Der FC Barcelona hat am späten Dienstagabend im proletarisch geprägten Madrider Stadtteil Vallecas seinen dritten Sieg im dritten Ligaspiel unter dem neuen Trainer Hansi Flick errungen. Der perspektivisch wichtigere Triumph indes war dem Klub schon einige Stunden vor dem Anpfiff gelungen – in der Zentrale des spanischen Ligaverbandes, die knapp 20 Autominuten vom Estadio de Vallecas entfernt in einem schmucklosen Bürohochhaus beheimatet ist.
Wochenlang hatte sich „La Liga“ dagegen gesperrt, den vormaligen Leipziger Dani Olmo, 26, als neuen Barça-Profi zu registrieren. Am Dienstagmorgen willigte der Dach- und Arbeitgeberverband des spanischen Berufsfußballs dann ein, dem offensiven Mittelfeldspieler eine Arbeitsberechtigung zu erteilen. Der Europameister Olmo nahm das ebenso erleichtert wie dankbar an. Anschließend unterwarf er den Abendgegner Rayo Vallecano im Stile von Julius Cäsar: Olmo kam, sah und siegte.
Wer weiß, ob der FC Bayern sich im Laufe der Saison noch einmal reuig an jene Wochen erinnern wird, in denen Olmos Management den Verantwortlichen an der Säbener Straße deutlich hinterbracht hatte, dass ihr Klient liebend gern nach München wechseln würde. Als jedoch die EM ihrem Ende entgegen trudelte, blieben Gesuche der Olmo-Partei, die bestehenden Kontakte mit den Bayern zu vertiefen, plötzlich ohne Antwort. Olmo entschied sich daher für Barcelona – den Verein, den er vor zehn Jahren als Teenager verlassen hatte, um sich in Kroatien und Deutschland fortzubilden.
Das Hickhack um die Spielberechtigung, das auf die Vertragsunterschrift bei den Katalanen folgte, bestätigte indes die Skeptiker im Olmo-Lager. Am ersten Spieltag musste Olmo auf die Partie beim FC Valencia verzichten, auch am vergangenen Wochenende (2:1 gegen Bilbao) saß er nur auf der Tribüne. Der finanziell nach wie vor taumelnde FC Barcelona hatte den Hütern über Regeln und Finanzen des Ligaverbandes zwar einiges an Einnahmen und Einsparungen nachgewiesen: Gutverdiener Ilkay Gündogan kehrte überraschend zu Manchester City zurück, Vítor Roque wurde an Betis Sevilla verliehen, Clement Lenglet an Atlético Madrid, und ein gewisser Mikayil Faye wurde an Stade Rennes verkauft. Aber das war in Summe noch immer nicht genug, um die Gehaltsausgaben des Ligazweiten der Vorsaison mit den Ausgaben so in Einklang zu bringen, dass die Liga zufrieden war.
Die spanische Presse feiert das Debüt von Dani Olmo
Erst als ein Ärzte-Konzil es als erwiesen erachtete, dass Barcelonas dänischer Verteidiger Andreas Christensen wegen einer Verletzung „langfristig“ ausfallen und ein Teil von dessen Gehalt daher absehbar von der Berufsgenossenschaft übernommen werde, wurde der Zugang Olmo für spielberechtigt erklärt. Vorläufig jedenfalls, bis zum Ende der Hinrunde. Damit droht – Stand jetzt – vor der Rückrunde ein ähnliches Theater wie in den vergangenen Wochen. Glaubt man dem FC Barcelona, ist das aber nur ein theoretisches Szenario. Denn schon in den kommenden Tagen sollen neue Einnahmen sprießen, unter anderem durch eine bereits länger angepeilte Vertragsverlängerung mit Ausrüster Nike, die allein eine signing fee von 120 Millionen Euro beinhalten soll.
Ohnehin wirkt der Jahreswechsel im klassischen spanischen Urlaubsmonat August in Barcelona noch weit entfernt. Die Zeitungen der katalanischen Hauptstadt freuten sich deshalb am Mittwoch ohne Abstriche über den Einstand von Olmo, der sich nach dem EM-Titel die Haare wasserstoffblond gefärbt, seine alte Spielfreude aber konserviert hat. „Magischer Olmo“, gellte El Mundo Deportivo, „Spektakuläres Debüt“, rief Sport, „Olmo ändert das Schicksal Barcelonas“, versicherte El Periódico. Sogar die Madrider Gazette Marca gab sich entzückt: Olmo habe ein Beispiel dafür geliefert, „anzukommen und den Heiligen zu küssen“ – eine katholisch geprägte Metapher dafür, wenn einer etwas erreicht, ohne darauf warten zu müssen, dass sich eine Warteschlange von Pilgern auflöst.
Wobei das Bild insofern nicht stimmte, als Hansi Flick zunächst 45 Minuten lang auf Olmo verzichtet hatte. Der Trainer griff erst auf ihn zurück, als Vallecano zur Pause überraschend 1:0 führte; Unai López hatte nach nur zehn Minuten getroffen. „Olmo verwandelte eine traurige und träge Mannschaft in ein fröhliches und Spaß machendes Team, das offensive Präsenz an den Tag legte, bis Rayo die weiße Fahne hisste“, schrieb El Periódico. In der Tat: Der eingewechselte Olmo beschwor schon nach 25 Sekunden eine Szene herauf, die nach Elfmeter roch, 21 seiner 25 Pässe fanden einen Abnehmer, er jagte einen Ball aus 30 Metern an die Querlatte, er arbeitete defensiv mit, eroberte drei Bälle – und traf nach dem zwischenzeitlichen Ausgleich von Pedri (60.) zum 2:1-Siegtor (82.).
Marc Bernal fällt mit einem Kreuzbandriss monatelang aus
„Olmo hat uns wehgetan. Er hat den Unterschied gemacht“, klagte Íñigo Pérez, der Trainer von Vallecano, der auf den soeben verpflichteten früheren FC-Bayern-Profi James Rodríguez aus Kolumbien noch verzichtet hatte. Bei Dani Olmo selbst war der Groll über die Wartezeit verflogen: „Ich hatte große Lust, seit meiner Ankunft habe ich mich danach gesehnt, zu debütieren. Es hätte nicht besser laufen können“, sagte er. Auch Hansi Flick lächelte – bis er in die Kabine kam und Niedergeschlagenheit sah.
Der Grund: Der 17-jährige defensive Mittelfeldspieler Marc Bernal hat sich eine augenscheinlich schwere Knieverletzung zugezogen. Die Diagnose am Mittwochmorgen war niederschmetternd: Bernal erlitt wie befürchtet einen Kreuzbandriss, die Saison ist für das Talent gelaufen. „Wegen der Verletzung ist dies ein trauriger Sieg“, hatte Flick schon in Vallecas gesagt. Doch auch der frühere Bundestrainer weiß: Mit Olmo dürfte sein Leben als Barça-Coach einfacher werden.