Süddeutsche Zeitung

Olympia in Peking:Tiefpunkt für die Olympia-Vorfreude

Einen Tag vor Eröffnung der Spiele werden neue Corona-Fälle bekannt. Betroffen diesmal: der weltbeste Nordische Kombinierer. Und sechs deutsche Olympiafahrer.

Von Volker Kreisl

Am Tag vor Beginn der Spiele hatten die Pekinger Labore viel zu tun. Sie werteten wie immer Corona-Proben aus, prüften und stempelten, und am Ende waren wieder Athletinnen und Athleten betroffen, Weltcupführende, oder auch Erfolgsteams und damit womöglich auch ganze Wettkämpfe. Mittendrin in den Hiobsbotschaften diesmal auch die Deutschen.

Namen wurden zunächst nicht genannt, es blieb bei dem in den Vortagen positiv getesteten Eiskunstläufer Nolan Seegert aus Berlin. Darüber hinaus stand nur fest, dass sechs Teammitglieder aus drei deutschen Teilmannschaften betroffen waren, unklar blieb ebenfalls, ob es sich um Sportler der soeben angereisten Teams Nordische Kombination und Eishockey oder auch um Skeleton handelte.

Möglicherweise waren es auch Trainer, Physiotherapeuten oder andere Mitarbeiter. Alle hätten keine Symptome gezeigt, hieß es, und waren vom Rest des Teams isoliert worden. Im übrigen blieb man weiterhin diskret und vorsichtig: "Die Teammitglieder sind symptomfrei und wurden zunächst vom Rest des Teams separiert", so eine Stellungnahme vom Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB): "Es werden weitere PCR-Tests zur Bestätigung durchgeführt. In Abhängigkeit vom Ergebnis wird das weitere Prozedere festgelegt."

Ohne Jarl Magnus Riiber verliert der erste Kombinations-Wettkampf an Niveau

Schon vor dieser für das DOSB-Team negativen Nachricht war der Donnerstag ein Tiefpunkt für die internationale Olympiafreude, weil das Virus weitere Mannschaften getroffen hatte, zum Beispiel die der Norweger. Die sind bekanntlich führend im nordischen Skisport, im Skispringen und Langlauf hatten sie bereits coronabedingt Einbußen in der Vorbereitung und auch für die kommenden Wettbewerbe hinnehmen müssen. Nun traf es einen der Weltbesten, den nordischen Kombinierer Jarl Magnus Riiber, Weltmeister und dreimaliger Gesamtweltcupsieger. Wie lange er ausfällt ist noch nicht klar, nur so viel: Ohne ihn wird jeder erste Kombinations-Wettkampf an Niveau verlieren.

Am Donnerstag wurden zunächst 55 neue Fälle gemeldet, davon 26 Athleten oder Teammitglieder, später kamen weitere hinzu, mit den sechs Deutschen, die am späten Abend Ortszeit in Peking gemeldet wurden, verzeichneten diese Spiele seit dem 23. Januar somit mehr als 300 Coronafälle. Und klar war auch, das Virus trifft die Hochleistungssportwelt auf ganz unterschiedliche Weise.

Längst hatte sich herausgestellt, dass die sportliche Wirkung der Corona-Gefahr nicht nur Mannschaften reduziert und die Physis der Betroffenen beeinträchtigt, sondern vielen Olympia-Teilnehmenden auch auf die Psyche geht. Sportler sind empfindsam, sie achten peinlich genau auf Cholesterin, Flüssigkeit und kennen jeden Muskel, jede Sehne ihres Körpers. Den Höhepunkt, Olympia, planen sie haargenau und überlassen nichts dem Zufall, weshalb es auch kein Hypochonder-Gehabe darstellt, dass Langläufer Johannes Hösflot Klaebo im Flugzeug von Oslo nach Peking eine Slalom-Brille zum Schutze seiner Augenflüssigkeit trug. Denn Klaebo ist auch einer wie Riiber: hoch favorisiert für norwegische Medaillen.

Neben der tatsächlichen Ansteckung kann Corona nun auch die mentale Verfassung der Winterspiele-Sportler beeinträchtigen. Manche von ihnen sind von Haus aus empfindlich, weil ohnehin auch Influenza-anfällig, sie trinken fortwährend Wasser, meiden trockene Räume und hüstelnde Fans oder Reporter. Und manche wissen vielleicht auch, dass sie sensibel sind, dass die Enge einer Isolierung ihr Gemüt bedrängen und ihre Form verschlechtern könne, kurzum, dass sie nicht so etwas erleben möchten, wie die belgische Skeletoni Kim Meylemans.

Skeletoni Kim Meyleman lässt ihrer Verzweiflung bei Instagram freien Lauf

Sie war bei der Einreise unterschiedlich getestet worden, mehrmals negativ aber auch positiv, dann isoliert, wieder entlassen, jedoch zu einem weiteren Quarantäne-Hotel gefahren. Dort setzte sie sich vor ihr Smartphone, drückte auf Aufnahme und ließ bei Instagram ihrer Verzweiflung freien Lauf. Gut möglich könnte es sein, dass die tränenreiche Zeugenaussage aus der Isolation später einmal zu einem der Dokumente dieser Spiele wird. Denn Meylemans wähnte sich vermutlich einem fremden kalten Apparat ausgesetzt, und befürchtete wohl eine weitere Odyssee durch Hotels statt endlich dorthin zu kommen, wo sie sich sicher wähnte: ins Athletendorf. Immerhin, Meylemans hat Aufsehen erregt, am nächsten Tag schaltete sich das IOC ein, und die junge Belgierin war schließlich auch im Dorf angekommen.

Und auch in vermeintlich unwesentlichen Situationen gab es Ärger, diesmal wieder für die Norweger. Als Teile der Teamführung in diesen Tagen zurück ins Hotel kehrten, traf sie ein weiterer Rückschlag in Sachen Corona-Management. Chef de Mission Tore Övrebö erzählte, nicht offiziell habe er vom Kontaktstatus seiner Biathleten Johannes Thingnes Bö und Ingrid Landmark Tandevold erfahren, sondern vom Angestellten am Hotelempfang. Der sei zwar sehr höflich gewesen, "dennoch hätte er das nicht wissen dürfen.", so Övrebö. Zustände seien dies "wie im Wilden Westen".

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5521566
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ/jkn/ebc/pps
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.