Das mutigste aller olympischen Mottos ist in Paris leider abgeschafft, nämlich jenes, das über Jahrzehnte an den Kassen der olympischen Verpflegungsstände auf kleinen Schildern stand: „We are proud to accept only Visa.“ Kleine Erinnerung an eine Szene von den London-Spielen 2012, Olympiapark in Stratford: Ein Olympiakunde steht mit zwei hungrigen Kindern in der Olympiaschlange, bestellt drei Olympiacola, drei Olympiawürste, drei Olympiaeis. Er zückt seine Bankkarte. Der Olympiaverkäufer zeigt auf das Schild: Wir sind stolz, ausschließlich Visa zu akzeptieren. Hä, fragt der Olympiakunde? Keine Mastercard? „No.“ Kein American Express? „No.“ Nirgendwo im ganzen Park? Nein, nirgendwo. Der Olympiaverkäufer hat seine Würste dann in einer Colapfütze auf dem Boden wiedergefunden.
Insofern, volle Anerkennung: So viel Mut wie die Werbeabteilung des IOC-Worldwide-Partners Visa hatten bislang nicht viele. Dabei wäre das eine tolle Strategie zur Beglückung der Kunden: Die lokale Tankstelle könnte mit dem Spruch werben, sie sei „stolz, nur Super Plus anzubieten“. Oder der Obststand am Viktualienmarkt: „Hier ist der Kunde König! Ab heute nur noch Trauben!“ Aber wie gesagt, in Paris ist nun vieles anders, die mutlosen Zeiten sind angebrochen.
Eine Essensschlange in Roland-Garros, olympisches Tennisturnier, ein Besucher balanciert Fantaflaschen, Hamburger und Sandwiches zur Kasse. Dort steht jetzt auf dem Schild: „We accept only Visa.“ Ohne das mit dem Stolz. Der Besucher zückt ein faszinierend opulentes Portemonnaie und breitet diverse Kredit-, Debit- und Bankkarten auf dem Tresen aus, als wolle er damit eine Partie Rommé spielen. Nehmen Sie diese? Diese? Diese? Der Verkäufer schüttelt den Kopf: „Sie können zum Geldautomaten gehen, in 200 Metern links.“
Weiterhin „proud“ ist laut eigener Auskunft der IOC-Partner Coca-Cola: darauf, dass er in Paris 18 Millionen Getränke mit einem neuen Kreislaufsystem serviert, zur Vermeidung von Plastikmüll. In der Schlange in Roland-Garros sieht das jetzt so aus: Der nächste Kunde nimmt sich vier 0,5-Liter-Plastikflaschen aus dem Kühlregal, an der Kasse werden alle vier geöffnet und in vier 0,5-Liter-Plastikpfandbecher umgefüllt. Der Verkäufer gießt erst zwei Wasser um, muss dann neue Becher holen, die Schlange wird länger, als Nächstes wendet er sich der Cola zu, die Cola schäumt und ergießt sich über den Tresen. Die Schlange wird noch länger. Der Verkäufer muss einen Lappen holen, um das colaversiffte Bezahlgerät abzuwischen, das nur Visa akzeptiert.
Aber gut, Nachhaltigkeit gibt es halt nicht umsonst. Und bald wird der erste Kunde vom Geldautomaten zurück sein, dann geht es sicher gleich weiter.