Gold für US-Beachvolleyballerinnen:Das A-Team hat sich gefunden

April Ross, Alix Klineman

Ein wenig Schatten spendet die US-Flagge in der Hitze von Tokio: April Ross (li.) und Alix Klineman feiern ihren Olympiasieg.

(Foto: Felipe Dana/AP)

Im Beachvolleyball ist die Partnerwahl bisweilen flüchtig wie unter Teenagern. April Ross und Alix Klineman aber haben ihre Beziehung vergoldet. Ihre Geschichte begann nicht im Sand, sondern auf einem Country-Festival.

Von Jürgen Schmieder

Und dann, als der Olympiasieg feststand, fielen sich April Ross und Alix Klineman doch in die Arme. Während des olympischen Endspiels im Beachvolleyball gegen Taliqua Clancy und Mariafe Artacho del Solar (Australien) waren sich die beiden Amerikanerinnen nach Punkten begegnet wie zwei Damen beim Opernball: vorsichtige Annäherung, minimale Berührung mit beiden Händen, angetäuschtes Küsschen. Es war unfassbar heiß in Tokio, 34 Grad in der Luft und 49 im Sand, da schmerzt jeder noch so winzige Stupser auf der Haut. Also tanzten die beiden vorsichtig umeinander, bis es 21:15, 21:16 für die Kalifornierinnen stand - und es könnte kein besseres Symbol dafür geben, wie die beiden zueinandergefunden haben.

Ross hatte bereits zwei olympische Medaillen gewonnen: Silber 2012 in London mit Jennifer Kessy und Bronze vor fünf Jahren in Rio mit Kerri Walsh Jennings. Die beendete danach ihre Olympia-Karriere, Ross brauchte eine neue Partnerin. "Es war eine gezielte Suche", sagte Ross schon vor den Spielen. Den Partner beim Beachvolleyball zu finden, vergleichen sie am Strand in Kalifornien bisweilen mit Teenager-Verabredungen: Man ist schwer verliebt und denkt, eine Seelenverwandte gefunden zu haben, eine Begleiterin fürs Leben; und dann ist alles nach ein paar Wochen schon wieder vorbei. "Es ist tatsächlich wie in der Highschool", sagt Phil Dalhausser, Olympiasieger 2008 in Peking und heuer im Alter von 41 Jahren noch einmal im Achtelfinale: "Man hält immer Ausschau, ob es nicht doch noch jemanden gibt, der besser zu einem passt. Es gibt ja genügend Leute hier am Strand in Kalifornien; es geht zu wie beim Abschlussball."

Ross, 39, hatte keine Lust auf teenagerhafte Flüchtigkeit, sie suchte eine Partnerin, mit der sie sich auf Olympia in Tokio vorbereiten konnte. Was Langfristiges also, und es war dann so, dass sie diese Partnerin nicht im Sand fand, sondern auf dem Country-Festival "Stagecoach". Klineman, 31, hatte ihre Indoor-Volleyball-Karriere beendet und war auf der Suche nach einer Partnerin für den Strand. Das ist nicht einfach, denn auf diesem Niveau Halle mit Beach zu vergleichen ist in etwa so, als würde man sagen, dass ein formidabler Feldhockeyspieler locker den Stanley Cup in der Eishockey-Liga NHL gewinnen könnte. Und wer ist derart verrückt, auf der Jagd nach dem Olympiasieg ein Team zu bilden mit einer, die noch nie ein Profiturnier im Sand gespielt hatte? Ein gemeinsamer Bekannter stellte die beiden auf dem Festival einander vor, und sie beschnupperten sich erst einmal wie schüchterne Teenager.

Klineman und Ross verlieren nur einen Satz während des Turniers

"Ich habe gesehen, wie gut sie ist - und ich wusste, dass es ansonsten nur bergauf gehen kann", sagte Ross nach dem Finale. "Sie hat sich den Hintern aufgerissen, sie hat alles gelernt, was es zu lernen gab." Stimmt schon: Es gibt einen Radweg in Kalifornien, der führt am Strand von Redondo Beach bis nach Malibu, und man kann während der Fahrt den Beachvolleyball-Profis beim Training zusehen. Wer um sechs Uhr morgens in Hermosa Beach radelte, der sah Klineman im Sand; und wer zum Sonnenuntergang gegen acht Uhr abends noch einmal vorbeikam, der sah: Die ist immer noch oder schon wieder da, und hatte sie nicht am Nachmittag auch gespielt? Nun, Klineman lebt ein paar Schritte vom Sand entfernt, sie kann deshalb jederzeit zum Arbeitsplatz - und genau das wollte Ross: eine, die vier Jahre lang nur an dieses eine Ziel denkt.

Beach Volleyball - Olympics: Day 14

Einmal nett lächeln, bitte: Die Australierinnen (Silber), die Schweizerinnen (Bronze) und das US-Team posieren zusammen.

(Foto: Sean M. Haffey/Getty Images)

Es klappte schnell zwischen den beiden; sie gewannen 40 Prozent der Turniere, an denen sie teilnahmen, aber nur Silber bei der WM 2019 in Hamburg. Das führte zu noch mehr Training, bis die zwei derart gut harmonierten, wie es nun bei Olympia zu bestaunen war: Das "A-Team" (wegen der Vornamen Alix und April - zum Finale schickte der Schauspieler Mr. T, der in der unvergessenen Serie mitgewirkt hatte, einen Gruß) verlor im kompletten Turnier nur einen Satz; auf dem Weg ins Endspiel besiegten sie das deutsche Duo Laura Ludwig/Maggie Kozuch, im Halbfinale die Schweizerinnen Anouk Vergé-Dépré/Joana Heidrich.

Ross liebäugelt mit einem Start 2024 in Paris. Sie wäre dann 42 Jahre alt.

Im Finale ging es dann gegen die beiden Angstgegnerinnen aus Australien, und die hatten sich eine verblüffende Variante ausgedacht. Sie servierten auf die größere Klineman, was die anderen Gegnerinnen vermieden hatten, weil das zur Stärke der Amerikanerinnen führt: Klineman auf Ross, die legt auf für ihre Partnerin, und die prügelt den Ball übers Netz oder tupft ihn präzise über den Block. Dieser Trick der Australierinnen ging kolossal daneben, sie gewannen kaum einen Punkt bei eigenem Aufschlag. Stattdessen zeigten die Kalifornierinnen, warum sie so gut zusammenpassen: Ross ist eine gefährliche Aufschlägerin, im Finale schaffte sie vier Asse und setzte die Australierinnen immer wieder mit Eröffnungen von bis zu 72 km/h unter Druck. Klineman, eine der besten Blockspielerinnen, wartete da schon am Netz und positionierte sich für das Rückspiel.

"Wir wussten, dass dieses Spiel über Punkte bei eigenem Aufschlag entschieden wird", sagte Ross: "Wir haben da viel riskiert, aber es hat sich gelohnt - wie übrigens all die Opfer, die wir in den vergangenen vier Jahren gebracht haben." Nach Silber und Bronze hat Ross nun endlich auch diese olympische Goldmedaille gewonnen. Manchmal, da trifft man beim Teenager-Tanz doch den Partner fürs Leben. Ross hatte während Olympia gesagt, sie könne sich vorstellen, in Paris noch einmal anzutreten - sind ja nur drei Jahre, und sie wäre dann, wie sie scherzte, auch erst 42 Jahre alt. Sie würde nur mit Alix Klineman spielen wollen, sagte sie, und die nickte freudig. Dann verließen sie das Stadion in Tokio, Arm in Arm übrigens, eingehüllt in eine US-Flagge, bei immer noch 33 Grad.

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