Fechten bei den Olympischen Spielen:Im Palast der kreuzenden Klingen

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Wie im Mantel- und Degenfilm: Im prächtigen Grand Palais ist die Planche der Olympiafechter aufgebaut. (Foto: Patrick Smith/Getty)

An der berühmtesten Straße von Paris steht der Grand Palais. Sonst werden darin Ausstellungen gezeigt, nun empfängt das erhabene Gebäude die weltbesten Fechter. Eine Ode an einen Sport und seinen Raum.

Von Volker Kreisl, Paris

Noch wird gearbeitet im Großen Palast. Es wird gehämmert, gestrichen, Holz gesägt, es werden Aufgänge gebaut, zudem Schutzwände im Pressezentrum des Palasts, damit die Journalisten etwas Ruhe haben. Gestrichen wird auch noch, damit alles frisch aussieht im Grand Palais des Champs Élysées.

Dieser riesige Palast könnte auch dem Schloss von Versailles Konkurrenz machen, doch er ist ja ganz anders. Hier hängen weniger riesige Ölbilder an den Wänden, sondern es werden Ausstellungen gezeigt, Konzerte gegeben, und vor allem: wird renoviert, jetzt, da Olympia Paris übernommen hat. Die Arbeiter brüllen auch mal, sogar im Pressezentrum, was normalerweise zu Aufständen bei den sich konzentrierenden Reportern führt. Doch alle erdulden das, denn es lohnt sich: Der Palast wird wohl gerade so fertig, bis Samstag, wenn die Spiele beginnen und die Athleten und Athletinnen sich in den kleinen und großen, den alten und neuen Sportarten messen.

Eine wunderbare Sportart trifft auf eine exzentrische Sporthalle

Ein alter Sport war und ist das Fechten, einst war es ein tödlicher Kampf, was manchmal vielleicht vergessen wird. So ist Fechten wegen seiner Vergangenheit bis heute eine besondere Disziplin geblieben. Und der Palais verwandelt sich wieder, wie vor 14 Jahren. Damals war WM, nun erreicht diesen metallenen und gleichzeitig zauberhaften irdischen Dom mit Olympia noch mehr Interesse. Im gewaltigen Eingangsbereich ragen bereits die riesigen steilen Stahltribünen nach oben. Die Fechtplanchen liegen noch still da. Dem Grand Palais muss es ergehen, als wäre er 124 Jahre zurückversetzt, in die Zeit seiner Errichtung. Eine wunderbare Sportart trifft auf eine exzentrische Sporthalle, beide gehen in Verbindung, etwas Neues entsteht: Aus dem Wettkampf des olympischen Alltags wird ein Mantel- und Degenauftritt, der konkurrenzlos bleibt. Welcher Sport enthält schon den Ablauf eines Duells wie aus ganz alten Zeiten?

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Das feine Florett, bei dem nur Oberkörpertreffer zählen; der Degen, dessen schwere Klinge den ganzen Körper durch einen (tatsächlich nur stumpfen) Stich treffen kann; der Säbel, der alles darf, den Gegner mit Stechen und Hauen übertrumpfen – in allen drei Gattungen des Fechtens erzeugen alte Muster den Charme. Und Vorsichtsreflexe: Die Fechter pflegen eine extrem schnelle Kunst, das reizt alle möglichen Botenstoffe, vor allem Adrenalin.

Dennoch, nicht nur die Fechter, die unten die Klingen kreuzen, auch dieser spezielle Grand Palais trägt zum Gelingen dieses rasenden Sports bei. Seine gewaltige Kuppel, unter der sich alles abspielt, passt gut zum wilden Treiben unter dem leicht hallenden Überbau. Vieles wirkt erhaben, stolz – so wie man sich eben auch das innere Naturell duellierender Fechter vorstellt.

Fast alle von ihnen brüllen beim Sport, egal ob Florett, Degen oder Säbel, Frau oder Mann. Manche weniger, andere mehr. Ein Franzose, ein Weltklassefechter, ließ seine Anspannung derart laut raus, dass er aus der Halle verwiesen wurde, weil er sich überhaupt nicht mehr beruhigte. Schuld daran ist zunächst die extreme Konzentration, die Fechtende permanent aufbringen müssen, wollen sie nicht getroffen werden. Zugleich müssen sie zwischen Finte und Stoß blitzschnell reagieren, wollen sie nicht eine Chance für einen eigenen Punkt verpassen. Diese Anspannung steigert sich über den Finaltag von Punktgefecht zu Punktgefecht immer weiter.

Der laute Sport erhält hier unter der Kuppel eine gewisse Eleganz

All diesem setzt die Architektur des Grand Palais wiederum ihre Stahlkonstruktion entgegen: das weiche Licht, das nicht nur durch die Glaskuppel, sondern auch durch die gläsernen Seitendächer hinabfällt. Zudem hatten die Erschaffer eine Mischung aus Baustilen im Sinn. Von außen wählten die Architekten klassizistischen Barock, weshalb der Laie meinen möge, es handle sich um ein uraltes Bauwerk, bis er eintritt und die Eisen-Ästhetik sieht. Große, rankende, liebliche Metallblumen, die an die hohen Eisensäulen dieser Fechtbühne geschweißt wurden, verleihen dem Wettkampf einen Kontrast. Der laute Schrei-Sport, das ständige Treffen und Getroffenwerden, erhält unter der Kuppel eine gewisse Eleganz.

Nun muss für stimmungsvolle Gefechte nur noch neben Sportlern und der Architektur das dritte Element stimmen, das Publikum. Es ist nicht gesichert, dass bei Olympia immer die große Atmosphäre aufkommt, vielleicht verstehen auch manche Zuschauer die Regeln dieses rasanten Sports nicht, in dem oft nur das Handzeichen des Obmanns erkennen lässt, wer den Punkt bekommt. Meistens aber wird es dann deutlich – wenn der Unterlegene seinen Frust unter der Kuppel hinauslässt.

Das Schreien der Fechter, so erzählen manche, kommt auch daher, dass sie nicht nur wie ein Boxer k.o. gehen oder wie Ringer geschultert werden, sondern dass sie eine theoretisch tödliche Waffe gegen sich gerichtet sehen. Das kann damit zu tun haben, dass es früher auch mal tödliche Unfälle gab. Irgendetwas im allgemeinen Unterbewusstsein kommt noch hinzu, möglicherweise die Tatsache, dass im Fechten einst Duelle ausgetragen wurden.

Jetzt, in einer neuen Zeit, ist ein Sport schreiender Fechter übrig geblieben, der fasziniert, auch wenn sich keiner mehr wirklich wehtut. Wer weiß, vielleicht spielt auch noch etwas von der inneren Spannung mit, die den Fechter einst ergriff, als tatsächlich alles um Leben und Tod ging. Unwissendes Publikum hin oder her, die Stimmung dürfte prächtig werden, wegen des Halls unter der hohen Kuppel des Grand Palais, unter der die Fechter schon selbst laut genug schreien.

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