DFB-Frauen:Neue Sechs, neue Torhüterin, neuer Schwung

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Alexandra Popp vertrat die verletzte Lena Oberdorf im zentralen Mittelfeld. (Foto: Alex Livesey/Getty Images)

Mit Kapitänin Alexandra Popp im Zentrum und Ann-Katrin Berger im Tor starten die deutschen Fußballerinnen mit einem 3:0 gegen Australien in die Olympischen Spiele. Für Euphorie ist aber nur wenig Zeit.

Von Anna Dreher

Manchmal helfen einem im Leben auch Dinge, die nicht so geklappt haben, wie man sie sich vorgenommen hatte. Vor allem, wenn das Drehbuch eine Wendung vorsieht, und es im richtigen Moment besser läuft als erwartet. Als die deutschen Fußballerinnen nach dem 3:0 gegen Australien auf dem Rasen im Stade Vélodrome von Marseille standen, erleichtert und glücklich, hatten sie jedenfalls dafür gesorgt, dass ihre Erzählung zum Start in die Olympischen Spiele von so vielen ermutigenden Strängen geprägt ist, dass sich die ein oder andere gedacht haben dürfte: Vielleicht kann das hier wirklich etwas Großes werden.

Dieses Turnier war für die DFB-Frauen schließlich überschattet worden durch den kurzfristigen Ausfall von Lena Oberdorf, erklärtermaßen ein Schock für das Team. In der EM-Qualifikation gegen Österreich, dem letzten Test wenige Tage vor der Abreise nach Frankreich, hatte sie sich schwer am Kreuz- und Innenband ihres rechten Knies verletzt. „Unsere schlimmste Befürchtung ist eingetreten“, hatte Interimsbundestrainer Horst Hrubesch gesagt. Wie nur sollte er eine seiner wichtigsten Spielerinnen ersetzen, die zu den weltbesten im Mittelfeld gehört und dem deutschen Spiel maßgeblich Stabilität verleiht?

Er entschied sich für die erfahrenste Fußballerin in seinem Kader und zog Alexandra Popp vom Sturm auf die Sechs. An ihrer Seite: Janina Minge, die erst durch den Ausfall Oberdorfs in den Kader gerückt war. Bei Popp, der Kapitänin, war klar, dass sie diesen Wechsel meistern würde. Sie hat bereits auf dieser Position gespielt – und ist in 140 DFB-Einsätzen bisweilen ohnehin eigenmächtig innerhalb eines Spiels mal im Angriff, mal im Mittelfeld, mal in der Abwehr aufgetaucht, je nachdem, wo es gerade brannte. Und siehe an: Auch Minge war der Aufgabe gewachsen.

Die anfängliche Nervosität legten die Deutschen bald ab. Das lag auch daran, dass die Australierinnen – geschwächt durch den Ausfall von Stürmerin Samantha Kerr – den Gegner gewähren ließen und nur selten gefährlich wurden. Hatte sich die deutsche Auswahl in den Spielen vor Olympia meist eine verschlafene erste Halbzeit inklusive eines frühen Gegentores gegönnt, spielte sie nun befreit auf. Vor allem Lea Schüller und Jule Brand wirbelten in der Offensive, als wäre es ihnen ein Anliegen, Lena Oberdorf, ihrer engen Freundin, mit einem guten Auftritt zumindest etwas Linderung zu verschaffen. Schüller hatte beim Teamfoto das Trikot von Oberdorf in die Kamera gehalten, später hielt sie beim Jubeln mit Giulia Gwinn mit den Fingern ein „O“ in den Himmel von Marseille.

Am Sonntag wartet die nächste Herausforderung: Rekord-Olympiasieger USA

Zunächst blieben gute Chancen ungenutzt, Brand etwa drosch den Ball freistehend weit übers Tor. So waren zwei Eckbälle von Gwinn nötig; die Außenverteidigerin bereitete die ersten Treffer vor: In der 24. Minute den Kopfball von Marina Hegering, in der 64. Minute den Kopfball von Schüller. Das dritte Tor erzielte Brand in der 68. Minute, schön herausgespielt. „Hätte ich den nicht reingemacht“, sagte die 21-Jährige beim ZDF und grinste, „wäre Horst sicher ausgerastet.“ Sich auf Standards verlassen zu können, ist jedenfalls nicht die schlechteste Nachricht für dieses Turnier.

Wie auch, dass die Defensive beim Olympia-Auftakt an Schwung gewann. Abwehrchefin Marina Hegering ist nach wochenlangen Wadenproblemen zurück, und mit seiner Antwort auf die Torwartfrage scheint Hrubesch auch richtig gelegen zu haben: Er berief Ann-Katrin Berger statt der jahrelangen Nummer eins Merle Frohms. „Ich habe echt gedacht, dass er mich verarschen möchte. Ganz ehrlich. Ich hab’s wirklich nicht glauben können“, sagte Berger, die schon zweimal an Schilddrüsenkrebs erkrankt ist. „Selbst als ich auf dem Platz stand, habe ich mich kneifen müssen und mir gesagt: Es ist wirklich wahr.“

In die Euphorie hinein platzierte Alexandra Popp jedoch eine Warnung. Schon am Sonntag halten die Sommerspiele die nächste Herausforderung bereit: Rekord-Olympiasieger USA. „Da ist jetzt nicht mit groß feiern und trallala“, sagte Popp zum zweiten von drei Gruppenspielen. Aber selbst, wenn dieser Gegner eine Nummer zu groß sein sollte, muss die Geschichte des Nationalteams bei diesen Sommerspielen noch lange nicht auserzählt sein.

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