Beachvolleyball bei Olympia:Das waghalsige Projekt endet mit Tränen unterm Eiffelturm

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Tränen der Enttäuschung: Laura Ludwig (re.) und Louisa Lippmann nach dem Matchball am Samstag. (Foto: Jan Woitas/dpa)

Laura Ludwig und Louisa Lippmann scheitern nach drei Niederlagen früh im olympischen Beachvolleyballturnier – sie waren zu verkrampft und verkopft. Noch am Abend kündigt Ludwig das Ende ihrer großen Karriere an.

Von Sebastian Winter, Paris

Laura Ludwig bereitete sich auf diesen Aufschlag von Tania Moreno vor, konzentriert, fokussiert, wie sie es schon zigtausende Male vorher getan hat. Sie fixierte den Ball, dann kam er, ein aus Sicht der Deutschen ekelhafter Service, flach, schnell, die Linie entlang. Der Wind trieb ihn noch weiter an die Linie. Ludwig brachte ihre Hände unter den Ball, schaufelte ihn nach vorne ans Netz. Doch die Annahme geriet zu dicht. Louisa Lippmann kam nicht heran, dafür die Hand von Daniela Alvarez. Punkt, Aus, vorbei. Um exakt 12.57 Uhr schieden Ludwig und Lippmann am Samstag im Eiffelturm-Stadion gegen die EM-Zweiten aus Spanien aus dem olympischen Beachvolleyball-Turnier aus.

Und das schon nach der Gruppenphase, durch drei 0:2-Niederlagen.

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Hier also, unter dem Wahrzeichen von Paris, endet nun also eine der großen deutschen Beachvolleyballkarrieren. Denn am Abend kündigte die 38-Jährige, die ihren Sport 15 Jahre lang weit über Deutschland hinaus geprägt hat, im Deutschen Haus ihr Karriereende für den kommenden Herbst an. „Ein spontaner Entschluss“, wie Ludwig kurz danach sagte. Nach dieser Saison, in der unter anderem noch die EM in den Niederlanden ansteht, ist also Schluss für die Olympiasiegerin von Rio 2016 und Weltmeisterin (beides zusammen mit Kira Walkenhorst), die viermalige Europameisterin und siebenmalige deutsche Meisterin. Nach ihrem letzten verlorenen Spiel hatte sie noch gesagt: „Wir werden jetzt erstmal runterkommen, die olympischen Vibes genießen, ein Bierchen trinken“ – ihre Zukunft hatte sie noch offengelassen.

Das Zuspiel war mal zu dicht, mal zu weit weg, die Aufschläge gingen zu oft ins Netz oder ins Aus

Es war ein waghalsiges Projekt, das Ludwig und Lippmann angegangen sind vor zwei Jahren: Ludwig kam aus dem Mutterschutz nach der Geburt ihres zweiten Kindes. Lippmann hatte zwar als Hallen-Profi viele Erfolge gesammelt, aber quasi keine Erfahrung im Sand. „Louisa und ich kannten uns nicht, und man braucht eigentlich zwei, drei Jahre, um sich blind zu verstehen auf dem Court“, hatte Ludwig kurz vor Paris im SZ-Interview gesagt: „Jetzt geht es darum, mit der Situation klarzukommen, Louisa steht zum ersten Mal auf einem olympischen Feld.“

Genau mit dieser Situation sind sie nicht wirklich klargekommen. Und in den ersten Minuten nach dem enttäuschend frühen Aus versuchte Ludwig sich in einer Erklärung. „Das hat nichts mit der Fitness zu tun, das ist eher eine Kopfsache. Auch für mich nochmal bei meinen fünften Spielen“, sagte sie. „Du willst unbedingt performen, es sind hier krasse Vibes, und manchmal versteinert man dann.“ Lippmann versuchte, trotz all der Enttäuschung den großen Bogen zu schlagen, über den Moment hinaus: „Ich habe gerade zu Laura gesagt, dass ich ihr unheimlich dankbar dafür bin, dass ich meine ersten Olympischen Spiele mit ihr erleben durfte. Es war ein wilder Ritt, die schönste und die krasseste Zeit für mich.“

„Die Enttäuschung wird auch noch länger drinbleiben“, sagt Laura Ludwig. (Foto: Louisa Gouliamaki/Reuters)

Die Saison beenden sie noch, sie planen, neben der EM noch das Weltserienturnier in Hamburg zu spielen, die deutsche Meisterschaft in Timmendorfer Strand steht auch noch an. Danach hat Ludwig alle Zeit der Welt für ihre Familie, nach der sie sich so sehr gesehnt hat. Mit ihrem Mann Imornefe Bowes, Teo, 6 und Lenny, 2, wohnt sie in Halstenbek in einem Häuschen. Ludwig ist 38, sie hat in ihrem Sport alles erreicht und sich nun nach zwei Geburten jeweils wieder zurückgekämpft. Warum also hätte sie sich die olympische Ochsentour bis Los Angeles 2028 noch einmal antun sollen?

Als sie sich mit Lippmann in der unter Bäumen gelegenen Interviewzone tapfer den Fragen stellte, vergossen beide bittere Tränen. Aber sie verloren nicht ihren Humor, ihre herzliche Offenheit. Sie wussten zugleich, dass sie im gesamten Turnier nie zu ihrer Bestform gefunden hatten, der zweite Satz bei der 0:2 (16:21, 19:21)-Niederlage gegen Alvarez/Tania Moreno war vielleicht ihr bester. „Die Enttäuschung wird auch noch länger drinbleiben“, sagt Ludwig, dann kamen die Tränen schon, was nur allzu verständlich war. Sie versuchte, sie wegzulächeln, aber es klappte nicht: „Es ist bitter, dass wir den Fans nicht mehr geben konnten. Einfach schade, dass wir keine Konstanz gefunden haben.“

Das Zuspiel war mal zu dicht, mal zu weit weg, die Aufschläge gingen zu oft ins Netz oder ins Aus. Sie hatten kein Ur-Vertrauen in den eigenen Angriff, viel zu selten wuchteten die Deutschen mal einen Schmetterball hart und erfolgreich übers Netz und brüllten dann ihre Emotionen heraus. Ludwig ist an guten Tagen eine Weltklasse-Abwehrspielerin, in Rio war sie mit Abstand die beste. Sie ist aber auch ein Energie-Monster, deren Emotionen die Gegner erdrücken können. Unter dem Eiffelturm schien sie aber selbst viel zu sehr mit sich zu kämpfen, pure Freude kam kaum mal aus ihr heraus.

Verkrampft, gehemmt, verkopft wirkte das Spiel der Deutschen. Nach dem Motto: Bloß nichts falsch machen. Und vor lauter Angst, Fehler zu machen, unterliefen ihnen die Patzer erst recht. „Wir lassen den Gegner zum Atmen kommen und lassen uns dabei nicht selbst atmen“, sagte Ludwig. „Das hat uns am Ende gekillt.“ Erst spät im zweiten Satz spürte man am Samstag die Energie wieder, die dieses Duo auch ausstrahlen kam. Sie holten einen 12:16-Rückstand auf, glichen aus, hatten die Chance auf den dritten Satz. Bis um 12.57 Uhr Morenos Aufschlag herüberflog.

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