Immer wenn irgendwo Olympische Spiele stattfinden, bauen sich die Deutschen dort ein Stück Heimat nach: das "Deutsche Haus". Es wird Deutsch gesprochen, es läuft deutsches Fernsehen, und abends gibt es deutsche Partys, bei denen man am liebsten unter sich bleibt. Andere Länder haben ihre Sportler in London im Main Press Centre aufs Podium gesetzt, was sie dort sagten, wurde in verschiedene Sprachen übersetzt. Die Deutschen setzten ihre Medaillengewinner immer um neun Uhr morgens ins Deutsche Haus.
Sie haben ihre Zielvereinbarung erfüllt, immerhin: die deutschen Hockeyspieler, am Samstagabend 2:1-Sieger im Finale gegen die Niederlande.
(Foto: AFP)Das hatte womöglich mit Piefigkeit zu tun. Richtig ist aber auch, dass die Deutschen in London keine Athleten dabeihatten, die das Publikum auf der ganzen Welt faszinieren. Selbst der Tischtennis-Spieler Timo Boll, die Schwimmerin Britta Steffen, der Turner Fabian Hambüchen sind eher Nischen-Berühmtheiten. Die Deutschen haben keinen Michael Phelps, keinen Usain Bolt, keinen Roger Federer.
Der deutsche Sport schöpft seine Kraft aus der Vielfalt. Das wiederum ist am letzten Olympia-Wochenende noch einmal deutlich geworden im Deutschen Haus. Auf dem Podium saßen da: die Leichtathleten Björn Otto und Raphael Holzdeppe, die Silber und Bronze gewonnen hatten im Stabhochsprung.
Die Hammerwerferin Betty Heidler und die Taekwondo-Kämpferin Helena Fromm, beide mit einer Bronzemedaille dekoriert. Und der Marathonschwimmer Thomas Lurz, der in einem See im Hydepark, den er "Entenklo" getauft hatte, zu Silber gekrault war. Springen, Werfen, Kämpfen, Schwimmen: Die Deutschen hatten in London mit verschiedenen Talenten Erfolg.
"Glänzender Auftritt", "Erwartungen übertroffen" - so lautete dann auch das offizielle Fazit der deutschen Olympia-Mission. Es wurde (im Deutschen Haus) von drei Männern des Deutschen Olympischen Sportbunds (DOSB) gezogen, die aus folkloristischen Gründen in weißen Trainingsanzügen steckten: Präsident Thomas Bach, Generalsekretär Michael Vesper und Leistungssport-Direktor Bernhard Schwank.
Und selbst wenn man es befremdlich finden kann, mit welchem bürokratischen Eifer der Sport seine Erfolge in Medaillen aufwiegt und dabei jene vergisst, die unglückliche Vierte oder zufriedene Zwölfte werden: Dem Tenor war schwerlich zu widersprechen. Der deutsche Sport hat in London ein bemerkenswertes Bild abgegeben.
Er hat seine Sieger nicht nur am Rande des Olympia-Betriebs hervorgebracht. Sondern auch im Diskuswurf, im Beachvolleyball, im Hockey, mit dem Deutschland-Achter. Er hat seine Medaillen in zwölf verschiedenen Disziplinen errungen, eine solche Vielfalt hat nicht einmal der chinesische Staatssport erreicht. Es wurden zwar weniger goldene, insgesamt aber sogar mehr Medaillen gewonnen als vor vier Jahren in Peking. Aber trotzdem hat der deutsche Sport jetzt diese Debatte am Hals, in der es um Scheitern und das Verfehlen von Zielen geht. Das wiederum hat er sich selbst zuzuschreiben.