Olympia:500 Tickets für das Fußball-Finale, bitte

File photo of EOC President Hickey and IOC President Bach in Frankfurt

Tausend Tickets mehr hatte Pat Hickey (li.) von IOC-Präsident Thomas Bach angefordert.

(Foto: Kai Pfaffenbach/Reuters)

Vor seiner Festnahme hat IOC-Mitglied Pat Hickey in Nachrichten an Thomas Bach dreiste Kartenanfragen gestellt. Die Mails werfen Fragen an den deutschen Olympia-Boss auf.

Von Johannes Aumüller und Thomas Kistner

Im berüchtigten Hochsicherheitsgefängnis Bangu bei Rio de Janeiro durfte sich Pat Hickey bisher der Rückendeckung der Sportfamilie gewiss sein. Vor zwei Wochen hatte Brasiliens Polizei den irischen Multifunktionär, unter anderem Chef des heimischen olympischen Komitees (OCI) und Vorstand im Internationalen Olympischen Komitee (IOC), während der Sommerspiele festgenommen.

Die Behörden verdächtigen ihn, illegalen Tickethandel für die Rio-Spiele betrieben und eine kriminelle Vereinigung gebildet, womöglich gar angeführt zu haben. Um die 1000 Karten aus dem OCI-Kontingent soll er nebst anderen Billetts zu überteuerten Preisen weiterverkauft haben. Aber das IOC unter Führung des Deutschen Thomas Bach, zu dessen sportpolitischen Vertrauten Hickey zählt, gab sich gnädig. Es erfolgten keine Sanktionen. Stattdessen verwies es auf die Unschuldsvermutung.

Schon dieses Vorgehen erzeugte Kritik. Nun könnten Olympia-Boss Bach und das IOC durch die Hickey-Affäre selbst in die Bredouille geraten. Die brasilianische Polizei hatte bei der Verhaftung Hickeys am 17. August im Windsor Hotel Barra auch dessen Computer und Mobiltelefon sichergestellt. Danach wertete sie einen umfangreichen Mail-Verkehr des irischen Funktionärs aus - auch den mit Bach. In der Kommunikation zwischen den beiden sind neben vielen anderen auch zwei Nachrichten aus dem Sommer 2015 dokumentiert, in denen es ganz explizit um Ticketfragen geht.

In einer Mail bittet Hickey den IOC-Präsidenten um mehr Karten

So drängte Hickey, der seine olympischen Ämter momentan ruhen lässt, in einer Nachricht vom 12. Juli 2015 bei Bach auf ein Vieraugengespräch. Er wolle mit ihm die "Ticket ATR Situation" diskutieren, er glaube, die Situation steuere in eine Sackgasse. ATR steht für Authorised Ticket Reseller, es geht also um die vom olympischen Organisationskomitee (OK) legitimierten Kartenverkäufer.

Offizieller irischer ATR für die Spiele in Rio war die Firma Pro 10 Sports Management. Die Polizei hegt allerdings den Verdacht, dass Hickey gemeinsam mit der erst im Frühjahr 2015 gegründeten Pro 10 und der Gruppe THG Sports einen Schwarzhandel-Ring bildete. Alle bestreiten jegliches Fehlverhalten.

Im Sommer 2015 landete nur zwei Wochen später eine andere Mitteilung des Iren beim IOC-Präsidenten. Darin legte Hickey, offenkundig recht ungehalten, die bislang erfolgte Ticketzuteilung an ihn für Rio dar - sowie seine ergänzenden, deutlich weitergehenden Ticketwünsche. Wir bitten um mehr Karten, schreibt er wiederholt, und meint mit "wir" offenkundig sein irisches olympisches Komitee, aus dessen Kontingent er, so die Verdachtslage, Karten für seine verbotenen Deals abgezwackt haben soll.

Hickes umfangreiche Ticket-Wunschliste

Für die Eröffnungsfeier, so Hickey, hätten sie gerne 188 statt der bisher zugeteilten 38 Tickets; bei der Schlussfeier 128 statt 28; im Fußball-Finale der Männer 500 statt 0; im 100-Meter-Finale 242 statt 42; und beim Basketball-Finale der Männer 30 statt 0. Macht fast 1000 Tickets mehr für einige Höhepunkte der Spiele.

Das sind happige Forderungen für ein einzelnes nationales Komitee. Weltweit gibt es 206 NOKs. Wenn jedes, wie Hickeys Iren, fürs Fußball-Finale im Maracana gerne 500 Karten bekäme, wäre das Stadion schon mehr als überfüllt - und alle einheimischen Fans müssten draußen bleiben. Eine solche Forderung offenbart offenkundig das Selbstverständnis Hickeys, der in den jüngsten sportpolitischen Debatten stets treu an Bachs Seite stand. Nicht zuletzt, als das IOC trotz dokumentierten Staatsdopingsystems und heftiger internationaler Kritik Russland nicht komplett von den Spielen ausschloss.

Die Mails beinhalten keine Hinweise auf kriminelle Aktivitäten, werfen allerdings viele Fragen an Bach auf. Das IOC teilt zu beiden Mails lediglich mit, der IOC-Präsident sei weder in die Auswahl der offiziellen Kartenverkäufer (ATR) noch in die Gestaltung der Verträge eingebunden. Das sei Sache des Organisationskomitees und der NOKs. Der Präsident werde nur "gegebenenfalls über prinzipielle Fragen informiert". Das erbetene vertrauliche Gespräch Bach/Hickey dementiert das IOC aber nicht.

Die Iren schlagen einen Kartenverkäufer vor, der bei der Fußball-WM mitmischte

Im konkreten Fall habe das Rio-OK den zunächst vom irischen Komitee vorgeschlagenen ATR abgelehnt; dies habe das IOC anerkannt. Ein anderer offizieller Kartenverkäufer sei dann genehmigt worden. Nach Ermittlungsstand handelt es sich beim nicht akzeptierten Vorschlag um die Firma THG - kein Wunder, hatte doch die brasilianische Polizei bereits im Zuge des Ticketskandals bei der WM 2014 THG-Manager festgenommen. Konkrete weitere Fragen, etwa auf die Reaktion Bachs auf die erkennbar unverschämte Wunschliste in Mail zwei, beantwortet das IOC nicht.

Das IOC beteuerte bisher, es unterstütze die Ermittlungsarbeit der brasilianischen Behörden vollumfänglich. Nun nährt der Mailverkehr die Vermutung, dass der Präsident selbst ein wichtiger Zeuge werden könnte. In Brasilien heißt es, die Polizei wolle jeden hören, der mit Hickey konkret zum Thema Tickets kommuniziert habe.

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