Deutsche Teams:Der große Irrtum

Handball bei Olympia 2021: Szene aus dem Halbfinale Deutschland gegen Ägypten

Zerschellt an starken Ägyptern: Steffen Weinhold (rechts) bekommt passend zum Viertelfinal-Aus noch eine mit.

(Foto: Siphiwe Sibeko/Reuters)

Von Fußball bis Hockey: Für die deutschen Mannschaftssportler enden die Spiele in Tokio enttäuschend. Am heftigsten haben sich aber die Handballer in ihrer Zielsetzung vertan.

Kommentar von Carsten Scheele

Große Ziele können Sportler pushen, motivieren, zu neuen Höhen tragen. Oder das Gegenteil bewirken. Die deutschen Mannschaftssportler werden nun jedenfalls arg enttäuscht von den Spielen in Tokio heimfliegen. Die Fußballer, 2016 in Rio noch mit Silber belohnt, sind längst zu Hause, sie schieden diesmal in der Vorrunde aus. Für die Hockeyspielerinnen und Handballer (jeweils Bronze in Rio) war im Viertelfinale Schluss. Einzig die Hockey-Männer haben noch die Chance auf Bronze, wobei: Sie wollten ja Gold gewinnen, bis zur Halbfinal-Niederlage gegen Australien.

Die größte Diskrepanz zwischen Zielen und Wirklichkeit ist bei den Handballern zu verorten. Hier wurde vom Deutschen Handballbund (DHB) bereits 2013 das Langfristziel - Gold in Tokio - auf den Plan gerufen. Man wähnte sich am Anfang einer goldenen Generation, die 2020 (respektive 2021) so richtig abräumen sollte. Das große Ziel sollte pushen, motivieren, zu neuen Höhen tragen, und es ging passabel los: 2016 wurde das Team überraschend Europameister, im Sommer folgte die Bronzemedaille in Rio.

Dann verließ die Mannschaft jedoch den Weg, den sie unter Bundestrainer Dagur Sigurdsson eingeschlagen hatte. Dass andere Nationen aktuell die prägenderen Handballer haben, das kann vorkommen - der Verband muss sich aber vorwerfen lassen, dass er die Ziele nicht rechtzeitig und klarer angepasst hat. Misserfolg reihte sich an Misserfolg, Platz neun bei der WM 2017 und der EM 2018, Vierter bei der Heim-WM 2019, Fünfter bei der EM 2020, gar nur Platz zwölf bei der WM 2021. Also keine Medaille seit 2016. Es waren die Spieler, die als Erste vom Gold-Ziel für Tokio abrückten, während Funktionäre wie Bob Hanning bis zum Schluss daran erinnerten. Der DHB-Vizepräsident konstatierte nun immerhin offen, dass die Mannschaft verdient ausgeschieden sei. Gold war einfach nicht realistisch, Hanning hatte sich getäuscht.

Im Rückraum und auf der Spiellenkerposition sind andere Nationen besser aufgestellt

Problematisch ist, dass die Kluft zu Spitzenteams wie Dänemark und Frankreich in den vergangenen Jahren eher größer geworden ist. Auf Dauer kann es nicht genügen, darauf zu hoffen, dass die Torhüter einen starken Tag erwischen und zusammen mit der Abwehr ein Bollwerk bilden, an dem nicht vorbeizukommen ist. Im Rückraum und auf der Spiellenkerposition sind andere Nationen besser aufgestellt, und sie spüren zudem, das ist ein durchaus wichtiger Punkt, den Rückhalt der eigenen Liga.

Es war die deutsche Bundesliga, die ihr Mammutprogramm bis Ende Juni durchgezogen hat, als Nationen wie Frankreich oder Spanien den Ligabetrieb längst erledigt hatten. Die Ägypter, an denen das deutsche Team gescheitert ist, hatten gleich mehrere Monate zur Vorbereitung - ein Zustand, von dem Bundestrainer Alfred Gislason nur träumen kann. Nach der sehr anstrengenden Corona-Saison hatten seine Spieler nur eine Woche Urlaub, dann eine kurze Vorbereitung, ehe sie in den Flieger nach Tokio stiegen. Goldwürdige Bedingungen sehen anders aus.

In zweieinhalb Jahren steht das nächste große Handballereignis an: die Europameisterschaft 2024 in Deutschland. Geringer werden die Strapazen für die Nationalspieler bis dahin kaum werden. Der DHB täte aber gut daran, die Ziele auch entsprechend zu formulieren.

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