Biathlon:Im Himmel von Zhangjiakou

Biathlon: "Das ist so schön, dass Sport solche Emotionen rüberbringen kann." - Denise Herrmann nach ihrem Sieg.

"Das ist so schön, dass Sport solche Emotionen rüberbringen kann." - Denise Herrmann nach ihrem Sieg.

(Foto: Patrick Steiner/GEPA pictures/imago)

Olympiasiegerin Denise Herrmann hat einige Tiefpunkte erlebt, auch und gerade in diesem Winter. Doch nach ihrem vergoldeten Wettkampf rührt sie weniger der Erfolg an sich.

Von Saskia Aleythe, Zhangjiakou

Mit Lichtern ist man weniger allein, jedenfalls kann es sich so anfühlen. Kilometerweit sind die Bäume geschmückt mit Lichterketten, auch die Zäune haben leuchtende Deko abbekommen in Zhangjiakou. Dienstagabend, 20.24 Uhr in der olympischen Blase, die Siegerehrung von Denise Herrmann steht an. Die Medal Plaza ist weitläufig, eine riesige Bühne haben sie hergerichtet für die Athleten, sie sieht aus wie ein Eistunnel. Guckt man auf die Bühne, sieht man Herrmann, die Goldgewinnerin im Einzel, sie wirkt winzig im Vergleich zur blauen Kulisse. Später, als die Goldmedaille schon um ihren Hals hängt, da sagt sie, wie das war dort oben: "Es kommt einem vor, als wäre man im Himmel."

Der Himmel von Zhangjiakou hat Herrmann verschluckt und mit tiefer Zufriedenheit erfüllt, er ließ die kahlen Flecken vor der Tribüne verschwinden. Ein paar Menschengruppen standen da, Volunteers mit Klappern und Leuchtstäben, viele Fotografen - und vor allem: die Teamkollegen. Sie jubelten ihr zu, und Herrmann war ganz beseelt. "Was das mit dir macht, wenn du auf dieser Medal Plaza stehst...", sagte sie und fand dann doch gar keine Worte. Sie hat die vergangenen Stunden nochmal Revue passieren lassen, und was sie am meisten gerührt hat, das waren die anderen: "Wie viele Menschen sich mitfreuen. Das ist so schön, dass Sport solche Emotionen rüberbringen kann."

Herrmann spürt das jetzt umso intensiver, weil sie in dieser Saison zuletzt oft weit weg war von einem Rennen, nachdem sie sagen konnte: Jetzt hat alles gepasst. Unter die besten 15 hatte sie es zuletzt Mitte Dezember geschafft, die Ergebnisse abseits der Staffeln danach: 38, 26, 41, 24, 23. Am Schießstand hätte Herrmann manchmal verzweifeln können, sie schoss sechs Fehler in der Verfolgung von Annecy, acht sogar in der von Oberhof. "Wenn die Erfolgserlebnisse ausbleiben, nagt es schon irgendwann an der Psyche", sagte sie nun. Sie übte sich in Geduld, wollte nichts erzwingen. Freunde und Familie sprachen ihr Mut zu. "Aber das ist trotzdem nicht jeden Tag einfach", sagte Hermann, "da sind auch mal ein paar Tränen gekullert, auch wenn ich da nicht so der emotionale Typ bin."

Sie habe einen Flow gespürt, sagte Herrmann, der durch das ganze Team gegangen sei

Über Weihnachten ist sie wieder ins Höhentrainingslager nach Davos in der Schweiz gegangen, das ist fast schon Tradition. "Ich bin jemand, der reagiert sehr krass auf Höhe", sagte Herrmann, schon als Langläuferin machten ihr Wettkämpfe in höheren Gefilden Probleme, "deswegen muss ich mich mit dem Thema befassen". In Zhangjiakou hatte sie in den ersten Tagen noch schwere Beine, die Probleme waren dann aber im Einzel verflogen.

Sie trugen sie noch durch einen langen Abend, ein bisschen gefeiert wurde dann schon im olympischen Dorf. In der Unterkunft bescherten ihr die Kollegen Konfettiregen. Jeder, der sie erreichte, drückte und beglückwünschte sie. Sie habe einen Flow gespürt, sagte Herrmann, der durch das ganze Team gegangen sei: "Man hat gemerkt, das ist irgendwie ein Befreiungsschlag."

Biathlon: Gold gab es für die beste Athletin im Einzel, doch Denise Herrmann hatte etliche Teamkollegen, mit denen sie ihre Freude teilen konnte.

Gold gab es für die beste Athletin im Einzel, doch Denise Herrmann hatte etliche Teamkollegen, mit denen sie ihre Freude teilen konnte.

(Foto: Ben Stansall/AFP)

Und klar, nun ist schon die Hoffnung da: Dass das jetzt erst der Anfang war von "richtig coolen Spielen", am Freitag steht mit dem Sprint das nächste Rennen an. Es war ja nicht nur Herrmanns überraschender Triumph, der die Truppe begeisterte. Es war auch der vierte Platz der Olympia-Debütantin Vanessa Voigt, die Steigerung von Vanessa Hinz mit Rang 14, und auch Franziska Preuß musste mit Platz 25 nach acht Wochen Pause - und einer Corona-Erkrankung - nicht verzweifeln.

Eine unruhige Nacht hatte Herrmann erlebt nach ihrem Goldlauf, "ich war sehr aufgewühlt, aber schon mit positiven Emotionen", sagte sie. Wie einige andere deutsche Sportler haben die Biathleten eigene Matratzen mit zu den Spielen gebracht, "ich habe eine schöne Koje", sagte Herrmann. Schlaf ist in den vergangenen Jahren immer wichtiger geworden für die Regeneration der 33-Jährigen, es geht ja doch nicht mehr alles so reibungslos wie früher.

Olympische Gefühle sind trotz allem da

Für Herrmann sind es schon die dritten Olympischen Spiele, die zweiten als Biathletin. Sie kennt das besondere Erlebnis, wenn alle zusammenkommen im olympischen Dorf, aus Sotschi 2014 und aus Pyeongchang vor vier Jahren. In Südkorea hatten sie zu Beginn der Spiele den Sprint-Olympiasieg von Laura Dahlmeier begossen, im deutschen Haus mit Bühne, Musik, gutem Essen. Auch wenn die Möglichkeiten in Zhangjiakou eingeschränkt sind, genießt Herrmann die Zeit. Olympische Gefühle sind trotz allem da. "Wenn man durchs Dorf läuft, alle schauen und wissen, was passiert ist - das ist schon genau, was Olympia ausmacht", sagte sie.

Herrmann hat schon einige Zeremonien erlebt, mit Menschenmassen bei der WM in Antholz, in kuscheliger Kulisse in Östersund und auch in Sotschi, nach Olympia-Bronze mit der Langlauf-Staffel. "Klar, in Sotschi waren ein paar mehr Zuschauer", sagt sie nun, aber die ganzen Vergleiche sind jetzt egal, auch die Kulisse. Weltmeisterin war sie schon, Olympiasiegerin ist sie zum ersten Mal geworden, das übertrifft alles, "das bleibt dir für immer".

Als sie aufgerufen wurde als "Olympic Champion", da guckte sie noch einmal ungläubig zu Anaïs Chevalier-Bouchet, der Silbergewinnerin. Meinen die wirklich mich? Hermann hatte sich die Nägel passend zur Medaille lackiert, sah dann, wie die Flagge gehisst wurde, am Horizont leuchteten die olympischen Ringe. "Das war schon wirklich der krönende Moment der Karriere", sagte sie später, "wenn die Hymne dann für dich ertönt, das ist brutal, da kriegst du Gänsehaut. Das ist genau dieser Moment, wofür sich die ganz Arbeit dann auch lohnt." Und das war erst der Start in diese Spiele.

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