Viertelfinale gegen Italien:Glückloser, bayerischer Gaul

Viertelfinale gegen Italien: Auch das noch: Thomas Müller vergab seinen Elfer gegen Gigi Buffon.

Auch das noch: Thomas Müller vergab seinen Elfer gegen Gigi Buffon.

(Foto: AFP)

Müller stochert, Müller kämpft, Müller verschießt: Der WM-Torschützenkönig hat noch immer keinen Treffer bei dieser EM erzielt.

Von Thomas Hummel, Bordeaux

Es war die typische Müller-Szene. Der Schuss eines Mitspielers verunglückte, gelangte zu einem anderen Kollegen, der den Ball auf Verdacht in die Mitte spielt. Dort stand Müller, genau da, wo er eben stehen muss. Da wo die Flipperei natürlicherweise enden muss. Bei seinen dünnen Haxen, die die Kugel nun selbstredend ins Tor stochern. Tatsächlich stocherte Thomas Müller wie eh und je - allerdings fast am Ball vorbei. Es kam nur ein Schüsschen heraus.

Es ist etwas geschehen mit diesem Müller. Ist er doch der Mann, der bei den vergangenen beiden Turnieren die deutsche Mannschaft mit seinem Gestochere und seinen Schüssen gleich auf den richtigen Weg geschickt hatte. Südafrika 2010, fünf Tore und WM-Torschützenkönig, Brasilien 2014, fünf Tore. Allerdings war dazwischen auch eine EM, die in Polen und der Ukraine. Schon damals hieß es: Müller, null Tore.

Und nun? Verschießt er am Ende sogar einen Elfmeter. Und wartet weiter auf seinen ersten Treffer bei dieser EM. Immerhin: Er darf noch weiter warten, nach dem Halbfinal-Einzug. Ihm reiche es ja, wenn er im Endspiel seinen ersten Treffer erzielte, hatte Müller kürzlich gesagt, "weil das hieße ja dann, dass wir im Endspiel stünden". Möglich ist das.

"Ich bin nicht von meinen eigenen Tore abhängig"

Nach dem Achtelfinale gegen die Slowakei war es fast rührend gewesen, als er sich erklären wollte. "Ich bin mit meinem und dem Turnier der Mannschaft zufriedener, als ihr vielleicht denkt. Ich bin nicht von meinen eigenen Toren abhängig", hatte er gesagt und auf seinen Beitrag verwiesen auf dem Platz, dass die Mannschaft gut funktioniere. Auch defensiv. Um dann doch darauf hinzuweisen: "Ich arbeite auch weiter daran, dass es mal wieder scheppert."

In Lille, damals gegen die Slowakei, konnte man so ein Gespräch noch als Anekdote abtun. Doch in Bordeaux wurde es nun ernst. Nie hatte seine Mannschaft Müllers Geschepper so dringend benötigt wie im Nouveaux Stade gegen diese kernigen, zähen, unnachgiebigen Italiener. Irgendwie mussten Tore her, doch gegen wen ist das schwerer als gegen die berühmte BBBC-Versicherung: Buffon, Bonucci, Barzagli, Chiellini.

Fragezeichen über den Köpfen

Nach der Umstellung auf eine Dreier-Abwehrkette hatte Bundestrainer Joachim Löw Julian Draxler aus der Startelf genommen, so blieben vorne drin eigentlich nur zwei echte Torjäger-Optionen für die Deutschen: Mario Gomez und eben Müller. Die Deutschen hatten viele gute Ideen, wie sie die Italiener stoppen wollten. Vor allem deren Konter. Wie sie allerdings an dieser Fünfer-Abwehrkette samt helfendem Offensivpersonal vorbei kommen sollten, da schienen ihnen Fragezeichen über den Köpfen zu wachsen. Am Willen fehlte es immerhin nicht, schon gar nicht bei Thomas Müller.

Müller kämpfte für seine Mannschaft, er kämpfte für sich

Er suchte seine Räume zwischen den blauen Trikots, manchmal waren seine Schreie zu den Mitspielern bis unters Tribünendach zu hören. Er kämpfte im Sitzen und Liegen noch um die Bälle, er schimpfte mit Schieds- und Linienrichter, er sprintete nach hinten. Wenn es nötig war, grätschte er sogar gegen Giorgio Chiellini, obwohl er wissen musste, dass man sich bei dem hölzernen Verteidiger nur einen blauen Flecken holen kann.

Müller kämpfte für seine Mannschaft, er kämpfte für sich. Einige Male verstocherte er sich auch. Nach 54 Minuten schob ihm Gomez endlich mal den Ball so zu, dass er mit dem Gesicht zum Tor stand - doch Alessandro Florenzi klärte mit der Hacke zur Ecke. Dass der Oberbayer beim 1:0 gar kaum beteiligt war, ist da eigentlich nur konsequent. Da wo er sonst steht, tauchte plötzlich Mesut Özil auf. Und der versenkte auf die Müllersche Art trocken ins Netz.

Die deutsche Offensive schien den Tag auch ohne Müller-Tor erfolgreich hinter sich zu bringen. Doch nach Boatengs seltsamer Schmetterlings-Abwehr und dem 1:1 musste sie wieder ran. Draxler kam für Gomez und Müller rückte in die Sturmmitte. Die deutschen Zuschauer gaben nicht auf und munterten Thomas Müller einige Male lautstark auf. Auch weil jeder sehen konnte, dass er rackerte wie ein oberbayerischer Ackergaul.

In der Verlängerung ging es weiter, Müller rackerte und rief und lief. Doch es wollte einfach nichts gelingen. Als er einmal alleine auf dem Weg zum Tor gewesen wäre, da gelang Draxler der einfache Pass nicht. Das Warten auf Müller, es endete im Elfmeterschießen. Und selbst das gelang ihm nicht. Das Gute aus seiner Sicht ist eigentlich nur: Im Halbfinale erwartet eigentlich niemand mehr ein Tor.

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