer, wieder eine Auszeit, unerträgliche Nasenschmerzen. Und dann war nach 46 Sekunden alles vorbei – aber nur im Ring. In den Medien und in der Öffentlichkeit ging es jetzt erst los.

Eklat beim olympischen Boxturnier
:„Dieser Kampf war unfair“

Die Boxerin Imane Khelif wird bei der WM 2023 wegen erhöhter Testosteronwerte disqualifiziert, bei Olympia darf sie antreten. Ihre italienische Gegnerin gibt nach wenigen Sekunden unter Tränen auf – Ministerpräsidentin Giorgia Meloni kritisiert das IOC.

Das Schicksal der Angela Carini ist ein beherrschendes Thema in Italien, die Zeitungen drucken seitenlange Schwerpunkte. Dabei geht es vor allem um Khelifs Vorgeschichte. Die Algerierin war bei der WM vor einem Jahr vor dem Finale disqualifiziert worden – ein „anerkannter“ Geschlechtstest habe dies nötig gemacht, um die Fairness des Wettkampfs zu schützen. So teilte es der Weltverband jedenfalls mit. Das IOC ließ Khelif in Paris indes zu, und so brachten ihre schnellen harten Schläge gegen Angela Carini das Thema wieder auf, ob sie Frau genug sei, um sich mit Frauen messen zu dürfen.

Die Rufe nach Fairness? Ein Missverständnis, sagt Carini nach dem Kampf

Der Zufall hatte es gefügt, dass Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni gerade rechtzeitig zur Stelle war, um der Landsfrau Trost zu spenden. „Man muss in der Lage sein, auf gleicher Augenhöhe zu kämpfen. Von meinem Standpunkt aus war es kein Wettbewerb unter Gleichen“, sagte Meloni beim Besuch im olympischen Dorf und besprach das Thema auch mit IOC-Präsident Thomas Bach. Die Regierungschefin äußerte sich noch vergleichsweise vorsichtig. Für andere Politiker ihrer Rechtskoalition ist das Ganze eine „Schande“ und ein Zeichen dafür, wie die Welt aus den Fugen gerät, wenn die klassischen Geschlechterrollen sich ändern.

Zahlreiche Prominente aus aller Welt haben nun eine mehr oder weniger seriöse Meinung dazu, ob es sich bei diesem Achtelfinale geschlechtsspezifisch betrachtet um einen fairen Kampf gehandelt hat oder nicht, und natürlich durfte auch Donald Trump nicht fehlen. In der Aufregung ging ein wenig unter, dass die Unterlegene sich von der Geschlechterdebatte ausdrücklich distanziert. „Wenn sie nach Meinung des IOC kämpfen darf, respektiere ich diese Entscheidung“, sagte Carini der Gazzetta dello Sport. „Diese Kontroversen haben mich auf jeden Fall traurig gemacht, und es tut mir leid für die Gegnerin, die auch nur hier ist, um zu kämpfen.“

Carini hat die Debatte zunächst allerdings selbst befeuert, weil sie nach dem Kampf den üblichen Handschlag verweigert hatte und noch im Ring „Non è giusto. Fa malissimo“ gerufen hatte: „Das ist nicht fair. Es tut furchtbar weh.“ Dies sei jedoch ein Missverständnis gewesen, sagt Carini jetzt, es habe sich nicht auf die Gegnerin bezogen, sondern darauf, dass ihr Traum so schnell zu Ende gegangen sei. Der zweite Schlag von Khelif sei für sie wie ein Schock gewesen. Auch der verweigerte Handschlag sei keine absichtliche Geste gewesen: „Ich entschuldige mich bei ihr und bei allen. Ich habe nichts gegen Khelif. Wenn ich sie noch einmal treffen würde, würde ich sie umarmen.“

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