Referendum:Hamburg sagt Nein zu Olympia 2024

Lesezeit: 3 min

Nach Ablehnung der Hamburger Olympia-Bewerbung durch ein Referendum: Bürgermeister Olaf Scholz (SPD). (Foto: dpa)
  • Die Gegner einer Hamburger Olympia-Bewerbung siegen überraschend bei der Volksabstimmung.
  • Nur 48,4 Porzent stimmen für den Plan, die Olympischen Spiele 2024 nach Hamburg zu holen. 51,6 Prozent votieren dagegen.
  • DOSB-Chef Alfons Hörmann bilanziert: "Offenbar passen der olympische Gedanke und Deutschland im Moment nicht zusammen."

Von Peter Burghardt, Hamburg

Am Sonntagabend gegen halb neun war es schon vorbei mit Olympia 2024 in Hamburg. Im November 2015. Zweieinhalb Stunden nach Ende des Referendums wurde das Gewissheit, was bis kurz zuvor nicht einmal die meisten Gegner des Projekts für möglich gehalten hätten: Eine Mehrheit der Hamburger ist dagegen, dass sich ihre Stadt um die Sommerspiele bewirbt. Mehr als die Hälfte der Wähler ab 16 Jahren ist nicht "Feuer und Flamme", wie es das Bewerbungs-Motto suggerieren wollte. Das vorläufige Endergebnis liegt bei 48,4 zu 51,6 Prozent. Die Freie und Hansestadt geht nicht ins Rennen, wenn das Internationale Olympische Komitee (IOC) 2017 in Lima dieses Sportfest vergibt. So treten nach jetzigem Stand die Kandidaten Los Angeles, Paris, Rom und Budapest gegeneinander an.

DOSB-Chef Hörmann sieht einen "herben Rückschlag und Tiefschlag"

Hamburg versucht es also nicht, "München 1972" nachzueifern - damals fanden letztmals in Deutschland die Wettkämpfe unter den fünf Ringen statt. Hamburg folgte München 2013; vor zwei Jahren lehnten ja bereits die meisten befragten Oberbayern die Winterspiele 2022 ab. Einigermaßen geschockt traten die obersten Betreiber der Hamburger Initiative um kurz nach 21 Uhr auf eine Rathaustreppe, von der sie eigentlich einen Triumph hatten verkünden wollen.

"Die Hamburgerinnen und Hamburger haben eine Entscheidung getroffen", sprach Bürgermeister Olaf Scholz, der sich seit Monaten für diese Bewerbung eingesetzt hatte und nun eine seiner größten politischen Niederlagen erlebte. Der große Teil der Bürgerschaft habe sich einen anderen Ausgang gewünscht, doch das Ergebnis sei verbindlich und zu akzeptieren. Das Votum werde Folgen haben, die über Hamburg und Schleswig-Holstein hinaus gehen, fürchtet der enttäuschte SPD-Mann. Das ahnt auch ein weiterer Verlierer, der neben Scholz stand.

Ihr Forum
:Was halten Sie vom Olympia-Nein der Hamburger?

Die Bürger der Hansestadt haben sich in einem Referendum mit knapper Mehrheit gegen eine Olympia-Bewerbung für 2024 ausgesprochen.

Für Sportdeutschland sei dies "ein herber Rückschlag und Tiefschlag", die kommende Generation werde diese sportliche Chance nicht bekommen, klagte Alfons Hörmann, der Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB). Er hält es vorläufig für wenig sinnvoll, über einen neuen deutschen Anlauf für 2028 nachzudenken: "Offenbar passen der olympische Gedanke und Deutschland im Moment nicht zusammen."

So sieht es aus, es wuchsen die Hindernisse. Zwar warben der rot-grüne Senat unter Scholz, die bald aufzulösende Bewerber-Gesellschaft und lokale Medien mit einigem Aufwand. Kompakte, transparente, ökologische und gut kalkulierte Spiele sollten es werden, mit der Elbinsel Kleiner Grasbrook als Zentrum. Doch dann erreichten immer mehr Flüchtlinge die Metropole, und immer mehr Hamburger fragten sich, ob eine Kandidatur für Olympia in die Zeit passt. Und schließlich präsentierten die Betreiber Kosten von 7,4 Milliarden Euro, Scholz nannte die Zahlen den am besten durchgerechneten Etat "ever".

Aber Hamburg wollte nur 1,2 Milliarden davon bezahlen - und es war bis zum Stichtag nicht abschließend klar, ob der Bund tatsächlich die übrigen 6,2 Milliarden Euro übernehmen würde. Auch sind nicht wenige Steuerzahler skeptisch, seit das Konzerthaus Elbphilharmonie ungefähr zehnmal so teuer geworden ist wie ursprünglich geplant.

Gegner prophezeiten außerdem weiter steigende Mieten sowie soziale Ausgrenzung und klagten, die olympische Idee werde von Konzernen missbraucht. Dazu kam die Affäre um den DFB und die Fußball-WM, und so bekamen auf einmal die Kritiker Oberwasser, obwohl noch am Sonntagnachmittag eine knappe Mehrheit für "Ja" als wahrscheinlich gegolten hatte.

Erste Prognose fällt positiv für die Befürworter aus

So hatte es sogar noch ausgesehen, als die Uhren 18 Uhr schlugen und die Wahllokale geschlossen wurden. Da veröffentlichte die Forschungsgruppe Wahlen im ZDF eine erste Hochrechnung zugunsten der Befürworter: Demnach seien 56 Prozent der Wähler dafür und 44 Prozent dagegen, die Prognose basierte auf einer telefonischen Befragung von 3800 Hamburgern. Sie erwies sich als völlig falsch. An öffentlichem Desinteresse lag das keineswegs. 569 484 der 1,3 Millionen Stimmberechtigten hatten sich bereits per Briefwahl geäußert, am Wahltag stieg die Beteiligung auf mehr als 50 Prozent. Doch dann begann die Auszählung, und dabei wurde es nicht nur noch knapper als erwartet - auf einmal lagen zur allgemeinen Überraschung die Nein-Stimmen vorn.

Draußen vor dem Rathaus fiel Nieselregen auf den Weihnachtsmarkt. Drinnen in dem prächtigen Gebäude wurden die meisten Politiker genauso still wie die Gäste einer Wahlparty in einer großen Sporthalle in einem anderen Viertel. Auch Hamburgs Oppositionsparteien CDU und FDP hatten den Vorstoß unterstützt, und Scholz machte noch am Wahltag Stimmung. "Sagen Sie heute JA zu Olympischen & Paralympischen Spielen in #Hamburg2024", twitterte der Sozialdemokrat und Freizeitruderer. Ja sagte aber nur Kiel, das im Falle einer Hamburger Ernennung die Segelwettbewerbe hätte ausrichten dürften: Mit 65,57 Prozent setzten sich diejenigen durch, die sich wie bereits 1972 olympische Regatten in der Kieler Förde wünschten.

Dann wurde in Hamburg plötzlich das für viele Unfassbare Gewissheit: Es reicht nicht. Jubeln konnte am Ende nur die Nein-Fraktion, angeführt von den Linken und anderen Gruppen. Florian Kasiske von der Initiative NOlympia freut sich, "dass so viele Hamburger für eine andere Stadtentwicklung gestimmt haben". DOSB-Präsident Hörmann sagte es so: "Es hat eben an diesem Tag X nicht gereicht."

© SZ vom 30.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Ihr Forum
:Was halten Sie vom Olympia-Nein der Hamburger?

Die Bürger der Hansestadt haben sich in einem Referendum mit knapper Mehrheit gegen eine Olympia-Bewerbung für 2024 ausgesprochen.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: