Olympia 2024:Romantik zieht nicht mehr

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Leuchtringe am Eiffelturm: So sah es aus, als sich Paris um die Spiele 2012 bewarb - und London sie bekam. (Foto: Florence Durand/dpa)

Fünf gescheiterte Versuche, doch Frankreich gibt nicht auf: Neben Berlin und Hamburg könnte sich auch Paris um Olympia 2024 bewerben. Das IOC dürfte das Engagement freuen, doch ein anderer Bewerber hätte viel bessere Chancen.

Von René Hofmann, München

Eine Bewerbung einreichen für die Olympischen Sommerspiele 2024, ja oder nein? Diese Frage stellt sich aktuell nicht nur in Deutschland. Sie wird auch in Frankreich diskutiert. Anders als hierzulande, wo Hamburg und Berlin noch um einen etwaigen Zuschlag als Kandidat rangeln, gibt es im Nachbarland schon eine Festlegung, welche Stadt ins Rennen gehen sollte: Paris. Die Ambitionen der Kapitale erhielten in dieser Woche allerdings einen Dämpfer, als Manuel Valls sich für ein anderes Großprojekt einsetzte. Der 52 Jahre alte Sozialist, seit 31. März Premierminister, meinte: "Ich sehe in der Kandidatur für die Weltausstellung 2025 eine großartige Gelegenheit für das Image von Paris und Frankreich in der ganzen Welt."

Olympische Spiele 2024 und die Weltausstellung ein Jahr später - das geht kaum zusammen. So aber sei die Aussage nicht zu verstehen gewesen, wollte am Dienstag Nathalie Iannetta klarstellen. Die Sportberaterin von Präsident François Hollande ließ AP wissen: "Von den Investitionen, die gemacht werden, werden beide Projekte profitieren." Überzeugend klingt das nicht. Wieder einmal nicht.

Frankreichs Bilanz ist noch schlechter als die deutsche

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Nein zu Milliarden-Spielen: Nach Graubünden, München und Stockholm zieht die vierte Traditionsregion ihre Bewerbung für die Winterspiele 2022 zurück. Das IOC steckt in einer tiefen Krise.

Ein Kommentar von Carsten Eberts

Berchtesgaden für die Winterspiele 1992, Berlin und Leipzig für die Sommerspiele 2000 und 2012 sowie München für die Winterausgabe 2018: Die deutschen Versuche, die Ringe-Show wieder einmal ins Land zu holen, endeten zuletzt alle alles andere als glorreich. Die französische Bilanz aber ist noch schlechter. 1992 gab es zwar eine Wintersause in Albertville. Die aber war nur das Trostpflaster dafür, dass bei derselben Session des Internationalen Olympischen Komitees die Sommerspiele Barcelona zugesprochen wurden und nicht Paris. Der damalige IOC-Chef Juan Antonio Samaranch wollte in seiner Heimatstadt Barcelona einiges gutmachen; nach dem Tod des spanischen Herrschers Franco war er hier als Günstling der Diktatur vom Volk davongejagt worden.

Für die Spiele 2008 unterlag Paris dann Peking und für 2012 - Gipfel der Schmach! - London. Lille war im Rennen um die Sommerspiele 2004 nicht einmal in die Endrunde vorgedrungen (so wenig wie Leipzig Jahre später). Und die Idee, dass es 2018 in Annecy um Medaillen gehen könnte, fanden nur sieben IOC-Mitglieder gut. Weniger Stimmen hat überhaupt nur ein Kandidat je gefunden.

Die Lehre aus der Niederlage gegen das südkoreanische Pyeongchang, das neunmal so viel Unterstützer fand, formulierte Ski- Legende und IOC-Mitglied Jean-Claude Killy danach so: Die Grande Nation müsse sich ihre Arroganz abgewöhnen. Man könne nicht alle zehn Jahre einmal auf der IOC-Bühne aufscheinen und dabei den Eindruck hinterlassen, man wisse, wie alles zu laufen habe. Der Verweis auf die olympischen Wurzeln ziehe nicht mehr. Um die Spiele ins Land zu holen, brauche es eine professionelle Bewerbung. Denn, so Killy, "ein romantisches IOC gibt es nicht mehr".

Um den Boden für eine Bewerbung um die Sommerspiele 2024 zu bereiten, wurden Umfragen erhoben. Die ergaben, dass 56 Prozent der Franzosen eine Bewerbung unterstützen würden. Von 207 Firmen, die gefragt wurden, fanden es mehr als 80 Prozent eine gute Idee, Olympia wieder nach Paris zu holen. 2024 wären die letzten Spiele dort genau hundert Jahre her; Französisch ist eine der offiziellen IOC-Sprachen.

Das letzte Mal, dass die Sommerspiele in einer Stadt ausgetragen wurden, in der überwiegend Französisch gesprochen wird, war 1976 in Montréal. Um weitere Argumente für Paris zu finden, wurde im Mai eine Studie initiiert. Rund 200 Spezialisten sollen in Arbeitsgruppen eruieren, was noch für eine Rückkehr der Ringe an die Seine spricht. Sporthelden wie Marie-José Pérec, Amélie Mauresmo, Laura Flessel und Martin Fourcade wurden eingebunden. Auch die Bevölkerung soll Vorschläge einbringen können. Im Frühjahr 2015 soll alles fertig sein, damit im Sommer die Politiker "ja" sagen können.

Im IOC dürfte die Freude über so viel Engagement groß gewesen sein. Eine französische Bewerbung war schon im November 2013 zwischen IOC-Präsident Thomas Bach und François Hollande ein Thema. Das Land wäre mit seiner Sportbegeisterung ein "sehr, sehr starker Kandidat", sagte Bach damals dem französischen Fernsehen. Was er nicht sagte: Dass die Nation wohl sehr, sehr chancenlos wäre, wenn sie - wie es zu erwarten steht - auf einen US-Bewerber trifft. Im Mai dieses Jahres sicherte sich der US-Sender NBC für 7,65 Milliarden Dollar die TV-Rechte an den Spielen bis 2032. Auch finden sich wesentliche Werbemärkte in den USA - die zuletzt selbst zweimal, mit New York und Chicago, in Runde eins gescheitert waren. Eine dritte Brüskierung wird es kaum geben, auch aus sportpolitischen Gründen: Die Spiele driften ja immer mehr nach Asien ab.

Die Kandidatenschmelze kündet von einem Klimawandel

Bach muss jedoch daran gelegen sein, möglichst viele Bewerber in den Ring zu locken. Die Kandidatenschmelze bei der am 31. Juli 2015 anstehenden Abstimmung über die Winterspiele 2022 zeugt von einem Klimawandel. Nachdem in Krakau, München und St. Moritz die Bevölkerung gegen Bewerbungen votierte und jüngst die norwegische Regierung Garantien für Oslos Pläne verweigerte, bleiben nur Almaty und Peking übrig. Eine kleine Auswahl.

Paris, die Stadt der Liebe und des Lichts, könnte auch auf andere Bewerber ausstrahlen. Die Bereitschaft dazu ist aber an maßgeblicher Stelle klein. Die Sozialistin Anne Hidalgo, 55, seit April Bürgermeisterin von Paris, ließ wissen: Sie liebe den Sport. Sie liebe den sportlichen Wettkampf. Sie wisse, was der einer Gesellschaft bringen kann. "Aber heute operieren wir alle unter finanziellen und haushaltspolitischen Beschränkungen, die es mir nicht möglich machen zu sagen, ich unterstütze so eine Kandidatur." Vergeben werden die Sommerspiele 2024 im Jahr 2017. Bewerber müssen sich bis Herbst 2015 erklären.

© SZ vom 16.10.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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