Alexander Zverev winkte mit bitterer Miene noch einmal halbherzig ins Publikum und verschwand in den Gängen der Tennisanlage von Roland Garros. Der Traum vom zweiten Gold endete für den Tokio-Olympiasieger bereits im Viertelfinale in Paris. Einen Tag nach der dramatischen Niederlage von Angelique Kerber steht somit fest: Das deutsche Tennisteam bleibt erstmals seit 2012 ohne Medaille.
Gegen den italienischen Wimbledon-Halbfinalisten Lorenzo Musetti verlor Zverev, 27, auf dem Court Suzanne-Lenglen, dem zweitgrößten Platz, 5:7, 5:7. „Wenn ich mich so fühle wie im Moment, dann kann ich so ein Turnier nicht gewinnen“, sagte er danach: „Ich habe mich die ganze Woche physisch nicht gut gefühlt. Ich fahre nach Hause, werde ein paar Tests machen. Ich hoffe, dass ich für die Amerika-Tour wieder fit bin.“ Die Situation sei „ärgerlich, wenn man weiß, dass die Olympischen Spiele alle vier Jahre stattfinden und man nicht zu 100 Prozent fit ist“.
Die Kraftlosigkeit, mit der sich Zverev durch die ganze Woche geschleppt hatte, kam nicht aus heiterem Himmel. „Ich habe schon beim Turnier in Hamburg gemerkt, dass etwas mit mir nicht stimmt, da wurde ich sehr schnell müde“, sagte er. „Normalerweise bin ich einer der physisch stärksten Spieler auf der Tour, das war ich hier definitiv nicht.“ Schon in der zweiten Runde gegen den Tschechen Tomas Machac habe er sich im zweiten Satz bei großer Hitze „scheußlich“ gefühlt: „Und heute bin ich schon Ende des ersten Satzes an diesem Punkt angekommen.“ Auf seinen Diabetes sei das nicht zurückzuführen: „Das ist eine andere Müdigkeit.“ Da half es Zverev sicher nicht, dass zwischen dem Ende seines Achtelfinals am Mittwochabend und dem Beginn seines Viertelfinals am Donnerstagmittag nur rund 18 Stunden lagen; die Ansetzung hatte er heftig kritisiert. Nach dem Match räumte er allerdings ein, dass ihm eine spätere Ansetzung vielleicht nur bedingt geholfen hätte: „Ich habe mich einfach nicht gut gefühlt.“
Zverevs Taktik – gradlinig, viel Druck – reichte gegen Musettis Zauberschläge nicht
Am Mittwochabend hatte Angelique Kerber im Alter von 36 Jahren ihre außergewöhnliche Tenniskarriere in Paris in einem hochklassigen Viertelfinale gegen Chinesin Zheng Quinwen beendet; 7:6 (4), 4:6, 6:7 (6) lautete ihr letztes Resultat auf einem Centre Court. Und die Chinesin nahm den Schwung gleich mit ins nächste Match und schlug am Donnerstag überraschend auch die Weltranglistenerste und Sandplatzspezialistin Iga Swiatek in deren Lieblingsstadion 6:2, 7:5.
Zverev hatte seine erste Medaillenchance im Mixed-Wettbewerb mit Laura Siegemund schon in der ersten Runde verspielt – er hatte nur noch im Einzel eine Chance. Am Donnerstag fand er nicht gut ins Spiel. Wie am Vorabend gegen den Australier Alexei Popyrin gab er früh im ersten Satz seinen Aufschlag ab. Ihm gelang der Ausgleich zum 5:5, nur verlor er anschließend gleich wieder sein Service-Spiel. Lorenzo Musetti zauberte mit dem Ball, und so war Durchgang eins nach 62 Minuten verloren. Es war Zverevs erster Satzverlust im vierten Match dieser Olympischen Spiele.
Musetti agierte zeitweise faszinierend, ihm gelangen grandiose Stopps und sagenhafte Rückhandschüsse. Zverev blieb bei seiner Taktik: gradlinig, mit viel Druck, aber weniger variabel. Das reicht gegen die meisten Gegner, an besten Tagen gegen alle, aber diesmal war es gegen Musetti in Hochform zu wenig. Zverevs Zuversicht steigerte sich im zweiten Durchgang, in einer Spielpause wedelte er sich mit dem Fächer einer Zuschauerin Luft zu. „Halt durch, Junge!“, brüllte ein Zuschauer in Richtung Zverev. Der zeigte den Daumen nach oben – doch nach 2:04 Stunden war für ihn Olympia 2024 endgültig beendet.