Schwimmen bei Olympia:Kalter Krieg im Pool

Schwimmen bei Olympia: Sehr erfolgreich in Tokio: der Russe Jewgeni Rylow.

Sehr erfolgreich in Tokio: der Russe Jewgeni Rylow.

(Foto: Attila Kisbenedek/AFP)

Die irgendwie gesperrten Russen sind wieder da in Tokio - und wie. Das gefällt einigen unterlegenen Amerikanern überhaupt nicht.

Von Claudio Catuogno, Tokio

Russland hatte gewonnen, Amerika hatte verloren. Zum zweiten Mal innerhalb von vier Tagen. Am Dienstag hatte sich Ryan Murphy, 26, der amerikanische Dreifach-Olympiasieger von 2016, über 100 Meter Rücken den beiden Russen Jewgeni Rylow und Kliment Kolesnikow geschlagen geben müssen. Am Freitag wurde er auch über 200 Meter Rücken nur Zweiter hinter Rylow. Dass auch Frust dabei war, darf man annehmen, als Murphy sich entschloss, jenes Fass aufzumachen, das in Tokio nun schon als die Rückkehr des Kalten Krieges ins Schwimmbecken bezeichnet wird.

Rylow tritt offiziell nicht für Russland an, sondern für das "Russische Olympische Komitee (ROC)". Wegen der Affäre um Staatsdoping bei den Winterspielen in Sotschi 2014 und der darauf folgenden Manipulation von Labordaten sind der Name "Russland" und die die russische Flagge verboten. Aber die Sportler sind da. Ob er deswegen frustriert sei, wurde Murphy gefragt. Antwort: "Es ist eine große mentale Belastung, durch das Jahr zu gehen und zu wissen, dass ich in einem Rennen schwimme, das wahrscheinlich nicht sauber ist. Leute, die viel mehr über die Situation wissen, haben die Entscheidung getroffen. Es frustriert mich. Aber ich muss gegen das Feld schwimmen, das neben mir ist."

Als Murphy, Rylow und der britische Bronze-Gewinner Luke Greenbank kurz darauf in der Pressekonferenz saßen, hatte sich das Zitat längst herumgesprochen. Von Angesicht zu Angesicht ruderte Murphy ein bisschen zurück: "Ich will hier keine Vorwürfe machen", sagte er: "Glückwunsch an Jewgeni, Glückwunsch an Luke. Sie haben einen unglaublichen Job gemacht." Aber, ganz allgemein über das Schwimmen gesprochen, "glaube ich, dass es Doping gibt". Der Weltverband Fina müsse "transparenter werden". Luke Greenback schloss sich ausdrücklich an, mit Gruß ans Internationale Olympische Komitee und die Welt-Anti-Doping-Agentur: "Natürlich ist es für einen Sportler frustrierend zu wissen, dass es ein staatlich gefördertes Dopingprogramm gibt, und das Gefühl zu haben, dass vielleicht mehr getan werden könnte, um das Thema anzugehen."

"Wie nervend unsere Siege für manche Kollegen im Business sind", twittert das russische Komitee

Und Rylow? Der hatte gut zugehört. Murphy habe ihn ja nicht persönlich angegriffen, sagt er - "deshalb reagiere ich lieber nicht auf das, was er gesagt hat". Er selbst sei "schon immer für sauberen Wettbewerb" gewesen: "Ich werde immer getestet. Ich fülle alle Formulare aus. Ich bin von ganzem Herzen für sauberen Sport."

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Damit hätte man es bewenden lassen können, eine Art olympischer Friede auf Athletenebene. Aber offenbar waren sie beim russischen Olympia-Komitee dafür schon zu euphorisiert. Also veröffentlichte der Dachverband ein Statement bei Twitter, das vor Häme nur so überlief: "Wie nervend unsere Siege für manche Kollegen im Business sind. Ja, wir sind hier bei den Olympischen Spielen. Absolut richtig. Ob es jemandem gefällt oder nicht. Aber man muss verlieren können. Das ist nicht jedem gegeben. Die alte Drehleier hat wieder mit dem Lied über das russische Doping begonnen. Jemand dreht fleißig am Griff." Und dann noch ein zweiter Eintrag: "Englischsprachige Propaganda, die in der Hitze von Tokio vor verbalem Schweiß trieft. Wir werden euch nicht trösten. Vergebt denen, die schwächer sind. Gott ist ihr Richter. Und für uns ist er ein Helfer."

Ja, die irgendwie gesperrten Russen sind wieder da in Tokio, und wie. Zu Rylows Triumph wurde trotzdem Tschaikowski eingespielt, Klavierkonzert Nr. 1. Die russische Hymne ist ja auch noch gesperrt.

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