Olympia:Bogenschützin Lisa Unruh lacht über Silber

Archery - Olympics: Day 6

Zweiter Platz? Ein Grund zu feiern für Lisa Unruh. Die Bogenschützin hatte das Finale sensationell erreicht.

(Foto: Jewel Samad/AFP)

Lächelnd unterliegt Lisa Unruh im Finale des Bogenschießens. Dann verteidigt sie ihre Disziplin: "Ich fand das vom ersten Schuss an megageil."

Von Jürgen Schmieder

Schon vor dem Finale im Bogenschießen gegen die Südkoreanerin Chang Hyejin stand Lisa Unruh auf der Schießanlage im Sambodromo in Rio und grinste. Es braucht bei dieser Disziplin neben Athletik auch Konzentration und Körperspannung, weshalb die Athleten während eines Wettbewerbs eher ernst dreinblicken. Unruh allerdings sah so aus, als hätte ihr jemand die Mundwinkel an den Ohren festgetackert. Während des Finales - sie verlor 26:27, 28:26, 26:27, 27:28 -, blickte sie ein paar Minuten lang konzentriert, dann jedoch grinste sie gleich wieder.

Es werden bei Olympischen Spielen immer wieder mal tiefenpsychologische Theorien aufgestellt. Derzeit geistert mal wieder eine 20 Jahre alte Studie der Kellogg School of Management durchs Internet, derzufolge die Bronzemedaille einen Athleten glücklicher mache als jene in Silber.

Diese Studie, so ernst sie auch sein mag, erinnert an den Sketch des Komikers Jerry Seinfeld: "Ich würde bei Olympia lieber Letzter als Zweiter werden. Der Erste, klar, der ist der Beste. Bronze? Okay, wenigstens eine Medaille. Aber Silber? Hey cool - keiner hat besser verloren als Du. Von allen Verlierern warst Du der Beste. Das ist doch furchtbar!"

Unruh, 28, hatte in diesem hochklassigen und spannenden Finale keineswegs Gold verloren, sie hatte bereits zuvor Silber gewonnen - es war die erste Einzelmedaille bei Olympia in der Geschichte der deutschen Bogenschützen. Unruh hatte im Viertelfinale die favorisierte Tan Ya-Ting (Taiwan) im Stechen besiegt und danach das Halbfinale gegen Alejandra Valencia (Mexiko) gewonnen.

Das Wichtigste zu Olympia 2016 in Rio

"Da treffen auch die, die sonst nichts treffen."

"Das hätte ich mir nicht träumen lassen. Das ist der größte Moment in meinem Leben", sagte Unruh nach der Siegerehrung. Dann blickte sie auf ihre Medaille und schüttelte den Kopf: "Mein Ziel war es, unter die Top Ten zu kommen. Es ist der Wahnsinn, was jetzt hier los ist."

Für all jene, die nun anmerken möchten, dass Unruh doch im März Weltmeisterin in der Halle geworden sei, liefert die Schützin selbst die Antwort: "Natürlich habe ich mich darüber gefreut, aber das ist eigentlich eine komplett andere Disziplin. Da treffen auch die, die sonst nichts treffen." Außerdem fehlten bei der WM - es wird aus 18 statt aus 70 Metern geschossen - die prägenden Athleten aus Südkorea, die diese 5000 Jahre alte Sportart dominieren. Der Kampf um einen Platz im Nationalteam Südkoreas gilt als qualitativ hochwertiger als eine WM ohne Südkorea.

Gar kein richtiger Sport?

Bei Olympia waren die Südkoreanerinnen dabei, Unruh schaffte dennoch die Silbermedaille. "Ich habe viele starke Schüsse gemacht, vor allem in den richtigen Momenten haben die alle gesessen", sagte Unruh, die zur Sportfördergruppe der Bundespolizei gehört. Sie kam als Kind über Schwimmen und Volleyball zum Bogenschießen. "Ich fand das eigentlich vom ersten Schuss an megageil", sagt sie: "Die meisten, die das noch nie gemacht haben, denken, das ist gar kein richtiger Sport."

Sie hofft nun, dass ihr Erfolg auch in der Heimat wahrgenommen wird: "Ich hoffe, dass jetzt viele Kinder mit dem Bogenschießen anfangen." Bundestrainer Oliver Haidn denkt gar einen Schritt weiter, schließlich mussten sich die Olympia-Teilnehmer im türkischen Belek vorbereiten: "Damit wir auf Dauer mit den Besten der Welt mithalten können, benötigen wir ein Zentrum mit einer 70-Meter-Schießhalle sowie einem Bogenschießplatz im Freien direkt daneben."

Das sind Forderungen, die sich umso leichter stellen lassen, wenn eine Athletin gerade die Silbermedaille gewonnen hat. Und um noch einmal zurück zu kommen zur Studie über Silber Bronze und die Freude darüber: Es gibt einen anderen Komiker, der wunderbar beschreibt, was die Athleten in Rio eigentlich leisten. Im amerikanischen Fernsehen sagte Bill Murray kürzlich: "Damit wir das besser einschätzen können, sollte an jedem olympischen Wettkampf ein Durchschnittsbürger teilnehmen."

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