„Entschuldigung“, schluchzte Antje Döll, Linksaußen von der HB Ludwigsburg, als sie in der „Arena Paris Sud 6“ um die Ecke bog – und musste sich erst einmal die Tränen von den Wangen wischen. Ehe sie nach Gründen suchte für die doch einigermaßen überraschende Auftaktniederlage der deutschen Handballerinnen bei Olympia – 22:23 (10:11) gegen Südkorea, den nominell schwächsten Gegner in ihrer Sechsergruppe. „Wir haben uns fünf Wochen den Arsch aufgerissen, wo andere eine freie Zeit hatten“, sagte Döll, und eigentlich habe man vor der Partie doch die richtigen Dinge angesprochen. „Es ist scheiße, wenn man sich dann nicht belohnt.“
Die Rückkehr der Handball-Frauen zu den Olympischen Spielen nach 16 Jahren Dürre – als erstes Nationalteam seit Peking 2008 – hatte also, wie man hören könnte, nicht so gut geklappt. Ins zweite Spiel am Sonntag gegen die Schwedinnen gehen die Deutschen als Außenseiterinnen, weitere Gegner sind die Topteams aus Dänemark und Norwegen sowie Slowenien. Die besten vier Teams qualifizieren sich fürs Viertelfinale.
Das Spiel gegen Südkorea war ein wildes Auf und Ab: Mal lagen die Deutschen knapp in Führung (6:4), dann wieder die Koreanerinnen (8:10), doch Anfang der zweiten Halbzeit gelang es durch Treffer von Meike Schmelzer und Xenia Smits, auf 18:14 davonzuziehen. „Da haben wir gut verteidigt, hatten im Tor den ein oder anderen Safe und haben nach vorne ruhig und diszipliniert gespielt“, analysierte hinterher der Bundestrainer Markus Gaugisch, 50.
„Unsere Angriffsleistung war nicht das, was wir können und was wir auch brauchen“, sagt die Kapitänin
Doch gleich danach ging all das wieder verloren, „wir waren zu hektisch, zu unruhig, zu wild“, sagte Gaugisch, und denselben Eindruck hatte auch die Kapitänin Emily Bölk auf dem Parkett: „Unsere Angriffsleistung war nicht das, was wir können und was wir auch brauchen. Wir haben uns in zu viele Eins-gegen-Eins-Situationen verstrickt, wir müssen da mehr Ballfluss aufbauen.“ Nur 60 Prozent der Würfe fanden ins Ziel, ein miserabler Wert. Auch Bölk entschied sich daher, die Dinge beim Namen zu nennen: „Vielleicht war das der allerletzte Arschtritt, dass wir in jeder Sekunde hundert Prozent brauchen“, sagte sie.
Die Hektik der Deutschen war allerdings auch die Taktik der Koreanerinnen: Als diese mit vier Treffern zurücklagen, gab ihr schwedischer Coach Kurt Signell die Anweisung, bei eigenem Ballbesitz die Torhüterin gegen eine Feldspielerin zu tauschen und mit Sieben gegen Sechs anzugreifen. „Darauf hatten wir uns vorbereitet“, sagte Gaugisch, „aber sie haben es dann gut gemacht, und wir haben den Weg der Ruhe leider nicht mehr gefunden. Aktionen, die wirklich super sind, wechseln sich bei uns ab mit Aktionen, die zu impulsiv sind und auf dem Niveau bestraft werden.“
Verloren ist für die deutschen Handballerinnen noch nichts – aber nun müssen sie ihre Punkte gegen Teams holen, die nominell stärker sind als Südkorea. Zur Eröffnungsfeier, stellte Gaugisch klar, werden sie am Freitagabend trotz der Niederlage gehen: „Das wäre pädagogisch auch nicht wertvoll, auf eine Niederlage jetzt eine Strafe folgen zu lassen.“