Basketball bei Olympia:Blech statt Bronze

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Physisch und nervig: Die Serben, hier Nikola Jokic (l.) gegen Moritz Wagner, setzten sich gegen Deutschland durch. (Foto: Evelyn Hockstein/Reuters)

Die deutschen Basketballer verlieren das Spiel um Platz drei – ausgerechnet gegen Serbien, das sie vor einem Jahr im WM-Finale besiegten. Danach herrscht melancholische Abschiedsstimmung, denn alle wissen, dass nun eine erfolgreiche Ära zu Ende ist.

Von Sebastian Winter, Paris

„Dennissssse Schruuuuudaaah“, rief der Hallensprecher, als die deutschen Basketballer in der Bercy-Arena vorgestellt wurden. Samstagmorgen, 11 Uhr, eine ungewohnte Zeit für ein Duell um Bronze. Aber der Mannschaft um NBA-Spieler Dennis Schröder, den der Hallensprecher mit feinstem französischen Akzent ankündigte, war das herzlich egal. Serbien, das sie vor einem Jahr im WM-Finale in Manila besiegten, würden sie auch zur Brunch-Zeit vor 12 406 Zuschauern verspeisen – oder nicht?

Etwas mehr als zwei Stunden später saßen dann zwei sehr traurige Gestalten auf einem Podium tief im Herzen der Arena. Die Mundwinkel von Coach Gordon Herbert zeigten Richtung Boden, der Blick völlig leer, er rang sichtlich um Fassung. „Ich bin traurig, weil jetzt eine Ära zu Ende gegangen ist“, sagte Herbert. Und Schröder wirkte wie ein kleiner Junge, der in den Achtzigern im Tante-Emma-Laden vor dem riesigen Bonbon-Glas steht, allerdings ohne Groschen in der Tasche: „Unser Herz ist gebrochen. Manchmal kann man nicht alles bekommen, was man sich wünscht.“

Ein melancholischer Heimatfilm wurde da aufgeführt an diesem Samstag in Paris-Bercy, aber einer ohne Happy End. Die Deutschen ernteten Blech, nachdem sie nach der Halbfinal-Niederlage gegen Frankreich nun auch Serbien mit 83:93 unterlagen. Herberts Plan aber lautete, nach EM-Bronze 2022 und WM-Gold 2023 nun auch bei den Olympischen Spielen eine Medaille zu gewinnen. „Alle haben ihn für verrückt erklärt“, sagte Johannes Voigtmann: „Und jetzt waren wir hier ganz kurz davor, diese Ziele zu erreichen.“

Sie hätten sie erreichen können– bis diese deutsche Mannschaft im Halbfinale nach vier Minuten ihre Linie verlor. Gegen Serbien fand das Team sie auch nicht mehr, wirkte weiterhin seltsam gehemmt, wieder zu schwach in der Defense, zu viele der Würfe landeten nicht im Korb. Schröder beispielsweise traf nur einen seiner fünf Zwei-Punkte-Würfe aus dem Feld – und übte Selbstkritik: „Ich hätte auch besser spielen, mehr Energie reinstecken können.“

Wer 30 Punkte im ersten Viertel hinnehmen muss, der hat es in der Defense schlichtweg verschlafen

Das Spiel begann aus Sicht der Deutschen schon nicht gut, Bogdan Bogdanovic traf gleich mal einen Dreier und setzte damit den Ton, über 8:13 und 18:24 landeten die Deutschen mit einem 21:30-Rückstand in der Viertelpause. Wer 30 Punkte im ersten Viertel hinnehmen muss, der hat es in der Defense schlichtweg verschlafen. „Wir haben nicht gut genug verteidigt, dann hast du keine Chance. Sie haben auch defensiv sehr gut gespielt, waren sehr physisch, haben uns genervt“, sagte Voigtmann.

Kleine Schlüsselszenen, später dann: Kurz vor der Halbzeit, Franz Wagner kriegt einen einfachen Korbleger nicht ins Netz, Rebound Deutschland, doch Andreas Obsts Dreier verpasst auch das Ziel. Wieder Rebound Deutschland, Franz Wagners Dreier trifft wieder den Ring – Rebound Serbien. Symptomatisch war das. Oder: 45:61 im dritten Viertel, Fehlpass Schröder, Fastbreak Serbien, Ognjen Dobric trifft den Dreier. Auszeit Deutschland.

Am Ende war neben der Defense und der verlorenen Resilienz die schwache Wurfquote aus dem Feld ausschlaggebend, die 18 und 16 Punkte von Franz und Moritz Wagner reichten nicht. Schröder gelangen 13, Daniel Theis hatte einen schwarzen Morgen. Gegen Serbien, das in Nikola Jokic einen dreimaligen NBA-MVP im Team hat (2023 in Manila war er nicht dabei, wie auch Vasilije Micic, der nun 19 Punkte erzielte), war das einfach zu wenig. Jokic erzielte gar ein Triple-Double aus 19 Punkten, zwölf Rebounds und elf Assists.

So ging die Partie dahin für die Deutschen, Isaac Bonga und Nick Weiler-Babb brachten noch mal frischen Wind, zusammen mit Moritz Wagner, doch Coach Herbert hatte sie ziemlich spät eingewechselt – Schröder hätte ebenfalls eine frühere Pause gutgetan. Auch die kleine Aufholjagd am Ende wurde jäh von Serbien gestoppt. An der Seitenlinie des Bronze-Gewinners, auch eine nette Pointe: Der alte Bundestrainer Svetislav Pesic, der die Deutschen als Coach 1993 sensationell zum EM-Titel geführt hat – und nun die goldene Gordon-Herbert-Ära auf schmerzhafte Weise beendete.

Die Mannschaft wird sich nun in alle Winde zerstreuen

13 Turnierspiele hatten die Deutschen in Serie gewonnen, bis zum Olympia-Halbfinale. Nun steckte nur noch Frust in ihnen. Frage an Andreas Obst, den Dreierschützen, woran es gelegen habe? „Weiß ich nicht, keine Ahnung.“ Pläne fürs Wochenende? „Keine Ahnung.“ Was sollte er auch sagen?

Die Mannschaft wird sich nun in alle Winde zerstreuen, Schröder, die Wagners und Theis gehen zurück in die NBA, Herbert schließt sich Bayern München an, jenem Klub, bei dem Obst unter Vertrag steht.

Aber, man darf das ruhig auch noch mal betonen: Platz sieben im Jahr 1992 in Barcelona war ihr bislang bestes Olympia-Ergebnis. 2008 in Peking schieden sie – mit Dirk Nowitzki, der am Samstag natürlich wieder das Erste-Reihe-Maskottchen gab in Bercy – in der Vorrunde aus, unter anderem mit einem 57:106 gegen die USA. 2012 in London und 2016 in Rio waren sie gar nicht dabei. Erst 2021 in Tokio gab es wieder einen leichten Aufschwung, in ihrem ersten Olympia-Viertelfinale seit 29 Jahren verloren sie gegen Slowenien.

Sie haben dann in den vergangenen drei Jahren eine Basketball-Euphorie entfacht im Land, wie es sie 1993 nach dem EM-Titel bei Weitem nicht gab. Und, wie Voigtmann sagte, der wie manch andere wohl aufhören wird in der DBB-Auswahl: „Wir haben viele Spieler, die 13, 14, 15, 16, 17, 18 sind, die nachkommen. Es kommt ein neuer Coach, es wird weitergehen.“ Die U18 wurde kürzlich Europameister.

Emotionaler Abschied: Trainer Gordon Herbert geht zum FC Bayern. (Foto: Damien Meyer/AFP)

Zurück also aufs Podium, zu Gordon Herbert und Dennis Schröder. Sätze klangen da durch, wie erwähnt wie geschaffen für einen Heimatfilm. Sie seien eine Familie gewesen, keine Egos in der Kabine, einer für alle, alle für einen: für den Trainer. „Ich möchte mich bei Coach Herbert bedanken, er hat ein Umfeld der Freude geschaffen“, sagte Schröder, der übrigens betonte, weiterspielen zu wollen in dieser Mannschaft, bis er 40 sei: „Ich habe noch nie in so einem Umfeld gespielt.“

Für den neuen Trainer werde es schwierig sein, in Herberts Fußstapfen zu treten, betonte Schröder noch, „ich hoffe, dass wir einen bekommen, der so ist wie Gordie“. Ob diese Aussage klug war? Sie setzt die Messlatte jedenfalls schon mal ziemlich hoch.

Herbert darf das alles nun egal sein, er wird künftig als Vereinstrainer in München arbeiten. Aber eines wollte er noch loswerden, bezüglich dieses verflixten Halbfinales gegen Frankreich: „Dieses Spiel hat uns in den Arsch gebissen.“

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