Özil-Debatte:"Tut mir leid"

Lesezeit: 3 min

DFB-Präsident Grindel gesteht in der Erdoğan-Affäre Fehler ein - Bayern-Präsident Hoeneß kritisiert erneut Mesut Özil.

Von Benedikt Warmbrunn, München

Uli Hoeneß. (Foto: Alexander Hassenstein/Getty Images)

Vielleicht hätte Uli Hoeneß in der vergangenen Saison einfach mal häufiger nach London fliegen sollen, um sich dort ein Spiel des FC Arsenal anzuschauen. Die Chancen, dann Mesut Özil beim Fußballspielen beobachten zu können, wären ziemlich gut gewesen. An 24 von 38 Spieltagen in der Premier League stand Özil in der Startelf, 21 Mal davon spielte er durch, dazu wurde er zweimal eingewechselt. 90 Minuten lang saß er nur einmal auf der Bank. An den 14 übrigen Spieltagen war Özil verletzt, eine Entzündung im Knie, der Rücken, ganz normale Fußballerbeschwerden. Wenn Özil aber spielte, war er der wichtigste Spieler des FC Arsenal, im Schnitt bereitete er pro Partie 3,2 Torabschlüsse vor, mehr als jeder andere Spieler der Liga. All das hätte Hoeneß sehen können. Und hätte er das gesehen, hätte er einen Rat dem Bundestrainer Joachim Löw nicht geben müssen: den, dass dieser häufiger nach London zu Spielen des FC Arsenal hätte reisen sollen.

Wäre Löw öfter in London gewesen, erzählte Hoeneß am Sonntag dem Fernsehsender Sky, hätte er Özil "aus sportlichen Gründen nicht mitgenommen", denn dann, so die Hoeneß'sche Logik, hätte der Bundestrainer gesehen, dass Özil "ständig auf der Bank sitzt oder ausgewechselt wird wegen mangelnder Leistung". Eine interessante Theorie. Nur passt sie leider nicht zu den Fakten.

In der Debatte, die auf die Fotos von Özil und Ilkay Gündogan mit dem türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdoğan gefolgt ist und in der es auch darum geht, wer wen wie gut unterstützt hat, auch gegen rassistische Anfeindungen, nimmt Uli Hoeneß, der Präsident des FC Bayern, eine besondere Rolle ein. Nachdem Özil vor vier Wochen aus der deutschen Nationalmannschaft zurückgetreten war - verbunden mit einem Rassismusvorwurf gegen DFB-Präsident Reinhard Grindel -, sagte Hoeneß, dass er froh sei, dass "der Spuk" vorbei sei, Özil habe schon seit Jahren nur einen "Mist" gespielt. Es waren Sätze, die mit viel Schärfe daherkamen, denen jedoch das Gespür für die eigentliche Diskussion fehlte. Bekräftigt wurden sie in den Wochen danach im Wesentlichen nur von einem: von Uli Hoeneß selbst am vergangenen Sonntag.

DFB-Präsident Reinhard Grindel wünscht sich Fakten zu Infantinos Plänen. (Foto: Alexander Hassenstein/Getty Images)

Den Spieler Özil, sagte Hoeneß, habe er "lange beobachtet", daher könne er sagen, dass dieser ein "gut vermarktetes Produkt" sei, das "viel besser dargestellt wird, als es ist". Özil und dessen Management hätten "geschickt die Themen Rassismus und Diskriminierung ins Spiel gebracht, um davon abzulenken, dass er seit Langem nicht mehr gut Fußball spielt". Es war wieder eine scharfe Attacke. Und sie kam an dem Tag, an dem der DFB-Präsident Grindel erstmals gestand, dass er den Spieler Özil hätte besser schützen müssen.

Nach dem Rücktritt des Nationalspielers war Grindel in ein wochenlanges, apathisches Schweigen verfallen. Der Mann an der Spitze des Verbandes wirkte in dieser Zeit zunehmend wie einer, der die gesamte Debatte nicht mehr unter Kontrolle hat, wie einer, der sich erst einmal versteckt, um zumindest nichts Falsches zu sagen. In der Bild am Sonntag gab sich Grindel nun staatsmännisch. "Ich hätte mich angesichts der rassistischen Angriffe an der einen oder anderen Stelle deutlicher positionieren und vor Mesut Özil stellen müssen. Da hätte ich klare Worte finden sollen. Solche Angriffe sind völlig inakzeptabel", sagte er. Nach den Fotos war Özil ausgepfiffen und in den sozialen Netzwerken rassistisch beleidigt worden. Grindel hatte dazu geschwiegen. Seine versöhnlichen Worte nun waren auch die eines Mannes, der weiß, dass er unter Druck steht - und die klaren Worte eines Mannes, der sein Amt nicht verlieren will. "Dass Özil sich vom DFB im Stich gelassen gefühlt hat, tut mir leid", sagte Grindel noch, und auch, dass sein uncharmantes Drängen nach der WM auf eine Erklärung Özils zu den Fotos "keinesfalls als Kritik an seiner sportlichen Leistung missverstanden werden" dürfe.

Philipp Lahm. (Foto: Maxim Shemetov/Reuters)

Dass Grindel ausgerechnet an diesem Wochenende eine Erklärung in eigener Sache abgab, geschah wohl nicht ganz unüberlegt. Am Donnerstag hatte der DFB mitgeteilt, dass Philipp Lahm Organisationschef der EM 2024 werden soll, falls Deutschland das Turnier ausrichten darf. Sollte der DFB die Zusage am 27. September erhalten, wird der frühere Kapitän der Nationalelf ins Präsidium des Verbandes einziehen. Und so ehrgeizig, wie Lahm in seiner ganzen Karriere war, könnte es gut sein, dass er bald die Anerkennung bekommen könnte, die Grindel sich so sehnsüchtig wünscht. Benedikt Warmbrunn

© SZ vom 20.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: