Österreichs Nationalelf:"Wir haben Córdoba zur Ruhe gebracht"

Österreich - Deutschland

Martin Hinteregger (Mitte) bejubelt sein Tor zum 1:1 mit Sebastian Prödl (links) und Julian Baumgartlinger.

(Foto: dpa)
  • 40 Jahre nach der "Schmach von Córdoba" feiert Österreich das 2:1 gegen Deutschland als historisches Ereignis.
  • Unter Trainer Franco Foda gelingt tatsächlich der fünfte Sieg im fünften Spiel.
  • Nach der verpassten WM ist die Nation plötzlich sehr zufrieden mit ihren Fußballern.

Von Sebastian Fischer, Klagenfurt

Am liebsten hätte Marko Arnautovic wieder nur Taten sprechen lassen, das funktioniert ja gerade hervorragend. Die Österreicher liegen ihrem auffälligsten Fußballer, der angeblich nach einer starken Saison mit West Ham in der Premier League von Manchester United umworben wird, derzeit zu Füßen. Das zeigte schon eine Szene vor dem Spiel gegen Deutschland am Samstagabend, als der Regen in Klagenfurt den Anstoß verzögerte: Arnautovic kam nur kurz aus dem Spielertunnel, um einen Ball auf den Rasen zu bolzen. Die Menschen jubelten.

Später, als er DFB-Verteidiger Niklas Süle mit Übersteigern in den Wahnsinn getrieben, kein Tor erzielt oder aufgelegt, aber die Mannschaft zu einem 2:1-Testspielerfolg geführt hatte, den sie in Österreich als historisch zu erachten beschlossen, ging er mit wankenden Schritten auf die Kabine zu. Und wie ein Schauspieler auf dem roten Teppich in Cannes oder Los Angeles ließ sich Arnautovic von den Journalisten bitten, sich ihnen zuzuwenden. "Marko!", ließ er sie rufen, bis er kurz vor der Tür zu den Kabinen umkehrte, um zu sprechen. Um zu sagen, wovon er wusste, dass Österreich es von ihm hören wollte: "Wir haben immer gehört: Cordoba, Cordoba! Jetzt heißt es Klagenfurt! Wir haben Cordoba zur Ruhe gebracht."

Österreich spielt seine eigene Mini-WM

1978, bei der WM in Argentinien, hatte Österreich als Außenseiter Deutschland 3:2 besiegt, was seitdem - je nach Sichtweise - als Wunder oder Schmach von Cordoba gilt. 1986, bei einem Freundschaftsspiel im Praterstadion in Wien, hatte Österreich die deutsche Mannschaft bislang zum letzten Mal geschlagen. Nun, 32 Jahre später, trafen Martin Hinteregger vom FC Augsburg und Alessandro Schöpf von Schalke 04, um wieder gegen Deutschland zu gewinnen. Dass es sich nur um ein "freundschaftliches Länderspiel" handelte, wie sie in Österreich zu sagen pflegen, ein Spiel, in dem die besten deutschen Fußballer fehlten und jene, die mitspielten, womöglich Verletzungen fürchteten, erklärte Arnautovic für Schmarrn, mit dem man sich nicht beschäftigen müsse. Er sagte: "Es sind trotzdem die Deutschen."

Wer ohne einschlägiges Vorwissen zusah, der musste glauben, eine Nation auf dem Höhepunkt der Zufriedenheit mit ihren Fußballern zu erleben. Aufgrund des verschobenen Anpfiffs sangen die Zuschauer zweimal "I am from Austria", die schnulzig-patriotische Liebeserklärung von Rainhard Fendrich, vom Stadionsprecher angefeuert und zum Schwenken von rot-weiß-roten Fahnen animiert. Tatsächlich ist Österreich, vor zwei Jahren noch Zehnter der Weltrangliste, allerdings nicht bei der WM in Russland dabei, weil in der Qualifikation Serbien, Irland und Wales stärker waren.

Doch statt zu jammern, sagen die Österreicher: Was soll's? Sie tragen gerade eine Testspielserie aus, die sie ihre eigene "Mini-WM" nennen: Russland und Deutschland haben sie geschlagen, am 10. Juni ist Brasilien zu Gast. Es wird sogar für ein Gewinnspiel geworben, dessen Hauptpreis eine Reise mit Teamchef Foda nach Russland ist, als Zuschauer. Als würde es wirklich gar nicht wehtun.

Trainer Foda hält sich zurück

Jener gebürtige Mainzer Franco Foda, der im vergangenen Herbst nach langer, öffentlich ausgetragener Suche als Nachfolger für den in der EM-Gruppenphase und danach in der WM-Qualifikation gescheiterten Marcel Koller auserkoren wurde, ist an der Euphorie entscheidend beteiligt. Seine bislang fünf Partien hat er alle gewonnen, Österreichs Spiel hat er variabel und angriffslustig ausgerichtet. Der Sieg bedeutete Foda, der als Trainer in Deutschland nur mal kurz in Kaiserslautern arbeitete, dafür in zwei Episoden rund 20 Jahre bei Sturm Graz, von allen fünf Siegen natürlich am meisten. Das zeigte sein emotionaler Jubel.

Verbal hielt er sich zurück: "Wir sollten jetzt nicht durchdrehen." Sogar Arnautovic schränkte ein: "Wir können trotzdem noch sehr viel an uns arbeiten."

Dass sie bislang schon effektiv gearbeitet haben, zeigte vor allem die zweite Halbzeit. Die Österreicher erkannten die Unsicherheit im Spielaufbau der Deutschen, wagten sich weiter nach vorne, wurden in ihren Aktionen immer mutiger. David Alabas weit und hoch geschlagener Eckball zum lauernden Hinteregger wirkte einstudiert, dessen Volleyschuss zum Ausgleich war Ausdruck der Spielfreude. "Brutal geil", nannte der Verteidiger sein Tor und sagte: "Wir haben gesehen, dass wir gegen die ganz Großen mithalten können." Jener Hinteregger, der neulich in einem Spox-Interview über das frühe EM-Aus gesagt hatte: "Das wird jedem Spieler für sein restliches Leben nachhängen. Ich fühle immer noch die pure Enttäuschung."

Und nun, Enttäuschung vergessen? Vielleicht. "Wenn wir so weitermachen, denke ich, werden die nächsten Turniere gut ausschauen für uns", sagte jedenfalls Arnautovic. Und stolzierte in die Kabine.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: