Süddeutsche Zeitung

Olympia 2010: Bode Miller:"Nervös? Du?"

Exzentriker, Eigenbrödler, Enfant terrible: Die vielen Namen des Bode Miller. In Whistler fährt ein geläuterter Skistar, der völlig unerwartet zwei Olympia-Medaillen gewinnt.

Michael Neudecker

Phil Mahre gilt als einer der besten Skirennläufer, den die USA je hatten, er wurde 1980 Weltmeister und 1984 Olympiasieger.

Neulich hat Phil Mahre erzählt, er habe einen Helfer der Winterspiele von Turin gesprochen, "sie können dort keinen Sieger der alpinen Wettbewerbe nennen, aber an Bode Miller können sie sich erinnern", sagte Phil Mahre. Er fügte hinzu: "Es sind keine guten Erinnerungen." Bode Miller und Turin, das hat sich eingeprägt.

Damals trat Bode Miller bei fünf Rennen an, natürlich, er ist ja nicht nur ein übermäßig begabter Skifahrer, sondern auch einer der wenigen, die alle fünf Disziplinen beherrschen. Er trat als dreifacher Weltmeister und Gesamtweltcup-Sieger an, es war im Prinzip klar, dass er wenigstens einmal Gold holen würde. Er wurde dann im Riesenslalom Sechster und Fünfter in der Abfahrt; im Slalom, der Kombination und im Super-G schied er aus.

Er wohnte in seinem Motorhome, mit dem er zusammen mit einem eigenen Team auch die Weltcuporte bereiste, abgesondert, abgeschottet, allein. Er wollte nichts zu tun haben mit den anderen damals, sein Ruf hat etwas gelitten darunter, ein Exzentriker, ein Eigenbrötler, das sagten die Leute damals. Aber Turin war 2006, das ist vier Jahre her, und vier Jahre können eine lange Zeit sein.

2010, bei den Olympischen Spielen von Vancouver, tritt Bode Miller als Bode Miller an. Seine Weltmeistertitel sind schon eine Weile her, im Gesamtweltcup hat er mit der Entscheidung nichts zu tun. Die Erwartungen sind nicht besonders hoch, es ist sogar so: Niemand erwartet von Bode Miller etwas.

Wahrscheinlich ist der Bode Miller von 2010 deshalb anders als der von 2006. Er ist umgänglicher, irgendwie gelassener, er spricht sogar mit den Reportern. Und er ist gut: Er hat nun zwei Medaillen gewonnen, am Dienstag Bronze in der Abfahrt, am Freitag Silber im Super-G. Er hat damit nun Medaillen in vier verschiedenen Disziplinen gewonnen, er ist erst der fünfte Skirennfahrer in der Geschichte, dem das gelungen ist.

Nach seiner ersten Medaille erzählte Bode Miller, 2006 sei er "nicht mit dem Herzen dabei gewesen, ich bin kalt in die Rennen gegangen", aber "jetzt fühle ich die Energie, ich spüre Olympia". Und überhaupt, diese Medaille sei nicht für ihn, sondern für alle im Team, "die so hart dafür gearbeitet haben". Man war sich dann nicht mehr sicher, ob das wirklich Bode Miller war, der da sprach.

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Der Liechtensteiner Skirennfahrer Marco Büchel, einer der ältesten im Feld, hat kürzlich auch eine kleine Episode über Bode Miller erzählt. Er habe ihn im Restaurant vor dem Start getroffen, berichtete Büchel, und dann habe er "einen faszinierenden Wortwechsel" mit Miller gehabt. Nämlich: "Er hat gesagt, dass er nervös ist. Darauf ich: Was? Du? Und er antwortete: Well, ich bin nervös. Ich bin aufgeregt." Bode Miller trägt gerne Baseball-Caps und Schlabber-Jogginghosen, er kaut Kaugummi, schlendert mehr, als dass er geht, und er ist vor allem nie nervös. So war das zumindest bisher.

Bode Miller wird im Oktober 33, er ist nicht mehr der Jüngste, womöglich spielt das auch eine Rolle. Er sei ruhiger geworden, sagt der US-Cheftrainer Sasha Rearick. Miller war nach der WM 2009 aus der Saison ausgestiegen, er genoss das Leben, es schien, als wolle er aufhören. Rearick war einer der Gründe, weshalb Miller am Ende des Sommers entschied, doch weiterzumachen.

Er fährt nun nicht mehr mit seinem Motorhome umher, er ist jetzt Mitglied der Mannschaft, Rearick sagt, Miller integriere sich sehr gut. Die anderen Fahrer schauen zu ihm auf, zu ihm und Ted Ligety, mit dem Miller bei Olympia ein Appartement bewohnt. Rearick sagt sogar, die Jungen bräuchten einen wie Miller, sie könnten viel lernen von ihm.

Vor allem aber hat Bode Miller viel von Bode Miller gelernt. Die Erfahrung, allein umherzuziehen, sei wichtig für ihn gewesen, sagt Miller, "ich habe gelernt, was es kostet, welchen Aufwand man für diesen Sport betreiben muss".

Am Sonntag ist die Super-Kombination, und es erwartet zwar noch immer niemand etwas von Bode Miller. Zum Kreis derer, die als Anwärter auf die Goldmedaille betrachtet werden, gehört er nun aber schon.

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