Oklahoma City besiegt San Antonio:Mit Irokesenschnitt und Rauschebart

Nach 20 Siegen in Serie verlieren die San Antonio Spurs mal wieder ein Spiel - dabei könnte der Zeitpunkt kaum ungüstiger sein. Durch die Niederlage in der dritten Partie der Playoff-Halbfinalserie wähnt Oklahoma City, das interessanteste Team der Saison, das Momentum auf seiner Seite.

Jürgen Schmieder

Wer im Sport ein großes Ziel erreichen möchte, der darf um Gottes Willen davor und vor allem währenddessen nicht darüber reden - weil es zuerst Unglück und später womöglich Spott bringt. Deshalb hat etwa Bundestrainer Joachim Löw derzeit das Wort "Finale" zum unerwünschten Begriff erklärt, deshalb darf man einen Werfer beim Baseball während eines perfekten Spiels nicht ansprechen. Deshalb sollte kein Schwergewichts-Boxer behaupten, die Klitschkos schlagen zu können

San Antonio Spurs at Oklahoma City Thunder Basketball

Extravagant und erfolgreich: James Harden von den Oklahoma City Thunder.

(Foto: dpa)

Die Akteure der San Antonio Spurs sprachen in den vergangenen Wochen nicht über ihre phänomenale Serie in der Basketballliga NBA, die historische Ausmaße anzunehmen drohte: 20 Partien in Folge hatten die Spurs gewonnen, zehn davon in den Playoffs - und würde man über solche Dinge reden dürfen, dann hätte man davon gesprochen, dass San Antonio es tatsächlich schaffen könnte, als erste Mannschaft der Geschichte ohne Playoff-Niederlage Meister zu werden.

Nun hat San Antonio jedoch verloren, im dritten Spiel der Halbfinalserie unterlagen sie bei Oklahoma City Thunder deutlich mit 82:102. "Sie haben sehr gut gespielt, fast so, als wäre diese Partie ihre letzte Chance gewesen", sagte San Antonios Coach Gregg Popovich nach dem Spiel. Sein Team dagegen habe "schwach" agiert, Oklahoma "intelligent und mit mehr Biss".

Tony Parker erwischte bei den Spurs keinen guten Abend. Der französische Nationalspieler war zusammen mit Stephen Jackson mit jeweils 16 Zählern treffsicherster Akteur der Gäste. "Unser Ziel war es, Durant und Westbrook in Schach zu halten. Dabei haben wir Thabo Sefolosha zu viel Platz gelassen, und er trifft eben, wenn er Platz hat", sagte Parker. Sefolosha schaffte 19 Zähler, sechs Balleroberungen und sechs Rebounds.

"Wir haben großartig verteidigt", sagte Thunder-Trainer Scott Brooks, "wir waren sehr aktiv, haben jeden Ballbesitz San Antonios früh attackiert - besser kann man es gegen die momentan beste Basketball-Mannschaft nicht machen." Dann ergänzte er: "Ich vergesse manchmal, dass sie Jungs erst 22, 23 Jahre alt sind, sie verhalten sich und spielen wie alte Hasen."

Ohne Frage ist Oklahoma City das derzeit interessanteste Team der NBA: Der Kader wirkt wie eine Studie zur Gruppendynamik, es hat den Anschein, als hätten die Verantwortlichen möglichst viele unterschiedliche Charaktere in eine Umkleidekabine gesteckt und verblüfft festgestellt, wie stabil diese Biozönose doch sein kann und selbst Prädatoren zur Symbiose fähig sind.

Wieder ein Heimspiel

Der 23 Jahre alte Aufbauspieler Russell Westbrook war so ein Prädator gewesen. Als vierter Spieler seines Jahrgangs war er im Jahr 2008 ausgewählt worden, er präsentierte sich zunächst als Egomane und war damit die Antithese zu Kollege Kevin Durant, der ein Jahr zuvor aus dem College gekommen war: Durant küsst vor und nach jedem Spiel seine Mutter am Spielfeldrand, er arbeitet freiwillig an sozialen Projekten und gilt gemeinhin als nettester Junge der Liga.

Oklahoma City Thunder guard James Harden celebrates a three-point ahot against the San Antonio Spurs during Game 3 of the NBA Western Conference basketball finals in Oklahoma City

Irokese, Rauschebart - und viel Gefühl im Arm: James Harden jubelt nach einem erfolgreichen Drei-Punkte-Versuch.

(Foto: REUTERS)

Nach einigen heftigen Streitereien mit Trainer Brooks und viel Zeit auf der Ersatzbank sah Westbrook ein, dass er selbst dann am meisten glänzen darf, wenn seine Mannschaft erfolgreich spielt. "Ich war ein Teenager mit Teenagerflausen im Kopf", sagt Westbrrok über seine Entwicklung, "doch ich lerne dieses Spiel langsam und bin auch dabei, erwachsen zu werden."

Im Jahr 2009 kam dann noch James Harden dazu, ein lockerer Individualist mit Irokesen-Frisur und Rauschebart, der laut Trainer Brooks "das Spiel ernst nimmt, aber weiß, dass es letztlich nur ein Spiel ist. Ich mochte seinen Bart anfangs nicht - aber so weiß ich wenigstens, dass er sich gesund ernährt, weil ich die Reste deutlich sehen kann."

Vor der Saison verpflichtete Oklahoma City dann noch Kendrick Perkins, 27, der einst mit den Boston Celtics den Titel gewonnen hatte - und im März kam noch Derek Fisher, 37, fünfmaliger Meister mit den Lakers. "Natürlich haben wir eine junge und unerfahrene Mannschaft. Aber dieses Team ist hungrig - und sie hat seit dieser Saison die Unterstützung der Veteranen, die wissen, wie man Titel gewinnt", sagt Brooks über seine Mannschaft.

Sie haben Erfolg damit: Das Trio Westbrook, Durant und Harden schaffte in den Playoffs gemeinsam 67,4 Punkte pro Spiel, die Kollegen Serge Ibaka und Thabo Sefolosha glänzen in der Defensive - und die Routiniers Perkins und Fisher geben die produktiven Teilzeitarbeiter. "Die Mischung stimmt", sagt Trainer Brooks, "es müssen nur alle zusammenarbeiten." Wie beim Sieg in Spiel drei gegen die Spurs, als fünf Spieler zweistellig punkten durften.

Oklahoma City hatte in der ersten Playoff-Runde die Dallas Mavericks mit 4:0 und danach die Los Angeles Lakers mit 4:1 besiegt. Das Problem im Halbfinale ist nun eigentlich nur der Gegner, die San Antonio Spurs. Die hatten nämlich sowohl die Utah Jazz als auch die Los Angeles Clippers mit 4:0 in den Sommerurlaub befördert - und auch die ersten beiden Halbfinalspiele gegen Oklahoma City gewonnen.

Am Donnerstag jedoch gab es diesen deutlichen Sieg der Thunder, die Serie wird am Sonntag in Oklahoma City fortgesetzt. "Das Momentum ist jetzt auf unserer Seite", sagte Sefolosha nach dem Sieg, "ich glaube, dass diese Serie noch lange dauern wird." Es wäre in der Tat eine große Leistung, wenn Oklahoma die best-of-seven-Serie gegen San Antonio nach zwei Niederlagen zum Auftakt noch gewinnen würde - aber davon darf derzeit natürlich keiner sprechen.

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