Süddeutsche Zeitung

Österreichische Nationalelf:Jessasmaria, ein Deutscher!

  • Franco Foda, bisher bei Tabellenführer Graz, wird Nationaltrainer in Österreich - als erster Deutscher in 113 ÖFB-Jahren.
  • Die Suche nach einem Nachfolger für Trainer Marcel Koller, dessen Amtszeit nach dem Verpassen der WM 2018 endete, wurde ein herrlich öffentliches Casting.
  • Kölns Trainer Peter Stöger galt als Kandidat, genau wie Andreas Herzog, Markus Weinzierl und Thorsten Fink.

Von Moritz Kielbassa

Am vorigen Sonntag hat Peter Schöttel, der Sportdirektor des Österreichischen Fußball-Bundes, noch mal mit einem Wunschkandidaten telefoniert - einem Kandidaten, den er laut eigener Aussage zuletzt "fast täglich" angerufen hatte. Dabei sei eine "Hängepartie" entstanden, aber am Montagabend konnten Schöttel und ÖFB-Präsident Leo Windtner dann endlich den neuen Nationaltrainer verkünden. Doch vom vorgestellten "Neo-Teamchef", wie sie in Österreich sagen, war gar nicht die Rede bei Schöttels Erzählung. Die Hängepartie ging um: Peter Stöger, den populärsten Wiener Trainer seit Ernst Happel, der sich allerdings weiterhin der Herausforderung stellt, den komatösen 1. FC Köln aufzurichten. Stöger habe daher "schweren Herzens abgesagt", berichtete ÖFB-Chef Windtner offenherzig.

Die Suche nach einem Nachfolger für Trainer Marcel Koller, dessen Amtszeit nach dem Verpassen der WM 2018 endete, wurde ein herrlich öffentliches Casting mit Wiener Spezialzutaten. Ausführlich gab es auf dem Podium Auskunft zu ausgeschiedenen Anwärtern. "Sie wollten sich wohl von den Leuten nicht vorwerfen lassen, nicht alle bekannten Trainer gefragt zu haben", sagte Stöger zur Indiskretion in eigener Sache (Express) - und ergänzte selber leiwand: "Meines Wissens haben sie auch bei Ralph Hasenhüttl und Niko Kovac angefragt", also beim in Graz geborenen Leipziger Coach und beim Frankfurter Trainer mit Vergangenheit bei RB Salzburg.

Stöger, Herzog, Weinzierl, Fink - der Kandidatenkreis war groß

Direktor Schöttel, eigentlich ein ruhiger Zeitgenosse, bestätigte zudem Gespräche mit René Weiler (zuletzt Nürnberg, Anderlecht) und Landsmann Adi Hütter, derzeit in der Schweiz Tabellenerster mit Bern. Auch Markus Weinzierl war auf der Liste, er sagte aber ab, angeblich wegen Schwierigkeiten mit einem Auflösungsvertrag beim Ex-Klub Schalke - was Schalke umgehend dementierte. Und bis zuletzt hatte die Wiener Trainer-Task-Force zwei weitere willige Kandidaten im Rennen: den Rekordnationalspieler Andreas Herzog - und Austria-Wien-Trainer Thorsten Fink. "Sie waren beide sehr enttäuscht nach der Entscheidung", sagte ÖFB-Chef Windtner.

Übrigens: Nicht enttäuscht war Franco Foda, 51. Er darf Österreichs Nationalelf künftig trainieren, mit Vertrag bis Ende 2019 und einer Option für länger.

Fodas Berufung ist ebenfalls speziell. Er ist in 113 Jahren ÖFB-Geschichte der erste Deutsche auf dem Posten. Und er kommt, mitten im Spielbetrieb, von Tabellenführer Sturm Graz - als würde Jupp Heynckes nach Weihnachten Jogi Löw ablösen. Nach einer "nicht nur rationalen Erkenntnisbildung", führte Windtner sprachakrobatisch aus, sei Foda "in summa die beste Lösung" gewesen. Er habe in Graz bewiesen, "in kleinen Strukturen Großes zu leisten" - und ja, das Fußball-Land Österreich zählt der Verbandschef nach wie vor zu den "smaller sized nations". Dabei war die ÖFB-Elf 2016 nach furioser EM-Qualifikation kurzzeitig Zehnter der Weltrangliste. Doch mit dem Vorrunden-Aus beim Turnier in Frankreich begann ein Abwärtstrend, der in der Qualifikation für die WM in Russland anhielt. Für Koller folgte das Aus.

Für Foda sprach mehrerlei. Nach 20 Jahren bei Sturm Graz, erst als Spieler und in zwei Episoden als Trainer (Meister 2011), "fließt in seinen Adern schon fast Steirerblut", sagt anerkennend Österreichs Fußballikone Hans Krankl, der wie andere Helden von früher (Prohaska, Polster) heute als TV-Experte und Zeitungskolumnist auftritt. Fachkräfte aus dem Ausland werden von diesen meinungsstarken Gurus oft mit Argwohn begrüßt, auch Koller ging das anfangs so: Jessasmaria, ein Schweizer! Warum kein guter österreichischer Trainer?

Der ausgeruhte, geradlinige Foda steht aber nicht unter dem Generalverdacht, ein Schlaumeier-Piefke zu sein. Nur kurz war der Pfälzer mal Trainer in Kaiserslautern, ansonsten immer: Graz. "Ich bin ein Zwischending, österreichisch-deutsch", charmierte Foda bei seiner Vorstellung, "Graz ist meine große Liebe, neben meiner Frau", das neue nationale Amt sei ihm eine "Ehre". Dabei ist Foda, sagte Windtner nebenbei auch noch, "signifikant günstiger" als Vorgänger Koller. Küss die Hand!

Manche hätten Andy Herzog den Zuschlag gegönnt. Der frühere Mittelfeld-Virtuose (Bremen, FC Bayern) wartet seit Jahren auf einen Cheftrainer-Job, schon oft aber war er bei attraktiven Stellenausschreibungen in summa nur die zweitbeste Lösung. Mit Herzog und Fink sei ernsthaft verhandelt worden, betonte Windtner: "Des woa ned Alibi!" Doch nun wird Foda am 14. November, beim Test gegen Uruguay, debütieren, zuvor gibt es zum Kennenlernen ein Kurztrainingslager in Marbella. Graz stellt seinen Trainer dafür frei, danach sitzt Foda noch bis zur Winterpause bei Sturm auf der Bank. Bei den Ligarivalen aus Wien und Salzburg hält sich die Trauer darüber, dass der Tabellenerste seinen Erfolgscoach verliert, in Grenzen.

Beim ÖFB-Team erwarten Foda knifflige Kaderaufgaben. Der Bremer Zlatko Junuzovic ist zurückgetreten, die Rolle von Routiniers (Janko, Almer) ist zu klären. Und eine Schlüsselpersonalie dürfte David Alaba sein. Österreichs Fußball-Idol der Neuzeit spielt beim FC Bayern Linksverteidiger - Koller vertraute ihm beim ÖFB mit mäßigem Erfolg das zentrale Mittelfeld an. Foda sagt: "Alaba wird dort spielen, wo ich glaube, dass es am besten ist."

Foda bevorzugt die nüchterne Betrachtung, auch das Gerede über all die Gegenkandidaten für sein neues Amt hat er entsprechend kommentiert: "Man sieht, dass ich die erste Wahl war, sonst würde ich nicht hier sitzen."

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SZ vom 02.11.2017/chge
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