Süddeutsche Zeitung

Olympische Spiele:Das Olympia-Fieber könnte gefährlich werden

Die Freude an einer Olympia-Bewerbung steigt an manchen Orten in Deutschland. Doch die Skepsis der Bevölkerung bleibt groß.

Kommentar von Johannes Aumüller

Es gibt einige Orte in Deutschland, an denen das Olympia-Bewerbungs-Fieber schon wieder ausgebrochen ist. In einem Städteverbund an Rhein und Ruhr ist das schon länger (und vergleichsweise systematisch) der Fall. In Berlin flackert das Fieber immer mal wieder auf, wenngleich noch ohne konkretes Konzept. Und auch Thomas Bach, der Chef des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), erklärte schon, wie schön er eine Kandidatur aus seinem Heimatland fände; vor Wochenfrist war das etwa ein Thema, als Bach bei einer Präsidiumssitzung des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) weilte.

Also dann: auf eine baldige deutsche Olympia-Bewerbung?

Nun, derzeit eher nicht - und besser nicht. Denn maßgeblich für solche Vorhaben ist heutzutage nun mal die Frage, ob auch die Bevölkerung es goutiert. Und da sieht es ziemlich schwierig aus. Schon die beiden letzten deutschen Bewerbungen (München 2022, Hamburg 2024) wurden durch Referenden gestoppt. Die Skepsis war groß ob des krummen Gebarens des IOC und der hohen Kosten, die Olympische Spiele mit sich bringen. Eine umfassende Analyse über die Gründe für das doppelte Scheitern aber blieb bisher aus. Und grundsätzliche Veränderungen im Gebaren der Sportpolitik sind nicht auszumachen.

Das IOC redet zwar gerne von angeblichen Verbesserungen, aber tatsächlich ist es so, dass Olympia weiter als ein Synonym für Gigantismus daherkommt. Zudem untersuchen diverse Behörden die beiden jüngsten Sommer-Vergaben (Rio 2016, Tokio 2020) wegen des Verdachts auf Stimmenkauf. Die nationalen Sportfunktionäre wiederum mussten kürzlich in einer Studie der Technischen Hochschule Köln über sich lesen, dass nur 27 Prozent der Bürger an ihre Integrität glauben. Bei solchen Rahmenbedingungen wird es schwierig, ein neues Olympia-Referendum durchzubekommen, egal mit welcher Stadt, mit welchem Konzept und für welches Jahr.

Entsprechend zurückhaltend ist die Bundespolitik derzeit bei diesem Thema. Und auch dem DOSB scheint diese Skepsis klarer zu sein als manch anderem Akteur in der sportpolitischen Landschaft. Zwar rutscht dem DOSB-Präsidenten Alfons Hörmann schon mal heraus, dass er hinter die Vision von Spielen in Deutschland "drei Ausrufezeichen" setze. Aber insgesamt wirkt der Dachverband bisher nicht als Treiber. Ihm dürfte die letzte Pleite noch hinreichend nachhängen, und er hat gerade auch andere interne Baustellen.

Doch schon jetzt sollten alle Beteiligten aufpassen, dass sich die Olympia-Befürworter nicht auf einen besonders schlammigen Pfad begeben. Denn eine Möglichkeit gäbe es natürlich, wie sich ein Nein in einem Referendum verhindern ließe - indem es schlicht kein Referendum mehr gibt. Der Altkanzler und Berlin-Unterstützer Gerhard Schröder erklärte bereits, dass dies der sinnigere Weg sei. Und von Michael Mronz, dem Vertreter der Rhein-Ruhr-Initiative, oder vom IOC-Chef Bach kam zuletzt bei Interview-Fragen nach der Notwendigkeit von Referenden in diesem Zusammenhang auch kein klares Ja, sondern der Verweis auf andere Stellen. So ließe sich olympisches Fieber natürlich auch durchsetzen. Es wäre ein gefährliches Fieber.

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Quelle:
SZ vom 17.04.2019/jki
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